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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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ein Netz (Paca), welches ein Symbol seiner besonderen Herrschaft über die Thiere ist. Ihm allein von den Göttern brachte man ein Thieropfer dar. Ausserdem fehlt es nicht an Namen, die einerseits seine Wohlthätigkeit oder seine schöpferische Kraft bezeichnen; wie ihm denn Soma mit seiner die Natur befruchtenden Kraft beigegeben wurde. Andererseits machte man den Schiwa, dadurch, dass man die Ansichten von Agni und Rudra (Sturmgott) auf ihn übertrug, zur zerstörenden Gottheit, zum Gott des Todes, der als solcher eine Halskette von Todtenschädeln trägt. Wie dem dreiäugigen Rudra legte man ihm auch ein drittes Auge bei, welches, wie Lassen vermuthet, die Allgegenwart des Gottes andeuten sollte. Indess war Schiwa "keineswegs ausschliesslich der zerstörende Gott," vielmehr auch ein Vertilger der bösen Geister. Seine Verehrung unter dem Bilde des Linga (Phallus) bleibe unbesprochen; sie fand besonders im südlichen Indien statt, und war, nach Lassens Meinung, wahrscheinlich von den Urbewohnern dieses Gebiets, wo das Linga sich vorfand, auf diesen Gott übertragen worden. Die Menschen achteten frühzeitig auf den Charakter der Zeugung, zwar mit thierischem Interesse, aber auch hierin von den Thieren sich wesentlich unterscheidend, die alle nur dem blinden Instinkt gehorchen. Doch möge es bei diesen Einzelnheiten bewenden.

Wir legen das Ganze mit Lassen noch in folgender kurzer Uebersicht hier vor. Bei Schiwa, bemerkt der grosse Alterthumsforscher, muss wie bei Wischnu angenommen werden, dass er ursprünglich als höchster Gott bei seinen Verehrern galt, und dass die Verehrung dieser Götter bei dem Volke zu tief eingewurzelt war, um wieder verdrängt werden zu können. Es ergab sich daher für die Brahmanen die Nothwendigkeit, sie als solche anzuerkennen und ihnen eine solche Stellung zu verleihen, dass ihr eigener Gott Brahma neben ihnen seine Würde behaupten könnte. Das Mittel, alle drei nebeneinander bestehen zu lassen und sie unter eine höhere Einheit zusammenzufassen, bot die in dem Veda ausgesprochene Ansicht dar, dass das höchste Wesen drei Zustände habe, Schöpfung, Fortbestehen und Zerstörung; dass die Welt ewig in ihm sei, aus ihm hervorgehe und sich wieder in ihm auflöse. Brahma wurde der Schöpfer, Wischnu der Erhalter, Schiwa der Zerstörer. Die epische Poesie erkennt diese drei Götter als die höchsten nebeneinander an, ihre Einheit tritt aber nicht entschieden hervor, und die Lehre von dem Trimurti, der Einheit der drei grossen Götter, muss erst der nachfolgenden Zeit zugeschrieben werden. Ob bereits in der Epoche, wo Buddha auftrat, das System der drei grossen Götter ein abgeschlossenes war oder nicht, weiss man aus den Ueberlieferungen nicht mit Sicherheit, doch hält es Lassen für wahrscheinlicher, dass mit dem Auftreten des Buddha die Ansicht von drei grossen Göttern die herrschende war. Ueber die Frauen der letztern waltet die gleiche Unsicherheit ob. Nur von der Gattin des Schiwa könne man, wie Lassen meint, mit Grund annehmen, dass sie zu Buddha's Zeit festgestellt gewesen sei. Wie von ihrem Gemahl, so gelte von ihr ebenfalls, dass Namen und Vorstellungen von älteren Göttinnen auf sie übertragen worden; von der Gattin des Brahma, der Sarasvatei, könne man das Nämliche vermuthen, dagegen sei die Gemahlin des Wischnu, die Laxmei, ohne Zweifel entstanden durch die Vereinigung mehrerer früherer getrennter Göttinnen zu einer einzigen Gestalt, ganz wie es mit ihrem Gemahle selbst der Fall gewesen sein möge.

Eine Menge Sagen von geringeren Göttern erwähnt und beurtheilt Lassen nebenher, wie die von dem Göttervogel Garuda (Garutmat), welcher, obwohl er ein Gott war, doch von Wischnu zu seinem Diener gemacht wurde, nämlich zu seinem Träger durch die Lüfte. Ferner gedenkt er der uralten Sitte, die Götter durch Opfer zu verehren, zunächst des weitverbreiteten und frühe schon bei den Arischen

ein Netz (Pâça), welches ein Symbol seiner besonderen Herrschaft über die Thiere ist. Ihm allein von den Göttern brachte man ein Thieropfer dar. Ausserdem fehlt es nicht an Namen, die einerseits seine Wohlthätigkeit oder seine schöpferische Kraft bezeichnen; wie ihm denn Sôma mit seiner die Natur befruchtenden Kraft beigegeben wurde. Andererseits machte man den Schiwa, dadurch, dass man die Ansichten von Agni und Rudra (Sturmgott) auf ihn übertrug, zur zerstörenden Gottheit, zum Gott des Todes, der als solcher eine Halskette von Todtenschädeln trägt. Wie dem dreiäugigen Rudra legte man ihm auch ein drittes Auge bei, welches, wie Lassen vermuthet, die Allgegenwart des Gottes andeuten sollte. Indess war Schiwa »keineswegs ausschliesslich der zerstörende Gott,« vielmehr auch ein Vertilger der bösen Geister. Seine Verehrung unter dem Bilde des Linga (Phallus) bleibe unbesprochen; sie fand besonders im südlichen Indien statt, und war, nach Lassens Meinung, wahrscheinlich von den Urbewohnern dieses Gebiets, wo das Linga sich vorfand, auf diesen Gott übertragen worden. Die Menschen achteten frühzeitig auf den Charakter der Zeugung, zwar mit thierischem Interesse, aber auch hierin von den Thieren sich wesentlich unterscheidend, die alle nur dem blinden Instinkt gehorchen. Doch möge es bei diesen Einzelnheiten bewenden.

Wir legen das Ganze mit Lassen noch in folgender kurzer Uebersicht hier vor. Bei Schiwa, bemerkt der grosse Alterthumsforscher, muss wie bei Wischnu angenommen werden, dass er ursprünglich als höchster Gott bei seinen Verehrern galt, und dass die Verehrung dieser Götter bei dem Volke zu tief eingewurzelt war, um wieder verdrängt werden zu können. Es ergab sich daher für die Brahmanen die Nothwendigkeit, sie als solche anzuerkennen und ihnen eine solche Stellung zu verleihen, dass ihr eigener Gott Brahmâ neben ihnen seine Würde behaupten könnte. Das Mittel, alle drei nebeneinander bestehen zu lassen und sie unter eine höhere Einheit zusammenzufassen, bot die in dem Veda ausgesprochene Ansicht dar, dass das höchste Wesen drei Zustände habe, Schöpfung, Fortbestehen und Zerstörung; dass die Welt ewig in ihm sei, aus ihm hervorgehe und sich wieder in ihm auflöse. Brahmâ wurde der Schöpfer, Wischnu der Erhalter, Schiwa der Zerstörer. Die epische Poesie erkennt diese drei Götter als die höchsten nebeneinander an, ihre Einheit tritt aber nicht entschieden hervor, und die Lehre von dem Trimurti, der Einheit der drei grossen Götter, muss erst der nachfolgenden Zeit zugeschrieben werden. Ob bereits in der Epoche, wo Buddha auftrat, das System der drei grossen Götter ein abgeschlossenes war oder nicht, weiss man aus den Ueberlieferungen nicht mit Sicherheit, doch hält es Lassen für wahrscheinlicher, dass mit dem Auftreten des Buddha die Ansicht von drei grossen Göttern die herrschende war. Ueber die Frauen der letztern waltet die gleiche Unsicherheit ob. Nur von der Gattin des Schiwa könne man, wie Lassen meint, mit Grund annehmen, dass sie zu Buddha's Zeit festgestellt gewesen sei. Wie von ihrem Gemahl, so gelte von ihr ebenfalls, dass Namen und Vorstellungen von älteren Göttinnen auf sie übertragen worden; von der Gattin des Brahmâ, der Sarasvatî, könne man das Nämliche vermuthen, dagegen sei die Gemahlin des Wischnu, die Laxmî, ohne Zweifel entstanden durch die Vereinigung mehrerer früherer getrennter Göttinnen zu einer einzigen Gestalt, ganz wie es mit ihrem Gemahle selbst der Fall gewesen sein möge.

Eine Menge Sagen von geringeren Göttern erwähnt und beurtheilt Lassen nebenher, wie die von dem Göttervogel Garuda (Garutmat), welcher, obwohl er ein Gott war, doch von Wischnu zu seinem Diener gemacht wurde, nämlich zu seinem Träger durch die Lüfte. Ferner gedenkt er der uralten Sitte, die Götter durch Opfer zu verehren, zunächst des weitverbreiteten und frühe schon bei den Arischen

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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. L. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/50>, abgerufen am 11.12.2024.