Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

goldenen Pokalen zu trinken; seine Strahlen vermählen sich mit den Dünsten der Erde und erzeugen den Gott des Donners. Nun aber fangen arge Verwirrungen an, weil die Sage eine Verwechselung zwischen dem ersten und dem zweiten Odin eintreten lässt. Alte Bücher, Chroniken und Sagen melden, dass etwa im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung vom Caucasus her ein Volk, welches sich Asen (Asiaten) nannte, gezogen sei; der Führer desselben hiess Sigge, und als er durch Russland zog, gab er diesem Lande einen seiner Söhne zum Herrscher; dasselbe geschah auf der Fortsetzung seiner Wanderung bei den Cimbriern, Sachsen, Dänen und Franken; von Dänemark, dem er Skioll, seinen fünften Sohn, gab, ging er nach Schweden, wo der König Gylf regierte, der, um nicht Krone und Leben zu verlieren, dem Fremdlinge und dessen Lehre huldigte; er begründete eine neue Gesetzgebung und einen neuen Gottesdienst, nahm den Namen Odin an, und setzte eine Priesterkaste ein, welche Rechtspflege, Gottesdienst und Orakel unter sich hatte. Der neue Odin erfand (oder brachte mit) die Buchstabenschrift, die Kunst des Gesanges, des geregelten Krieges, der Zauberei; seine Lehre setzte andere Götter ein, als diejenigen, welche bis daher das Land regierten. Es war erstlich Odin, der Gott der Götter, der nie sterbende, und Frigga, seine Gemahlin, welche mit ihm auf dem Throne Lidskialf sitzt, von welchem man in alle Lande sehen kann. Von ihnen Beiden stammt das ganze Göttergeschlecht, wesshalb er Alfadur (Vater Aller), auch Walfadur (Vater der in der Schlacht Gefallenen) heisst, welch letzterer Name ihm als dem in Walhalla Vorsitzenden zukommt. - Des Gottespaares Kinder sind: Thor, der Stärkste und Gewaltigste unter Göttern und Menschen, der Donnergott; Baldur, der schönste, reinste, jugendliche Gott; Braga, der Gott des Gesanges und der Beredtsamkeit; Tyr, der Gott des Krieges, der Führer der Schlachten, und Hödur, der blinde, starke Gott, das Sinnbild der vom Verstande nicht gezügelten Gewalt. Nach Andern ist Thor (wie oben angeführt) der Sohn Odin's und der warmen Erde; aber auch die winterliche harte Erde gebar ihm einen Sohn Wali, den Frühlingsgott, das Symbol des wachsenden Tages. - Von diesen Söhnen Odin's geht nun das ganze Göttergeschlecht aus, er ist also unmittelbar der Stammvater desselben. In Asgard, der festen Götterburg, ist der Aufenthalt aller Götter, einer mächtigen Burg, von welcher allein die Windhjalmsbrücke, Bifrost (der Regenbogen), herab zur Erde führt. Dort stand Baldur's Palast Glittner, welcher auf goldenen Säulen ruhte, und Odin's Palast Walaskialf, welcher ganz von Silber erbaut war. Dort war inmitten von Asgard, im Thale Ida, der Versammlungsplatz der Götter, wo sie zum Rath, zum Mahle niedersassen, dort war Gladsheim, der Saal der Freude, Wingolf, der Palast der Freundschaft und Liebe, und Glasor, der Hain mit goldenen Bäumen; ferner Walhalla, ein Palast von hoher Pracht, im schönsten Walde gelegen, voll immer blühender und Früchte tragender Bäume, wo die in der Schlacht gefallenen Helden wohnten. Wie Schlacht und Sieg, wie die Freuden des Mahles und der Liebe sie auf der Erde zumeist entzückt hatten, so war auch dort die Zeit in stets sich erneuernden Krieg und in Genuss aller andern Freuden getheilt. Sie lieferten Schlachten, schlugen sich schwere Wunden, allein sobald das Horn zur Tafel rief, waren die Wunden von selbst geheilt, sie schwelgten in dem köstlichen Meth, im Einheriar-Oel, im Trank der Unsterblichkeit, womit die Walküren ihnen die Becher füllten, und in den Armen der schönen Heldenmädchen ruheten sie von ihren Kämpfen aus und fanden bei den ewig jungfräulichen Wesen ewig neue unvergängliche Freuden. Odin versammelte diese Helden um sich, damit sie ihm dereinst bei dem Weltuntergang beistehen im Kampfe gegen das böse Princip, gegen die Götter der Unterwelt. Loke ist der Sohn des Riesen Farbaute und der Riesin Laufeia; er ist kein Gott, doch ein höheres Wesen, so arglistig und böse, als schön von Körper. Die Riesin Angerbode (Angstbotin - Botschaft des Unglücks) ward von ihm Mutter der Hel oder Hela, der Göttin der Unterwelt, des Wolfes Fenris, und der Schlange Jormungandur, gewöhnlich die Midgardschlange genannt. Hel ist halb blau, halb fleischfarben, von der scheusslichsten Gestalt. Ihre Wohnung liegt in Niflheim, Elidnir (Schmerz) heisst ihr Saal, Köer (Krankheit) ihr Bette, Hungur (Hunger oder Hungersnoth) ihr Tisch, Ganglati und Ganglöt (Säumniss und Langsamkeit) sind ihre Diener; zu ihr wanderten alle die Unglücklichen hinab, welche an einer Krankheit natürlichen Todes starben, während die durch Waffen Getödteten in Walhalla versammelt wurden. Fenris ist ein Ungeheuer, das, wenn es den Rachen aufsperrt, mit dem Oberkiefer den Himmel, mit dem untern den Abgrund der Unterwelt berührt. Die grosse Midgardsschlange umgibt die ganze Erde; sie ruht auf dem Boden des Meeres und erhebt nur dann und wann ihr Haupt, um ganze Fluthen zu verschlingen. - Diese vier dämonischen Gewalten sind als die bösen Principien den guten entgegengesetzt; sie werden den Untergang der Welt veranlassen, der in der nordischen Mythensprache die Götterdämmerung heisst; sechs fürchterliche Winter werden aufeinander folgen, als erstes Zeichen der Weltvernichtung. Von allen Seiten wird Schnee herabstürzen, die Kälte wird unerträglich, die Sterne werden verlöschen, die Sonne wird verborgen sein, ein wilder Krieg entzündet die ganze Erde. Nun machen die Bewohner von Muspelheim einen Angriff auf Asgard; sie stürmen die Himmelsbrücke, welche zwar unter ihnen zusammenstürzt, doch den gewaltigen Odin so wenig beschützen kann, als alle seine Helden, die, wie muthig sie mit ihm und für ihn fechten, doch fallen: der Wolf Fenris sperrt seinen Rachen auf und verschlingt das Weltall. - Aus der schrecklichen Zerstörung geht eine neue Sonne, eine neue Erde hervor. Mode und Magne (Geist und Kraft) erhalten Thor's gewaltige Waffe, den zermalmenden Hammer; Widar, der Sieger, reisst dem Wolfe den Rachen entzwei, die Flammen aus Muspelheim verlöschen; eine neue Sonne leuchtet der wiedergeborenen Erde; ein einziges gerettetes Menschenpaar, Lift und Liftrasor, von Morgenthau genährt, erneuert das Menschengeschlecht, neue Gottheiten bewohnen den Himmel, und Glück und Freude sind nun unvergänglich.


Nordri (Nord. M.), einer der vier starken Zwerge, welche das Himmelsgewölbe tragen.


Norna Gest (Nord. M.), Sohn eines dänischen Fürsten Thort Bengbit, dem, als er noch ein Kind war, drei Zaubernornen eine glückliche Zukunft prophezeiten und ihn mit Segnungen überhäuften; nur die jüngste derselben, theils dadurch beleidigt, dass die anderen ihr alle Wünsche hinweggenommen, theils entrüstet über eine Menge Menschen, welche sich herzudrängten und sie von ihrem Sitze schoben, fügte zu jenen Segnungen den Fluch, dass er nur so lange leben sollte, als die so eben für ihn angezündete Kerze noch nicht verzehrt sei. Eine andere Norne löschte die Schicksalskerze sogleich aus und gab sie der Mutter des Knaben, dem diese sie, mit der Erzählung der Begebenheit, überreichte, als er zu einem rüstigen Helden erwachsen war. Sorgfältig bewahrt, begleitete sie ihn von Ort zu Ort, von Land zu Land. Die grössten Heldenthaten vollbrachte der kühne Jüngling, der erfahrne Mann, der kräftige Greis; die glänzendsten Höfe sahen ihn bewundernd während dreier Jahrhunderte, bis Olaf Trygvason ihn zur Annahme des Christenthums bewog. 300 Jahre alt, zündete er nun auf Olaf's Befehl, nachdem er die Taufe erhalten hatte, die Kerze an, doch war die Macht des Zaubers nicht gebrochen: er starb, sobald die Kerze verbrannt war.


Nornen (Nord. M.), Schicksalsgöttinnen: drei weise Jungfrauen von nie alternder Schönheit und nie wechselndem Ernst, Urd, Naranda und Skuld geheissen. Sie wohnen in einem Palast unter der Esche Ygdrasil, dem Lebensbaum, dessen Dauer sie dadurch erhalten, dass sie seine Wurzeln täglich mit dem Wasser aus den Udarquellen benetzen, damit er nicht verdorre, und mit dem in der Nähe liegenden weissen Lehm bestreuen, damit sie nicht faulen. Nach ewigen Gesetzen weben sie den Lauf der Dinge, die Schicksale der Könige, die Thaten der Helden, und wurden daher von den Bewohnern des Nordens hoch verehrt.


Norr (Nord. M.), Sohn des finnischen Riesengottes Thorri. Er hatte eine schöne Schwester, welche geraubt wurde; da sandte sein Vater ihn und einen Bruder Gorr aus, um die Verlorne zu suchen, welche sie denn auch, doch schon vermählt mit Hrolf vom Berge, fanden. N. hatte einen Sohn Raumus.


Nortia (Alt-ital. M.), eine Göttin der Etrusker, eine Schicksalsgottheit, welche die Zeitperioden herbeiführte.


Norve (Nord. M.), ein Jote oder Riese, Vater der Not und durch sie Grossvater des Dagur.


goldenen Pokalen zu trinken; seine Strahlen vermählen sich mit den Dünsten der Erde und erzeugen den Gott des Donners. Nun aber fangen arge Verwirrungen an, weil die Sage eine Verwechselung zwischen dem ersten und dem zweiten Odin eintreten lässt. Alte Bücher, Chroniken und Sagen melden, dass etwa im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung vom Caucasus her ein Volk, welches sich Asen (Asiaten) nannte, gezogen sei; der Führer desselben hiess Sigge, und als er durch Russland zog, gab er diesem Lande einen seiner Söhne zum Herrscher; dasselbe geschah auf der Fortsetzung seiner Wanderung bei den Cimbriern, Sachsen, Dänen und Franken; von Dänemark, dem er Skioll, seinen fünften Sohn, gab, ging er nach Schweden, wo der König Gylf regierte, der, um nicht Krone und Leben zu verlieren, dem Fremdlinge und dessen Lehre huldigte; er begründete eine neue Gesetzgebung und einen neuen Gottesdienst, nahm den Namen Odin an, und setzte eine Priesterkaste ein, welche Rechtspflege, Gottesdienst und Orakel unter sich hatte. Der neue Odin erfand (oder brachte mit) die Buchstabenschrift, die Kunst des Gesanges, des geregelten Krieges, der Zauberei; seine Lehre setzte andere Götter ein, als diejenigen, welche bis daher das Land regierten. Es war erstlich Odin, der Gott der Götter, der nie sterbende, und Frigga, seine Gemahlin, welche mit ihm auf dem Throne Lidskialf sitzt, von welchem man in alle Lande sehen kann. Von ihnen Beiden stammt das ganze Göttergeschlecht, wesshalb er Alfadur (Vater Aller), auch Walfadur (Vater der in der Schlacht Gefallenen) heisst, welch letzterer Name ihm als dem in Walhalla Vorsitzenden zukommt. – Des Gottespaares Kinder sind: Thor, der Stärkste und Gewaltigste unter Göttern und Menschen, der Donnergott; Baldur, der schönste, reinste, jugendliche Gott; Braga, der Gott des Gesanges und der Beredtsamkeit; Tyr, der Gott des Krieges, der Führer der Schlachten, und Hödur, der blinde, starke Gott, das Sinnbild der vom Verstande nicht gezügelten Gewalt. Nach Andern ist Thor (wie oben angeführt) der Sohn Odin's und der warmen Erde; aber auch die winterliche harte Erde gebar ihm einen Sohn Wali, den Frühlingsgott, das Symbol des wachsenden Tages. – Von diesen Söhnen Odin's geht nun das ganze Göttergeschlecht aus, er ist also unmittelbar der Stammvater desselben. In Asgard, der festen Götterburg, ist der Aufenthalt aller Götter, einer mächtigen Burg, von welcher allein die Windhjalmsbrücke, Bifrost (der Regenbogen), herab zur Erde führt. Dort stand Baldur's Palast Glittner, welcher auf goldenen Säulen ruhte, und Odin's Palast Walaskialf, welcher ganz von Silber erbaut war. Dort war inmitten von Asgard, im Thale Ida, der Versammlungsplatz der Götter, wo sie zum Rath, zum Mahle niedersassen, dort war Gladsheim, der Saal der Freude, Wingolf, der Palast der Freundschaft und Liebe, und Glasor, der Hain mit goldenen Bäumen; ferner Walhalla, ein Palast von hoher Pracht, im schönsten Walde gelegen, voll immer blühender und Früchte tragender Bäume, wo die in der Schlacht gefallenen Helden wohnten. Wie Schlacht und Sieg, wie die Freuden des Mahles und der Liebe sie auf der Erde zumeist entzückt hatten, so war auch dort die Zeit in stets sich erneuernden Krieg und in Genuss aller andern Freuden getheilt. Sie lieferten Schlachten, schlugen sich schwere Wunden, allein sobald das Horn zur Tafel rief, waren die Wunden von selbst geheilt, sie schwelgten in dem köstlichen Meth, im Einheriar-Oel, im Trank der Unsterblichkeit, womit die Walküren ihnen die Becher füllten, und in den Armen der schönen Heldenmädchen ruheten sie von ihren Kämpfen aus und fanden bei den ewig jungfräulichen Wesen ewig neue unvergängliche Freuden. Odin versammelte diese Helden um sich, damit sie ihm dereinst bei dem Weltuntergang beistehen im Kampfe gegen das böse Princip, gegen die Götter der Unterwelt. Loke ist der Sohn des Riesen Farbaute und der Riesin Laufeia; er ist kein Gott, doch ein höheres Wesen, so arglistig und böse, als schön von Körper. Die Riesin Angerbode (Angstbotin – Botschaft des Unglücks) ward von ihm Mutter der Hel oder Hela, der Göttin der Unterwelt, des Wolfes Fenris, und der Schlange Jormungandur, gewöhnlich die Midgardschlange genannt. Hel ist halb blau, halb fleischfarben, von der scheusslichsten Gestalt. Ihre Wohnung liegt in Niflheim, Elidnir (Schmerz) heisst ihr Saal, Köer (Krankheit) ihr Bette, Hungur (Hunger oder Hungersnoth) ihr Tisch, Ganglati und Ganglöt (Säumniss und Langsamkeit) sind ihre Diener; zu ihr wanderten alle die Unglücklichen hinab, welche an einer Krankheit natürlichen Todes starben, während die durch Waffen Getödteten in Walhalla versammelt wurden. Fenris ist ein Ungeheuer, das, wenn es den Rachen aufsperrt, mit dem Oberkiefer den Himmel, mit dem untern den Abgrund der Unterwelt berührt. Die grosse Midgardsschlange umgibt die ganze Erde; sie ruht auf dem Boden des Meeres und erhebt nur dann und wann ihr Haupt, um ganze Fluthen zu verschlingen. – Diese vier dämonischen Gewalten sind als die bösen Principien den guten entgegengesetzt; sie werden den Untergang der Welt veranlassen, der in der nordischen Mythensprache die Götterdämmerung heisst; sechs fürchterliche Winter werden aufeinander folgen, als erstes Zeichen der Weltvernichtung. Von allen Seiten wird Schnee herabstürzen, die Kälte wird unerträglich, die Sterne werden verlöschen, die Sonne wird verborgen sein, ein wilder Krieg entzündet die ganze Erde. Nun machen die Bewohner von Muspelheim einen Angriff auf Asgard; sie stürmen die Himmelsbrücke, welche zwar unter ihnen zusammenstürzt, doch den gewaltigen Odin so wenig beschützen kann, als alle seine Helden, die, wie muthig sie mit ihm und für ihn fechten, doch fallen: der Wolf Fenris sperrt seinen Rachen auf und verschlingt das Weltall. – Aus der schrecklichen Zerstörung geht eine neue Sonne, eine neue Erde hervor. Mode und Magne (Geist und Kraft) erhalten Thor's gewaltige Waffe, den zermalmenden Hammer; Widar, der Sieger, reisst dem Wolfe den Rachen entzwei, die Flammen aus Muspelheim verlöschen; eine neue Sonne leuchtet der wiedergeborenen Erde; ein einziges gerettetes Menschenpaar, Lift und Liftrasor, von Morgenthau genährt, erneuert das Menschengeschlecht, neue Gottheiten bewohnen den Himmel, und Glück und Freude sind nun unvergänglich.


Nordri (Nord. M.), einer der vier starken Zwerge, welche das Himmelsgewölbe tragen.


Norna Gest (Nord. M.), Sohn eines dänischen Fürsten Thort Bengbit, dem, als er noch ein Kind war, drei Zaubernornen eine glückliche Zukunft prophezeiten und ihn mit Segnungen überhäuften; nur die jüngste derselben, theils dadurch beleidigt, dass die anderen ihr alle Wünsche hinweggenommen, theils entrüstet über eine Menge Menschen, welche sich herzudrängten und sie von ihrem Sitze schoben, fügte zu jenen Segnungen den Fluch, dass er nur so lange leben sollte, als die so eben für ihn angezündete Kerze noch nicht verzehrt sei. Eine andere Norne löschte die Schicksalskerze sogleich aus und gab sie der Mutter des Knaben, dem diese sie, mit der Erzählung der Begebenheit, überreichte, als er zu einem rüstigen Helden erwachsen war. Sorgfältig bewahrt, begleitete sie ihn von Ort zu Ort, von Land zu Land. Die grössten Heldenthaten vollbrachte der kühne Jüngling, der erfahrne Mann, der kräftige Greis; die glänzendsten Höfe sahen ihn bewundernd während dreier Jahrhunderte, bis Olaf Trygvason ihn zur Annahme des Christenthums bewog. 300 Jahre alt, zündete er nun auf Olaf's Befehl, nachdem er die Taufe erhalten hatte, die Kerze an, doch war die Macht des Zaubers nicht gebrochen: er starb, sobald die Kerze verbrannt war.


Nornen (Nord. M.), Schicksalsgöttinnen: drei weise Jungfrauen von nie alternder Schönheit und nie wechselndem Ernst, Urd, Naranda und Skuld geheissen. Sie wohnen in einem Palast unter der Esche Ygdrasil, dem Lebensbaum, dessen Dauer sie dadurch erhalten, dass sie seine Wurzeln täglich mit dem Wasser aus den Udarquellen benetzen, damit er nicht verdorre, und mit dem in der Nähe liegenden weissen Lehm bestreuen, damit sie nicht faulen. Nach ewigen Gesetzen weben sie den Lauf der Dinge, die Schicksale der Könige, die Thaten der Helden, und wurden daher von den Bewohnern des Nordens hoch verehrt.


Norr (Nord. M.), Sohn des finnischen Riesengottes Thorri. Er hatte eine schöne Schwester, welche geraubt wurde; da sandte sein Vater ihn und einen Bruder Gorr aus, um die Verlorne zu suchen, welche sie denn auch, doch schon vermählt mit Hrolf vom Berge, fanden. N. hatte einen Sohn Raumus.


Nortia (Alt-ital. M.), eine Göttin der Etrusker, eine Schicksalsgottheit, welche die Zeitperioden herbeiführte.


Norve (Nord. M.), ein Jote oder Riese, Vater der Not und durch sie Grossvater des Dagur.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0425" n="355"/>
goldenen Pokalen zu trinken; seine Strahlen vermählen sich mit den Dünsten der Erde und erzeugen den Gott des Donners. Nun aber fangen arge Verwirrungen an, weil die Sage eine Verwechselung zwischen dem ersten und dem zweiten Odin eintreten lässt. Alte Bücher, Chroniken und Sagen melden, dass etwa im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung vom Caucasus her ein Volk, welches sich Asen (Asiaten) nannte, gezogen sei; der Führer desselben hiess Sigge, und als er durch Russland zog, gab er diesem Lande einen seiner Söhne zum Herrscher; dasselbe geschah auf der Fortsetzung seiner Wanderung bei den Cimbriern, Sachsen, Dänen und Franken; von Dänemark, dem er Skioll, seinen fünften Sohn, gab, ging er nach Schweden, wo der König Gylf regierte, der, um nicht Krone und Leben zu verlieren, dem Fremdlinge und dessen Lehre huldigte; er begründete eine neue Gesetzgebung und einen neuen Gottesdienst, nahm den Namen <hi rendition="#g">Odin</hi> an, und setzte eine Priesterkaste ein, welche Rechtspflege, Gottesdienst und Orakel unter sich hatte. Der neue Odin erfand (oder brachte mit) die Buchstabenschrift, die Kunst des Gesanges, des geregelten Krieges, der Zauberei; seine Lehre setzte andere Götter ein, als diejenigen, welche bis daher das Land regierten. Es war erstlich Odin, der Gott der Götter, der nie sterbende, und Frigga, seine Gemahlin, welche mit ihm auf dem Throne Lidskialf sitzt, von welchem man in alle Lande sehen kann. Von ihnen Beiden stammt das ganze Göttergeschlecht, wesshalb er Alfadur (Vater Aller), auch Walfadur (Vater der in der Schlacht Gefallenen) heisst, welch letzterer Name ihm als dem in Walhalla Vorsitzenden zukommt. &#x2013; Des Gottespaares Kinder sind: Thor, der Stärkste und Gewaltigste unter Göttern und Menschen, der Donnergott; Baldur, der schönste, reinste, jugendliche Gott; Braga, der Gott des Gesanges und der Beredtsamkeit; Tyr, der Gott des Krieges, der Führer der Schlachten, und Hödur, der blinde, starke Gott, das Sinnbild der vom Verstande nicht gezügelten Gewalt. Nach Andern ist Thor (wie oben angeführt) der Sohn Odin's und der warmen Erde; aber auch die winterliche harte Erde gebar ihm einen Sohn Wali, den Frühlingsgott, das Symbol des wachsenden Tages. &#x2013; Von diesen Söhnen Odin's geht nun das ganze Göttergeschlecht aus, er ist also unmittelbar der Stammvater desselben. In Asgard, der festen Götterburg, ist der Aufenthalt aller Götter, einer mächtigen Burg, von welcher allein die Windhjalmsbrücke, Bifrost (der Regenbogen), herab zur Erde führt. Dort stand Baldur's Palast Glittner, welcher auf goldenen Säulen ruhte, und Odin's Palast Walaskialf, welcher ganz von Silber erbaut war. Dort war inmitten von Asgard, im Thale Ida, der Versammlungsplatz der Götter, wo sie zum Rath, zum Mahle niedersassen, dort war Gladsheim, der Saal der Freude, Wingolf, der Palast der Freundschaft und Liebe, und Glasor, der Hain mit goldenen Bäumen; ferner Walhalla, ein Palast von hoher Pracht, im schönsten Walde gelegen, voll immer blühender und Früchte tragender Bäume, wo die in der Schlacht gefallenen Helden wohnten. Wie Schlacht und Sieg, wie die Freuden des Mahles und der Liebe sie auf der Erde zumeist entzückt hatten, so war auch dort die Zeit in stets sich erneuernden Krieg und in Genuss aller andern Freuden getheilt. Sie lieferten Schlachten, schlugen sich schwere Wunden, allein sobald das Horn zur Tafel rief, waren die Wunden von selbst geheilt, sie schwelgten in dem köstlichen Meth, im Einheriar-Oel, im Trank der Unsterblichkeit, womit die Walküren ihnen die Becher füllten, und in den Armen der schönen Heldenmädchen ruheten sie von ihren Kämpfen aus und fanden bei den ewig jungfräulichen Wesen ewig neue unvergängliche Freuden. Odin versammelte diese Helden um sich, damit sie ihm dereinst bei dem Weltuntergang beistehen im Kampfe gegen das böse Princip, gegen die Götter der Unterwelt. Loke ist der Sohn des Riesen Farbaute und der Riesin Laufeia; er ist kein Gott, doch ein höheres Wesen, so arglistig und böse, als schön von Körper. Die Riesin Angerbode (Angstbotin &#x2013; Botschaft des Unglücks) ward von ihm Mutter der Hel oder Hela, der Göttin der Unterwelt, des Wolfes Fenris, und der Schlange Jormungandur, gewöhnlich die Midgardschlange genannt. Hel ist halb blau, halb fleischfarben, von der scheusslichsten Gestalt. Ihre Wohnung liegt in Niflheim, Elidnir (Schmerz) heisst ihr Saal, Köer (Krankheit) ihr Bette, Hungur (Hunger oder Hungersnoth) ihr Tisch, Ganglati und Ganglöt (Säumniss und Langsamkeit) sind ihre Diener; zu ihr wanderten alle die Unglücklichen hinab, welche an einer Krankheit natürlichen Todes starben, während die durch Waffen Getödteten in Walhalla versammelt wurden. Fenris ist ein Ungeheuer, das, wenn es den Rachen aufsperrt, mit dem Oberkiefer den Himmel, mit dem untern den Abgrund der Unterwelt berührt. Die grosse Midgardsschlange umgibt die ganze Erde; sie ruht auf dem Boden des Meeres und erhebt nur dann und wann ihr Haupt, um ganze Fluthen zu verschlingen. &#x2013; Diese vier dämonischen Gewalten sind als die bösen Principien den guten entgegengesetzt; sie werden den Untergang der Welt veranlassen, der in der nordischen Mythensprache die Götterdämmerung heisst; sechs fürchterliche Winter werden aufeinander folgen, als erstes Zeichen der Weltvernichtung. Von allen Seiten wird Schnee herabstürzen, die Kälte wird unerträglich, die Sterne werden verlöschen, die Sonne wird verborgen sein, ein wilder Krieg entzündet die ganze Erde. Nun machen die Bewohner von Muspelheim einen Angriff auf Asgard; sie stürmen die Himmelsbrücke, welche zwar unter ihnen zusammenstürzt, doch den gewaltigen Odin so wenig beschützen kann, als alle seine Helden, die, wie muthig sie mit ihm und für ihn fechten, doch fallen: der Wolf Fenris sperrt seinen Rachen auf und verschlingt das Weltall. &#x2013; Aus der schrecklichen Zerstörung geht eine neue Sonne, eine neue Erde hervor. Mode und Magne (Geist und Kraft) erhalten Thor's gewaltige Waffe, den zermalmenden Hammer; Widar, der Sieger, reisst dem Wolfe den Rachen entzwei, die Flammen aus Muspelheim verlöschen; eine neue Sonne leuchtet der wiedergeborenen Erde; ein einziges gerettetes Menschenpaar, Lift und Liftrasor, von Morgenthau genährt, erneuert das Menschengeschlecht, neue Gottheiten bewohnen den Himmel, und Glück und Freude sind nun unvergänglich.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Nordri</hi> (Nord. M.), einer der vier starken Zwerge, welche das Himmelsgewölbe tragen.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Norna Gest</hi> (Nord. M.), Sohn eines dänischen Fürsten Thort Bengbit, dem, als er noch ein Kind war, drei Zaubernornen eine glückliche Zukunft prophezeiten und ihn mit Segnungen überhäuften; nur die jüngste derselben, theils dadurch beleidigt, dass die anderen ihr alle Wünsche hinweggenommen, theils entrüstet über eine Menge Menschen, welche sich herzudrängten und sie von ihrem Sitze schoben, fügte zu jenen Segnungen den Fluch, dass er nur so lange leben sollte, als die so eben für ihn angezündete Kerze noch nicht verzehrt sei. Eine andere Norne löschte die Schicksalskerze sogleich aus und gab sie der Mutter des Knaben, dem diese sie, mit der Erzählung der Begebenheit, überreichte, als er zu einem rüstigen Helden erwachsen war. Sorgfältig bewahrt, begleitete sie ihn von Ort zu Ort, von Land zu Land. Die grössten Heldenthaten vollbrachte der kühne Jüngling, der erfahrne Mann, der kräftige Greis; die glänzendsten Höfe sahen ihn bewundernd während dreier Jahrhunderte, bis Olaf Trygvason ihn zur Annahme des Christenthums bewog. 300 Jahre alt, zündete er nun auf Olaf's Befehl, nachdem er die Taufe erhalten hatte, die Kerze an, doch war die Macht des Zaubers nicht gebrochen: er starb, sobald die Kerze verbrannt war.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Nornen</hi> (Nord. M.), Schicksalsgöttinnen: drei weise Jungfrauen von nie alternder Schönheit und nie wechselndem Ernst, Urd, Naranda und Skuld geheissen. Sie wohnen in einem Palast unter der Esche Ygdrasil, dem Lebensbaum, dessen Dauer sie dadurch erhalten, dass sie seine Wurzeln täglich mit dem Wasser aus den Udarquellen benetzen, damit er nicht verdorre, und mit dem in der Nähe liegenden weissen Lehm bestreuen, damit sie nicht faulen. Nach ewigen Gesetzen weben sie den Lauf der Dinge, die Schicksale der Könige, die Thaten der Helden, und wurden daher von den Bewohnern des Nordens hoch verehrt.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Norr</hi> (Nord. M.), Sohn des finnischen Riesengottes Thorri. Er hatte eine schöne Schwester, welche geraubt wurde; da sandte sein Vater ihn und einen Bruder Gorr aus, um die Verlorne zu suchen, welche sie denn auch, doch schon vermählt mit Hrolf vom Berge, fanden. N. hatte einen Sohn Raumus.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Nortia</hi> (Alt-ital. M.), eine Göttin der Etrusker, eine Schicksalsgottheit, welche die Zeitperioden herbeiführte.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Norve</hi> (Nord. M.), ein Jote oder Riese, Vater der Not und durch sie Grossvater des Dagur.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[355/0425] goldenen Pokalen zu trinken; seine Strahlen vermählen sich mit den Dünsten der Erde und erzeugen den Gott des Donners. Nun aber fangen arge Verwirrungen an, weil die Sage eine Verwechselung zwischen dem ersten und dem zweiten Odin eintreten lässt. Alte Bücher, Chroniken und Sagen melden, dass etwa im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung vom Caucasus her ein Volk, welches sich Asen (Asiaten) nannte, gezogen sei; der Führer desselben hiess Sigge, und als er durch Russland zog, gab er diesem Lande einen seiner Söhne zum Herrscher; dasselbe geschah auf der Fortsetzung seiner Wanderung bei den Cimbriern, Sachsen, Dänen und Franken; von Dänemark, dem er Skioll, seinen fünften Sohn, gab, ging er nach Schweden, wo der König Gylf regierte, der, um nicht Krone und Leben zu verlieren, dem Fremdlinge und dessen Lehre huldigte; er begründete eine neue Gesetzgebung und einen neuen Gottesdienst, nahm den Namen Odin an, und setzte eine Priesterkaste ein, welche Rechtspflege, Gottesdienst und Orakel unter sich hatte. Der neue Odin erfand (oder brachte mit) die Buchstabenschrift, die Kunst des Gesanges, des geregelten Krieges, der Zauberei; seine Lehre setzte andere Götter ein, als diejenigen, welche bis daher das Land regierten. Es war erstlich Odin, der Gott der Götter, der nie sterbende, und Frigga, seine Gemahlin, welche mit ihm auf dem Throne Lidskialf sitzt, von welchem man in alle Lande sehen kann. Von ihnen Beiden stammt das ganze Göttergeschlecht, wesshalb er Alfadur (Vater Aller), auch Walfadur (Vater der in der Schlacht Gefallenen) heisst, welch letzterer Name ihm als dem in Walhalla Vorsitzenden zukommt. – Des Gottespaares Kinder sind: Thor, der Stärkste und Gewaltigste unter Göttern und Menschen, der Donnergott; Baldur, der schönste, reinste, jugendliche Gott; Braga, der Gott des Gesanges und der Beredtsamkeit; Tyr, der Gott des Krieges, der Führer der Schlachten, und Hödur, der blinde, starke Gott, das Sinnbild der vom Verstande nicht gezügelten Gewalt. Nach Andern ist Thor (wie oben angeführt) der Sohn Odin's und der warmen Erde; aber auch die winterliche harte Erde gebar ihm einen Sohn Wali, den Frühlingsgott, das Symbol des wachsenden Tages. – Von diesen Söhnen Odin's geht nun das ganze Göttergeschlecht aus, er ist also unmittelbar der Stammvater desselben. In Asgard, der festen Götterburg, ist der Aufenthalt aller Götter, einer mächtigen Burg, von welcher allein die Windhjalmsbrücke, Bifrost (der Regenbogen), herab zur Erde führt. Dort stand Baldur's Palast Glittner, welcher auf goldenen Säulen ruhte, und Odin's Palast Walaskialf, welcher ganz von Silber erbaut war. Dort war inmitten von Asgard, im Thale Ida, der Versammlungsplatz der Götter, wo sie zum Rath, zum Mahle niedersassen, dort war Gladsheim, der Saal der Freude, Wingolf, der Palast der Freundschaft und Liebe, und Glasor, der Hain mit goldenen Bäumen; ferner Walhalla, ein Palast von hoher Pracht, im schönsten Walde gelegen, voll immer blühender und Früchte tragender Bäume, wo die in der Schlacht gefallenen Helden wohnten. Wie Schlacht und Sieg, wie die Freuden des Mahles und der Liebe sie auf der Erde zumeist entzückt hatten, so war auch dort die Zeit in stets sich erneuernden Krieg und in Genuss aller andern Freuden getheilt. Sie lieferten Schlachten, schlugen sich schwere Wunden, allein sobald das Horn zur Tafel rief, waren die Wunden von selbst geheilt, sie schwelgten in dem köstlichen Meth, im Einheriar-Oel, im Trank der Unsterblichkeit, womit die Walküren ihnen die Becher füllten, und in den Armen der schönen Heldenmädchen ruheten sie von ihren Kämpfen aus und fanden bei den ewig jungfräulichen Wesen ewig neue unvergängliche Freuden. Odin versammelte diese Helden um sich, damit sie ihm dereinst bei dem Weltuntergang beistehen im Kampfe gegen das böse Princip, gegen die Götter der Unterwelt. Loke ist der Sohn des Riesen Farbaute und der Riesin Laufeia; er ist kein Gott, doch ein höheres Wesen, so arglistig und böse, als schön von Körper. Die Riesin Angerbode (Angstbotin – Botschaft des Unglücks) ward von ihm Mutter der Hel oder Hela, der Göttin der Unterwelt, des Wolfes Fenris, und der Schlange Jormungandur, gewöhnlich die Midgardschlange genannt. Hel ist halb blau, halb fleischfarben, von der scheusslichsten Gestalt. Ihre Wohnung liegt in Niflheim, Elidnir (Schmerz) heisst ihr Saal, Köer (Krankheit) ihr Bette, Hungur (Hunger oder Hungersnoth) ihr Tisch, Ganglati und Ganglöt (Säumniss und Langsamkeit) sind ihre Diener; zu ihr wanderten alle die Unglücklichen hinab, welche an einer Krankheit natürlichen Todes starben, während die durch Waffen Getödteten in Walhalla versammelt wurden. Fenris ist ein Ungeheuer, das, wenn es den Rachen aufsperrt, mit dem Oberkiefer den Himmel, mit dem untern den Abgrund der Unterwelt berührt. Die grosse Midgardsschlange umgibt die ganze Erde; sie ruht auf dem Boden des Meeres und erhebt nur dann und wann ihr Haupt, um ganze Fluthen zu verschlingen. – Diese vier dämonischen Gewalten sind als die bösen Principien den guten entgegengesetzt; sie werden den Untergang der Welt veranlassen, der in der nordischen Mythensprache die Götterdämmerung heisst; sechs fürchterliche Winter werden aufeinander folgen, als erstes Zeichen der Weltvernichtung. Von allen Seiten wird Schnee herabstürzen, die Kälte wird unerträglich, die Sterne werden verlöschen, die Sonne wird verborgen sein, ein wilder Krieg entzündet die ganze Erde. Nun machen die Bewohner von Muspelheim einen Angriff auf Asgard; sie stürmen die Himmelsbrücke, welche zwar unter ihnen zusammenstürzt, doch den gewaltigen Odin so wenig beschützen kann, als alle seine Helden, die, wie muthig sie mit ihm und für ihn fechten, doch fallen: der Wolf Fenris sperrt seinen Rachen auf und verschlingt das Weltall. – Aus der schrecklichen Zerstörung geht eine neue Sonne, eine neue Erde hervor. Mode und Magne (Geist und Kraft) erhalten Thor's gewaltige Waffe, den zermalmenden Hammer; Widar, der Sieger, reisst dem Wolfe den Rachen entzwei, die Flammen aus Muspelheim verlöschen; eine neue Sonne leuchtet der wiedergeborenen Erde; ein einziges gerettetes Menschenpaar, Lift und Liftrasor, von Morgenthau genährt, erneuert das Menschengeschlecht, neue Gottheiten bewohnen den Himmel, und Glück und Freude sind nun unvergänglich. Nordri (Nord. M.), einer der vier starken Zwerge, welche das Himmelsgewölbe tragen. Norna Gest (Nord. M.), Sohn eines dänischen Fürsten Thort Bengbit, dem, als er noch ein Kind war, drei Zaubernornen eine glückliche Zukunft prophezeiten und ihn mit Segnungen überhäuften; nur die jüngste derselben, theils dadurch beleidigt, dass die anderen ihr alle Wünsche hinweggenommen, theils entrüstet über eine Menge Menschen, welche sich herzudrängten und sie von ihrem Sitze schoben, fügte zu jenen Segnungen den Fluch, dass er nur so lange leben sollte, als die so eben für ihn angezündete Kerze noch nicht verzehrt sei. Eine andere Norne löschte die Schicksalskerze sogleich aus und gab sie der Mutter des Knaben, dem diese sie, mit der Erzählung der Begebenheit, überreichte, als er zu einem rüstigen Helden erwachsen war. Sorgfältig bewahrt, begleitete sie ihn von Ort zu Ort, von Land zu Land. Die grössten Heldenthaten vollbrachte der kühne Jüngling, der erfahrne Mann, der kräftige Greis; die glänzendsten Höfe sahen ihn bewundernd während dreier Jahrhunderte, bis Olaf Trygvason ihn zur Annahme des Christenthums bewog. 300 Jahre alt, zündete er nun auf Olaf's Befehl, nachdem er die Taufe erhalten hatte, die Kerze an, doch war die Macht des Zaubers nicht gebrochen: er starb, sobald die Kerze verbrannt war. Nornen (Nord. M.), Schicksalsgöttinnen: drei weise Jungfrauen von nie alternder Schönheit und nie wechselndem Ernst, Urd, Naranda und Skuld geheissen. Sie wohnen in einem Palast unter der Esche Ygdrasil, dem Lebensbaum, dessen Dauer sie dadurch erhalten, dass sie seine Wurzeln täglich mit dem Wasser aus den Udarquellen benetzen, damit er nicht verdorre, und mit dem in der Nähe liegenden weissen Lehm bestreuen, damit sie nicht faulen. Nach ewigen Gesetzen weben sie den Lauf der Dinge, die Schicksale der Könige, die Thaten der Helden, und wurden daher von den Bewohnern des Nordens hoch verehrt. Norr (Nord. M.), Sohn des finnischen Riesengottes Thorri. Er hatte eine schöne Schwester, welche geraubt wurde; da sandte sein Vater ihn und einen Bruder Gorr aus, um die Verlorne zu suchen, welche sie denn auch, doch schon vermählt mit Hrolf vom Berge, fanden. N. hatte einen Sohn Raumus. Nortia (Alt-ital. M.), eine Göttin der Etrusker, eine Schicksalsgottheit, welche die Zeitperioden herbeiführte. Norve (Nord. M.), ein Jote oder Riese, Vater der Not und durch sie Grossvater des Dagur.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-09-11T12:20:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Nolda: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-09-11T12:20:05Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; Hervorhebungen I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/425
Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/425>, abgerufen am 03.12.2024.