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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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jeder Geist dazu verschiedene Stufen zu durchlaufen, er wird zuerst in den Leib einer niedern Thierklasse, dann in den einer höhern, endlich in einen menschlichen eingeschlossen, und schreitet so immer vorwärts; so oft sein Leib stirbt, kommt er in einen höhern, vorausgesetzt, dass er sich der Erhöhung würdig gemacht hat. Diess ist die bekannte Lehre von der Seelenwanderung, welche den Indiern verbietet, Thiere umzubringen, weil sie in den Seelen verwandte Wesen achten, die noch Menschen werden können. - Die ganze gegenwärtig bestehende Welt ist aber der Vernichtung bestimmt. Brama schafft jedesmal aus einem Urstoff eine Welt auf bestimmte Zeit, nach deren Ablauf sie zu Grunde gehen muss, um durch eine neue ersetzt zu werden. Zuletzt aber wird er die materielle Welt für immer zerstören, und ein geistiges Reich von reinen Seelen dafür einführen. So lang noch eine Welt besteht, sieht Brama ruhig zu, wie sich Alles aus den einmal in sie gelegten Kräften von selbst entfaltet, er ist so lange im Zustand des Schlafens. Dann aber ist er wieder der Wachende, um die geschaffene Welt zu zerstören und eine neue zu schaffen. - Am Ende dieser ersten Periode scheint eine politische Trennung und Verfeindung der verschiedenen indischen Völker stattgefunden zu haben, und diess muss der Grund gewesen sein, dass sich in den getrennten Theilen verschiedene, einander feindselige Glaubenslehren und Culte bildeten. Die Lehre vom Brama war überhaupt dem gemeinen Volk zu hoch und zu speculativ, und so fing der eine Theil an, den Wischnu, der andere, den Schiwa als seinen höchsten Gott anzubeten. - Nach dem J. 900 v. Chr. vereinigten sich alsdann die getrennten Theile wieder zu Einem Reich, und die Braminen fanden es in ihrem Interesse, die inzwischen gebildeten Culte dadurch mit einander zu versöhnen, dass sie lehrten, Brama, Wischnu und Schiwa seien eigentlich Eins, und bilden eine Art Dreieinigkeit. Diess ist der hauptsächlichste Glaubenspunkt in der zweiten Periode gewesen, welche bis zur Einführung des Buddhaismus 250 v. Chr. zu rechnen ist. - Die Hauptlehren über jene drei in sich geeinten Hauptgötter der Indier sind folgende: 1) Brama ist Urvater des Weltalls, Prayapatis, Herr der Schöpfung, Lokakarta, Weltenbildner u. s. w. Als seine Gemahlin gilt Sarasvati, die aus dem Wasser Geborne; ihr, wie ihm, ist der Flamingo heilig. - 2) Wischnu ist bei seinen Verehrern der höchste Gott, ja selbst Brama ist nach ihrer Lehre erst aus Wischnu hervorgegangen. Wischnu wird als die milde und wohlwollende Gottheit angebetet, welche die Welt erhält, und aus Liebe zu den Menschen in zehn verschiedenen Zeitabschnitten Menschengestalt angenommen und das menschliche Leben mitgemacht hat. Man nennt diess die Incarnationen Wischnu's (indisch: Avataram = Herabsteigung). Die wichtigste ist die achte, in welcher er als Krischna mit göttlicher Macht erschien; er wurde als Hirte erzogen, versenkte sich in viele Liebesspiele, offenbarte sich aber endlich als göttlicher Held durch Ueberwindung des bösen und ungerechten Königs Kansa, dessen Tyrannei Menschen und Götter nicht mehr ertragen konnten, so dass Brama und Schiwa selbst ihn zur Hülfe aufriefen. - 3) Schiwa, eigentlich "der Wachsende", ist auch eine göttliche Macht, aber mehr nach ihrer verneinenden und zerstörenden Kraft. Er heisst Mahadeva, der grosse Gott, Paramesuara, der höchste Herr. Sein Hauptsinnbild ist der Lingam (s. d.), welchem hohe Verehrung gezollt wird. - Die verschiedenen Bedeutungen, die sich allmälig an diese drei Gottheiten anknüpften und sie einander entgegenstellten, zeigt folgendes Schema:

Brama ist Sonne - Schöpfer - Macht - Vergangenheit - Materie.
Wischnu ist Wasser - Erhalter - Weisheit - Gegenwart - Raum.
Schiwa ist Feuer - Zerstörer - Gerechtigkeit - Zukunft - Zeit.

Ausser diesen drei Hauptgöttern hat sich aber der indische Volksglaube noch eine zahlreiche Menge anderer, sowohl männlicher als weiblicher Gottheiten geschaffen. So wurden für die acht Haupthimmelsgegenden, für menschliche Gedanken, für Jahr, Monat, Tag, Krieg und Frieden besondere göttliche Geister angenommen, so wurden Thiere, Pflanzen, Berge, Flüsse göttlich verehrt, namentlich ist der Ganges und der Berg, wo er entspringt, Gangotei, Gegenstand der Anbetung und hoch gefeierter Wallfahrtsort; sein Wasser dient nicht nur zur Heilung von Krankheit, sondern auch dem, der darin badet, zur Vergebung der Sünden. So wurde ferner Naradas verehrt als Bote der Götter, Ganesas als Gott der Klugheit; sodann ist Kamas, Sohn des Krischna, Gott der Liebe, und erscheint auf Bildern von tanzenden Nymphen umgeben und vom Frühling begleitet. Die Apsarasas sind weiblichen Geschlechts, wunderschöne Jungfrauen, bestimmt, mit ihren Reizen im Himmel die Götter und abgeschiedenen Menschen zu erfreuen, ihre Zahl beträgt 600 Millionen. - Dagegen schrecken aber auch den Indier eine Menge böser und furchtbarer Geister, die auf sein Verderben ausgehen. So sind die Rakschasas ein teuflisches Geschlecht, riesengross und grauengestaltig, Phantasiebilder, entstanden durch die Schrecknisse, welche in des Menschen Kampf mit der Natur ihm entgegentreten; einige von ihnen helfen dem Kuvera, dem Gott der Geizigen, die unterirdischen Schätze gegen die Habsucht der Menschen bewachen. - Endlich werden von den Thieren hauptsächlich Pferd und Stier wegen ihres Nutzens, die Schlangen wegen ihrer Gefährlichkeit angebetet, von den Pflanzen vorzugsweise die Bananen, wegen ihres Nutzens und ihrer schnellen Verbreitung. Einen Stier zu tödten, ist ein Verbrechen, das keine Busse sühnen kann, und noch heiliger ist die Kuh, welche dem Indier so wichtig und nützlich erscheint, dass er sie sogar zum Sinnbild aller Fruchtbarkeit und aller Gaben der Erde gemacht, und die Erde selbst als die grosse, alle Wünsche erfüllende Wunderkuh dargestellt hat. Aus der Verbindung der Schlangen mit Halbgöttern entstand das ebenfalls heilige Geschlecht der Affen, und es ist bekannt, welche wichtige Rolle in den Legenden des Volks der freundliche und weise Affenkönig Hanuman spielt. - Neben dieser Götterlehre der zweiten Periode kommt aber auch weiter in Betracht, welche Theorien sich über das religiöse Leben der Menschen ausbildeten. Ganz bestimmt wird in den Vedas unterschieden zwischen der religiösen Handlung und der religiösen Erkenntniss; jedes der vier Vedas zerfällt in die Karmakanda, Abtheilung der Handlungen, und die Gnanakanda, Abtheilung der Erkenntnis. Hiernach ist auch die Denkweise der philosophischen Denker ganz und gar verschieden von der des Volks: dem letztern sind die Werke die Hauptsache, die periodischen Genüsse das Ziel; der Weise dagegen achtet die Werke gering, glaubt an jene Genüsse nicht, und hält für das höchste Gut das reine, selbstsuchtlose Denken; durch die Wissenschaft geht er in Gott selbst auf, und diess ist seine Erlösung, seine Seligkeit. - Die Werke, welche dem Volke zu seiner Seligkeit vorgeschrieben werden, sind theils empfohlene, wie Tempel bauen, Brunnen graben, Almosen geben, theils befohlene, deren Unterlassung also Sünde ist. Jede Kaste hat ihre eigenen guten Werke, und wenn Einer die der fremden Kaste besorgen will, begeht er Sünde. Die allgemeinen frommen Werke sind aber: 1) Gebete, welche an einem Rosenkranz vor- oder rückwärts in dumpfem Tone hergesagt werden; - 2) körperliche Reinigungen, besonders mit dem Wasser des Ganges. Auch von diesem zu trinken ist ein frommes Werk, und die Braminen verschicken es in Flaschen an die Fürsten von ganz Indien; - 3) Opfer, sowohl aus geschlachteten Thieren, als aus unblutigen Gaben, Früchten, Honig u. dgl. bestehend. Auch Menschenopfer sind nicht ganz selten namentlich wurden solche der schrecklichen Kali, Gemahlin Schiwa's, dargebracht. - Der Hindu glaubt fest, dass jedes Werk seine bestimmte Folge habe, die unausbleiblich sei; für böse Handlungen ist ein bestimmtes Mass von Unglück zu erwarten, daher die bekannte Gewohnheit der Indier, sich selbst Qualen aufzuerlegen, um desto eher von der Strafe frei zu werden. Umgekehrt glauben sie aber auch, dass diese Selbstpeinigungen länger als die Strafe fortgesetzt werden können, und dann aus ihnen zuletzt ein Activ-Capital erwachse, ein Guthaben an den Gott, wodurch man ihn zwingen könne, so und so viel Glück verabfolgen zu lassen. - Zu den frommen Werken der indischen Religion gehört endlich auch noch die Feier gewisser zahlreicher Feste, welche das Jahr hindurch begangen werden. An achtzehn derselben muss jeder Indier Theil nehmen. Die Feier besteht in Opfern, Illuminationen, festlichen Aufzügen mit Herumtragen der Götterbilder, Spielen, Tänzen, Musik u. s. f. Bei ihnen wirken gottgeweihte Jungfrauen mit: Deva dasis (Gott gegebene), natakeas, Tänzerinnen, jetzt Bajaderen genannt von dem portugiesischen Balladeiras (Ballet). Sie gehören

jeder Geist dazu verschiedene Stufen zu durchlaufen, er wird zuerst in den Leib einer niedern Thierklasse, dann in den einer höhern, endlich in einen menschlichen eingeschlossen, und schreitet so immer vorwärts; so oft sein Leib stirbt, kommt er in einen höhern, vorausgesetzt, dass er sich der Erhöhung würdig gemacht hat. Diess ist die bekannte Lehre von der Seelenwanderung, welche den Indiern verbietet, Thiere umzubringen, weil sie in den Seelen verwandte Wesen achten, die noch Menschen werden können. – Die ganze gegenwärtig bestehende Welt ist aber der Vernichtung bestimmt. Brama schafft jedesmal aus einem Urstoff eine Welt auf bestimmte Zeit, nach deren Ablauf sie zu Grunde gehen muss, um durch eine neue ersetzt zu werden. Zuletzt aber wird er die materielle Welt für immer zerstören, und ein geistiges Reich von reinen Seelen dafür einführen. So lang noch eine Welt besteht, sieht Brama ruhig zu, wie sich Alles aus den einmal in sie gelegten Kräften von selbst entfaltet, er ist so lange im Zustand des Schlafens. Dann aber ist er wieder der Wachende, um die geschaffene Welt zu zerstören und eine neue zu schaffen. – Am Ende dieser ersten Periode scheint eine politische Trennung und Verfeindung der verschiedenen indischen Völker stattgefunden zu haben, und diess muss der Grund gewesen sein, dass sich in den getrennten Theilen verschiedene, einander feindselige Glaubenslehren und Culte bildeten. Die Lehre vom Brama war überhaupt dem gemeinen Volk zu hoch und zu speculativ, und so fing der eine Theil an, den Wischnu, der andere, den Schiwa als seinen höchsten Gott anzubeten. – Nach dem J. 900 v. Chr. vereinigten sich alsdann die getrennten Theile wieder zu Einem Reich, und die Braminen fanden es in ihrem Interesse, die inzwischen gebildeten Culte dadurch mit einander zu versöhnen, dass sie lehrten, Brama, Wischnu und Schiwa seien eigentlich Eins, und bilden eine Art Dreieinigkeit. Diess ist der hauptsächlichste Glaubenspunkt in der zweiten Periode gewesen, welche bis zur Einführung des Buddhaismus 250 v. Chr. zu rechnen ist. – Die Hauptlehren über jene drei in sich geeinten Hauptgötter der Indier sind folgende: 1) Brama ist Urvater des Weltalls, Prayapatis, Herr der Schöpfung, Lokakarta, Weltenbildner u. s. w. Als seine Gemahlin gilt Sarasvati, die aus dem Wasser Geborne; ihr, wie ihm, ist der Flamingo heilig. – 2) Wischnu ist bei seinen Verehrern der höchste Gott, ja selbst Brama ist nach ihrer Lehre erst aus Wischnu hervorgegangen. Wischnu wird als die milde und wohlwollende Gottheit angebetet, welche die Welt erhält, und aus Liebe zu den Menschen in zehn verschiedenen Zeitabschnitten Menschengestalt angenommen und das menschliche Leben mitgemacht hat. Man nennt diess die Incarnationen Wischnu's (indisch: Avataram = Herabsteigung). Die wichtigste ist die achte, in welcher er als Krischna mit göttlicher Macht erschien; er wurde als Hirte erzogen, versenkte sich in viele Liebesspiele, offenbarte sich aber endlich als göttlicher Held durch Ueberwindung des bösen und ungerechten Königs Kansa, dessen Tyrannei Menschen und Götter nicht mehr ertragen konnten, so dass Brama und Schiwa selbst ihn zur Hülfe aufriefen. – 3) Schiwa, eigentlich »der Wachsende«, ist auch eine göttliche Macht, aber mehr nach ihrer verneinenden und zerstörenden Kraft. Er heisst Mahadeva, der grosse Gott, Paramesuara, der höchste Herr. Sein Hauptsinnbild ist der Lingam (s. d.), welchem hohe Verehrung gezollt wird. – Die verschiedenen Bedeutungen, die sich allmälig an diese drei Gottheiten anknüpften und sie einander entgegenstellten, zeigt folgendes Schema:

Brama ist Sonne – Schöpfer – Macht – Vergangenheit – Materie.
Wischnu ist Wasser – Erhalter – Weisheit – Gegenwart – Raum.
Schiwa ist Feuer – Zerstörer – Gerechtigkeit – Zukunft – Zeit.

Ausser diesen drei Hauptgöttern hat sich aber der indische Volksglaube noch eine zahlreiche Menge anderer, sowohl männlicher als weiblicher Gottheiten geschaffen. So wurden für die acht Haupthimmelsgegenden, für menschliche Gedanken, für Jahr, Monat, Tag, Krieg und Frieden besondere göttliche Geister angenommen, so wurden Thiere, Pflanzen, Berge, Flüsse göttlich verehrt, namentlich ist der Ganges und der Berg, wo er entspringt, Gangotei, Gegenstand der Anbetung und hoch gefeierter Wallfahrtsort; sein Wasser dient nicht nur zur Heilung von Krankheit, sondern auch dem, der darin badet, zur Vergebung der Sünden. So wurde ferner Naradas verehrt als Bote der Götter, Ganêsas als Gott der Klugheit; sodann ist Kamas, Sohn des Krischna, Gott der Liebe, und erscheint auf Bildern von tanzenden Nymphen umgeben und vom Frühling begleitet. Die Apsarasas sind weiblichen Geschlechts, wunderschöne Jungfrauen, bestimmt, mit ihren Reizen im Himmel die Götter und abgeschiedenen Menschen zu erfreuen, ihre Zahl beträgt 600 Millionen. – Dagegen schrecken aber auch den Indier eine Menge böser und furchtbarer Geister, die auf sein Verderben ausgehen. So sind die Rakschasas ein teuflisches Geschlecht, riesengross und grauengestaltig, Phantasiebilder, entstanden durch die Schrecknisse, welche in des Menschen Kampf mit der Natur ihm entgegentreten; einige von ihnen helfen dem Kuvêra, dem Gott der Geizigen, die unterirdischen Schätze gegen die Habsucht der Menschen bewachen. – Endlich werden von den Thieren hauptsächlich Pferd und Stier wegen ihres Nutzens, die Schlangen wegen ihrer Gefährlichkeit angebetet, von den Pflanzen vorzugsweise die Bananen, wegen ihres Nutzens und ihrer schnellen Verbreitung. Einen Stier zu tödten, ist ein Verbrechen, das keine Busse sühnen kann, und noch heiliger ist die Kuh, welche dem Indier so wichtig und nützlich erscheint, dass er sie sogar zum Sinnbild aller Fruchtbarkeit und aller Gaben der Erde gemacht, und die Erde selbst als die grosse, alle Wünsche erfüllende Wunderkuh dargestellt hat. Aus der Verbindung der Schlangen mit Halbgöttern entstand das ebenfalls heilige Geschlecht der Affen, und es ist bekannt, welche wichtige Rolle in den Legenden des Volks der freundliche und weise Affenkönig Hanuman spielt. – Neben dieser Götterlehre der zweiten Periode kommt aber auch weiter in Betracht, welche Theorien sich über das religiöse Leben der Menschen ausbildeten. Ganz bestimmt wird in den Vedas unterschieden zwischen der religiösen Handlung und der religiösen Erkenntniss; jedes der vier Vedas zerfällt in die Karmakanda, Abtheilung der Handlungen, und die Gnanakanda, Abtheilung der Erkenntnis. Hiernach ist auch die Denkweise der philosophischen Denker ganz und gar verschieden von der des Volks: dem letztern sind die Werke die Hauptsache, die periodischen Genüsse das Ziel; der Weise dagegen achtet die Werke gering, glaubt an jene Genüsse nicht, und hält für das höchste Gut das reine, selbstsuchtlose Denken; durch die Wissenschaft geht er in Gott selbst auf, und diess ist seine Erlösung, seine Seligkeit. – Die Werke, welche dem Volke zu seiner Seligkeit vorgeschrieben werden, sind theils empfohlene, wie Tempel bauen, Brunnen graben, Almosen geben, theils befohlene, deren Unterlassung also Sünde ist. Jede Kaste hat ihre eigenen guten Werke, und wenn Einer die der fremden Kaste besorgen will, begeht er Sünde. Die allgemeinen frommen Werke sind aber: 1) Gebete, welche an einem Rosenkranz vor- oder rückwärts in dumpfem Tone hergesagt werden; – 2) körperliche Reinigungen, besonders mit dem Wasser des Ganges. Auch von diesem zu trinken ist ein frommes Werk, und die Braminen verschicken es in Flaschen an die Fürsten von ganz Indien; – 3) Opfer, sowohl aus geschlachteten Thieren, als aus unblutigen Gaben, Früchten, Honig u. dgl. bestehend. Auch Menschenopfer sind nicht ganz selten namentlich wurden solche der schrecklichen Kali, Gemahlin Schiwa's, dargebracht. – Der Hindu glaubt fest, dass jedes Werk seine bestimmte Folge habe, die unausbleiblich sei; für böse Handlungen ist ein bestimmtes Mass von Unglück zu erwarten, daher die bekannte Gewohnheit der Indier, sich selbst Qualen aufzuerlegen, um desto eher von der Strafe frei zu werden. Umgekehrt glauben sie aber auch, dass diese Selbstpeinigungen länger als die Strafe fortgesetzt werden können, und dann aus ihnen zuletzt ein Activ-Capital erwachse, ein Guthaben an den Gott, wodurch man ihn zwingen könne, so und so viel Glück verabfolgen zu lassen. – Zu den frommen Werken der indischen Religion gehört endlich auch noch die Feier gewisser zahlreicher Feste, welche das Jahr hindurch begangen werden. An achtzehn derselben muss jeder Indier Theil nehmen. Die Feier besteht in Opfern, Illuminationen, festlichen Aufzügen mit Herumtragen der Götterbilder, Spielen, Tänzen, Musik u. s. f. Bei ihnen wirken gottgeweihte Jungfrauen mit: Deva dasis (Gott gegebene), nâtakeas, Tänzerinnen, jetzt Bajaderen genannt von dem portugiesischen Balladeiras (Ballet). Sie gehören

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Die Apsarasas sind weiblichen Geschlechts, wunderschöne Jungfrauen, bestimmt, mit ihren Reizen im Himmel die Götter und abgeschiedenen Menschen zu erfreuen, ihre Zahl beträgt 600 Millionen. &#x2013; Dagegen schrecken aber auch den Indier eine Menge böser und furchtbarer Geister, die auf sein Verderben ausgehen. So sind die Rakschasas ein teuflisches Geschlecht, riesengross und grauengestaltig, Phantasiebilder, entstanden durch die Schrecknisse, welche in des Menschen Kampf mit der Natur ihm entgegentreten; einige von ihnen helfen dem Kuvêra, dem Gott der Geizigen, die unterirdischen Schätze gegen die Habsucht der Menschen bewachen. &#x2013; Endlich werden von den Thieren hauptsächlich Pferd und Stier wegen ihres Nutzens, die Schlangen wegen ihrer Gefährlichkeit angebetet, von den Pflanzen vorzugsweise die Bananen, wegen ihres Nutzens und ihrer schnellen Verbreitung. Einen Stier zu tödten, ist ein Verbrechen, das keine Busse sühnen kann, und noch heiliger ist die Kuh, welche dem Indier so wichtig und nützlich erscheint, dass er sie sogar zum Sinnbild aller Fruchtbarkeit und aller Gaben der Erde gemacht, und die Erde selbst als die grosse, alle Wünsche erfüllende Wunderkuh dargestellt hat. Aus der Verbindung der Schlangen mit Halbgöttern entstand das ebenfalls heilige Geschlecht der Affen, und es ist bekannt, welche wichtige Rolle in den Legenden des Volks der freundliche und weise Affenkönig Hanuman spielt. &#x2013; Neben dieser Götterlehre der zweiten Periode kommt aber auch weiter in Betracht, welche Theorien sich über das religiöse <hi rendition="#g">Leben</hi> der Menschen ausbildeten. Ganz bestimmt wird in den Vedas unterschieden zwischen der religiösen Handlung und der religiösen Erkenntniss; jedes der vier Vedas zerfällt in die Karmakanda, Abtheilung der Handlungen, und die Gnanakanda, Abtheilung der Erkenntnis. Hiernach ist auch die Denkweise der philosophischen Denker ganz und gar verschieden von der des Volks: dem letztern sind die Werke die Hauptsache, die periodischen Genüsse das Ziel; der Weise dagegen achtet die Werke gering, glaubt an jene Genüsse nicht, und hält für das höchste Gut das reine, selbstsuchtlose Denken; durch die Wissenschaft geht er in Gott selbst auf, und diess ist seine Erlösung, seine Seligkeit. &#x2013; Die Werke, welche dem Volke zu seiner Seligkeit vorgeschrieben werden, sind theils empfohlene, wie Tempel bauen, Brunnen graben, Almosen geben, theils befohlene, deren Unterlassung also Sünde ist. Jede Kaste hat ihre eigenen guten Werke, und wenn Einer die der fremden Kaste besorgen will, begeht er Sünde. Die allgemeinen frommen Werke sind aber: 1) Gebete, welche an einem Rosenkranz vor- oder rückwärts in dumpfem Tone hergesagt werden; &#x2013; 2) körperliche Reinigungen, besonders mit dem Wasser des Ganges. Auch von diesem zu trinken ist ein frommes Werk, und die Braminen verschicken es in Flaschen an die Fürsten von ganz Indien; &#x2013; 3) Opfer, sowohl aus geschlachteten Thieren, als aus unblutigen Gaben, Früchten, Honig u. dgl. bestehend. Auch Menschenopfer sind nicht ganz selten namentlich wurden solche der schrecklichen Kali, Gemahlin Schiwa's, dargebracht. &#x2013; Der Hindu glaubt fest, dass jedes Werk seine bestimmte Folge habe, die unausbleiblich sei; für böse Handlungen ist ein bestimmtes Mass von Unglück zu erwarten, daher die bekannte Gewohnheit der Indier, sich selbst Qualen aufzuerlegen, um desto eher von der Strafe frei zu werden. Umgekehrt glauben sie aber auch, dass diese Selbstpeinigungen länger als die Strafe fortgesetzt werden können, und dann aus ihnen zuletzt ein Activ-Capital erwachse, ein Guthaben an den Gott, wodurch man ihn zwingen könne, so und so viel Glück verabfolgen zu lassen. &#x2013; Zu den frommen Werken der indischen Religion gehört endlich auch noch die Feier gewisser zahlreicher Feste, welche das Jahr hindurch begangen werden. An achtzehn derselben <hi rendition="#g">muss</hi> jeder Indier Theil nehmen. Die Feier besteht in Opfern, Illuminationen, festlichen Aufzügen mit Herumtragen der Götterbilder, Spielen, Tänzen, Musik u. s. f. Bei ihnen wirken gottgeweihte Jungfrauen mit: Deva dasis (Gott gegebene), nâtakeas, Tänzerinnen, jetzt Bajaderen genannt von dem portugiesischen Balladeiras (Ballet). Sie gehören
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[275/0345] jeder Geist dazu verschiedene Stufen zu durchlaufen, er wird zuerst in den Leib einer niedern Thierklasse, dann in den einer höhern, endlich in einen menschlichen eingeschlossen, und schreitet so immer vorwärts; so oft sein Leib stirbt, kommt er in einen höhern, vorausgesetzt, dass er sich der Erhöhung würdig gemacht hat. Diess ist die bekannte Lehre von der Seelenwanderung, welche den Indiern verbietet, Thiere umzubringen, weil sie in den Seelen verwandte Wesen achten, die noch Menschen werden können. – Die ganze gegenwärtig bestehende Welt ist aber der Vernichtung bestimmt. Brama schafft jedesmal aus einem Urstoff eine Welt auf bestimmte Zeit, nach deren Ablauf sie zu Grunde gehen muss, um durch eine neue ersetzt zu werden. Zuletzt aber wird er die materielle Welt für immer zerstören, und ein geistiges Reich von reinen Seelen dafür einführen. So lang noch eine Welt besteht, sieht Brama ruhig zu, wie sich Alles aus den einmal in sie gelegten Kräften von selbst entfaltet, er ist so lange im Zustand des Schlafens. Dann aber ist er wieder der Wachende, um die geschaffene Welt zu zerstören und eine neue zu schaffen. – Am Ende dieser ersten Periode scheint eine politische Trennung und Verfeindung der verschiedenen indischen Völker stattgefunden zu haben, und diess muss der Grund gewesen sein, dass sich in den getrennten Theilen verschiedene, einander feindselige Glaubenslehren und Culte bildeten. Die Lehre vom Brama war überhaupt dem gemeinen Volk zu hoch und zu speculativ, und so fing der eine Theil an, den Wischnu, der andere, den Schiwa als seinen höchsten Gott anzubeten. – Nach dem J. 900 v. Chr. vereinigten sich alsdann die getrennten Theile wieder zu Einem Reich, und die Braminen fanden es in ihrem Interesse, die inzwischen gebildeten Culte dadurch mit einander zu versöhnen, dass sie lehrten, Brama, Wischnu und Schiwa seien eigentlich Eins, und bilden eine Art Dreieinigkeit. Diess ist der hauptsächlichste Glaubenspunkt in der zweiten Periode gewesen, welche bis zur Einführung des Buddhaismus 250 v. Chr. zu rechnen ist. – Die Hauptlehren über jene drei in sich geeinten Hauptgötter der Indier sind folgende: 1) Brama ist Urvater des Weltalls, Prayapatis, Herr der Schöpfung, Lokakarta, Weltenbildner u. s. w. Als seine Gemahlin gilt Sarasvati, die aus dem Wasser Geborne; ihr, wie ihm, ist der Flamingo heilig. – 2) Wischnu ist bei seinen Verehrern der höchste Gott, ja selbst Brama ist nach ihrer Lehre erst aus Wischnu hervorgegangen. Wischnu wird als die milde und wohlwollende Gottheit angebetet, welche die Welt erhält, und aus Liebe zu den Menschen in zehn verschiedenen Zeitabschnitten Menschengestalt angenommen und das menschliche Leben mitgemacht hat. Man nennt diess die Incarnationen Wischnu's (indisch: Avataram = Herabsteigung). Die wichtigste ist die achte, in welcher er als Krischna mit göttlicher Macht erschien; er wurde als Hirte erzogen, versenkte sich in viele Liebesspiele, offenbarte sich aber endlich als göttlicher Held durch Ueberwindung des bösen und ungerechten Königs Kansa, dessen Tyrannei Menschen und Götter nicht mehr ertragen konnten, so dass Brama und Schiwa selbst ihn zur Hülfe aufriefen. – 3) Schiwa, eigentlich »der Wachsende«, ist auch eine göttliche Macht, aber mehr nach ihrer verneinenden und zerstörenden Kraft. Er heisst Mahadeva, der grosse Gott, Paramesuara, der höchste Herr. Sein Hauptsinnbild ist der Lingam (s. d.), welchem hohe Verehrung gezollt wird. – Die verschiedenen Bedeutungen, die sich allmälig an diese drei Gottheiten anknüpften und sie einander entgegenstellten, zeigt folgendes Schema: Brama ist Sonne – Schöpfer – Macht – Vergangenheit – Materie. Wischnu ist Wasser – Erhalter – Weisheit – Gegenwart – Raum. Schiwa ist Feuer – Zerstörer – Gerechtigkeit – Zukunft – Zeit. Ausser diesen drei Hauptgöttern hat sich aber der indische Volksglaube noch eine zahlreiche Menge anderer, sowohl männlicher als weiblicher Gottheiten geschaffen. So wurden für die acht Haupthimmelsgegenden, für menschliche Gedanken, für Jahr, Monat, Tag, Krieg und Frieden besondere göttliche Geister angenommen, so wurden Thiere, Pflanzen, Berge, Flüsse göttlich verehrt, namentlich ist der Ganges und der Berg, wo er entspringt, Gangotei, Gegenstand der Anbetung und hoch gefeierter Wallfahrtsort; sein Wasser dient nicht nur zur Heilung von Krankheit, sondern auch dem, der darin badet, zur Vergebung der Sünden. So wurde ferner Naradas verehrt als Bote der Götter, Ganêsas als Gott der Klugheit; sodann ist Kamas, Sohn des Krischna, Gott der Liebe, und erscheint auf Bildern von tanzenden Nymphen umgeben und vom Frühling begleitet. Die Apsarasas sind weiblichen Geschlechts, wunderschöne Jungfrauen, bestimmt, mit ihren Reizen im Himmel die Götter und abgeschiedenen Menschen zu erfreuen, ihre Zahl beträgt 600 Millionen. – Dagegen schrecken aber auch den Indier eine Menge böser und furchtbarer Geister, die auf sein Verderben ausgehen. So sind die Rakschasas ein teuflisches Geschlecht, riesengross und grauengestaltig, Phantasiebilder, entstanden durch die Schrecknisse, welche in des Menschen Kampf mit der Natur ihm entgegentreten; einige von ihnen helfen dem Kuvêra, dem Gott der Geizigen, die unterirdischen Schätze gegen die Habsucht der Menschen bewachen. – Endlich werden von den Thieren hauptsächlich Pferd und Stier wegen ihres Nutzens, die Schlangen wegen ihrer Gefährlichkeit angebetet, von den Pflanzen vorzugsweise die Bananen, wegen ihres Nutzens und ihrer schnellen Verbreitung. Einen Stier zu tödten, ist ein Verbrechen, das keine Busse sühnen kann, und noch heiliger ist die Kuh, welche dem Indier so wichtig und nützlich erscheint, dass er sie sogar zum Sinnbild aller Fruchtbarkeit und aller Gaben der Erde gemacht, und die Erde selbst als die grosse, alle Wünsche erfüllende Wunderkuh dargestellt hat. Aus der Verbindung der Schlangen mit Halbgöttern entstand das ebenfalls heilige Geschlecht der Affen, und es ist bekannt, welche wichtige Rolle in den Legenden des Volks der freundliche und weise Affenkönig Hanuman spielt. – Neben dieser Götterlehre der zweiten Periode kommt aber auch weiter in Betracht, welche Theorien sich über das religiöse Leben der Menschen ausbildeten. Ganz bestimmt wird in den Vedas unterschieden zwischen der religiösen Handlung und der religiösen Erkenntniss; jedes der vier Vedas zerfällt in die Karmakanda, Abtheilung der Handlungen, und die Gnanakanda, Abtheilung der Erkenntnis. Hiernach ist auch die Denkweise der philosophischen Denker ganz und gar verschieden von der des Volks: dem letztern sind die Werke die Hauptsache, die periodischen Genüsse das Ziel; der Weise dagegen achtet die Werke gering, glaubt an jene Genüsse nicht, und hält für das höchste Gut das reine, selbstsuchtlose Denken; durch die Wissenschaft geht er in Gott selbst auf, und diess ist seine Erlösung, seine Seligkeit. – Die Werke, welche dem Volke zu seiner Seligkeit vorgeschrieben werden, sind theils empfohlene, wie Tempel bauen, Brunnen graben, Almosen geben, theils befohlene, deren Unterlassung also Sünde ist. Jede Kaste hat ihre eigenen guten Werke, und wenn Einer die der fremden Kaste besorgen will, begeht er Sünde. Die allgemeinen frommen Werke sind aber: 1) Gebete, welche an einem Rosenkranz vor- oder rückwärts in dumpfem Tone hergesagt werden; – 2) körperliche Reinigungen, besonders mit dem Wasser des Ganges. Auch von diesem zu trinken ist ein frommes Werk, und die Braminen verschicken es in Flaschen an die Fürsten von ganz Indien; – 3) Opfer, sowohl aus geschlachteten Thieren, als aus unblutigen Gaben, Früchten, Honig u. dgl. bestehend. Auch Menschenopfer sind nicht ganz selten namentlich wurden solche der schrecklichen Kali, Gemahlin Schiwa's, dargebracht. – Der Hindu glaubt fest, dass jedes Werk seine bestimmte Folge habe, die unausbleiblich sei; für böse Handlungen ist ein bestimmtes Mass von Unglück zu erwarten, daher die bekannte Gewohnheit der Indier, sich selbst Qualen aufzuerlegen, um desto eher von der Strafe frei zu werden. Umgekehrt glauben sie aber auch, dass diese Selbstpeinigungen länger als die Strafe fortgesetzt werden können, und dann aus ihnen zuletzt ein Activ-Capital erwachse, ein Guthaben an den Gott, wodurch man ihn zwingen könne, so und so viel Glück verabfolgen zu lassen. – Zu den frommen Werken der indischen Religion gehört endlich auch noch die Feier gewisser zahlreicher Feste, welche das Jahr hindurch begangen werden. An achtzehn derselben muss jeder Indier Theil nehmen. Die Feier besteht in Opfern, Illuminationen, festlichen Aufzügen mit Herumtragen der Götterbilder, Spielen, Tänzen, Musik u. s. f. Bei ihnen wirken gottgeweihte Jungfrauen mit: Deva dasis (Gott gegebene), nâtakeas, Tänzerinnen, jetzt Bajaderen genannt von dem portugiesischen Balladeiras (Ballet). Sie gehören

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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/345>, abgerufen am 23.11.2024.