Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.sonst ist das Wörterbuch der Drohnen sehr sonderbar. So bezeichnen sie im Bienenstaate mit dem Ausdrucke "wahre Freiheit" die Sklaverei der Proletarier und die Kriecherei der Drohnen. Vom Leben der Drohnen aber kann man noch Folgendes sagen. Faul und träge schlafen sie noch lange, während die emsigen Arbeiter schon auf den Feldern einsammeln. Dann stehen sie auf und begeben sich an Hof, um der Königin ihre Cour zu machen. Sie kennen die Fürstin, sie lieben sie sogar - ja meist hat die Königin sogar einen oder den andern Favoriten, mit welchem die Liebe nicht auf dem platonischen Standpunkte stehen geblieben ist. Wahrhaft erniedrigend ist das Schauspiel, welches eine solche Cour darbietet. Im Getümmel, der Königin nahe zu kommen, stürzen die Drohnen übereinander her, eine stößt die andere weg, - tief gebückt, dienstbeflissen, mit Kratzfüßen und Bücklingen, mit gebogenem Hinterleibe, ausgestreckten Flügeln und gesenkten Fühlhörnern stehen sie da, den Wink der Herrscherin zu erwarten. Jedem Schritte folgen sie, einander überkletternd; die näheren Hofdiener drängen sich dicht heran, lecken die Königin mit der rüsselförmigen Zunge, putzen ihr die Borsten und Haare, die Flügel und Beine. Und während sie diese niedrigen Lakaiendienste verrichten, schauen diese Drohnen mit Stolz und Verachtung auf den Plebs des armen Bienenvolkes herab, der emsig bauend und zutragend nicht nur für sich, sondern auch für dies fette Hofgeschmeiß im Schweiße den Honig einträgt! Gebückt gegen oben, gesteift gegen unten, das ist der Wahlspruch dieser konstitutionellen Bienenpairs. Aber die Rache bereitet sich vor. Dumpf brummt und summt es bisweilen unter den Proletariern; hie und da sammeln sich Gruppen, und sonst ist das Wörterbuch der Drohnen sehr sonderbar. So bezeichnen sie im Bienenstaate mit dem Ausdrucke „wahre Freiheit“ die Sklaverei der Proletarier und die Kriecherei der Drohnen. Vom Leben der Drohnen aber kann man noch Folgendes sagen. Faul und träge schlafen sie noch lange, während die emsigen Arbeiter schon auf den Feldern einsammeln. Dann stehen sie auf und begeben sich an Hof, um der Königin ihre Cour zu machen. Sie kennen die Fürstin, sie lieben sie sogar – ja meist hat die Königin sogar einen oder den andern Favoriten, mit welchem die Liebe nicht auf dem platonischen Standpunkte stehen geblieben ist. Wahrhaft erniedrigend ist das Schauspiel, welches eine solche Cour darbietet. Im Getümmel, der Königin nahe zu kommen, stürzen die Drohnen übereinander her, eine stößt die andere weg, – tief gebückt, dienstbeflissen, mit Kratzfüßen und Bücklingen, mit gebogenem Hinterleibe, ausgestreckten Flügeln und gesenkten Fühlhörnern stehen sie da, den Wink der Herrscherin zu erwarten. Jedem Schritte folgen sie, einander überkletternd; die näheren Hofdiener drängen sich dicht heran, lecken die Königin mit der rüsselförmigen Zunge, putzen ihr die Borsten und Haare, die Flügel und Beine. Und während sie diese niedrigen Lakaiendienste verrichten, schauen diese Drohnen mit Stolz und Verachtung auf den Plebs des armen Bienenvolkes herab, der emsig bauend und zutragend nicht nur für sich, sondern auch für dies fette Hofgeschmeiß im Schweiße den Honig einträgt! Gebückt gegen oben, gesteift gegen unten, das ist der Wahlspruch dieser konstitutionellen Bienenpairs. Aber die Rache bereitet sich vor. Dumpf brummt und summt es bisweilen unter den Proletariern; hie und da sammeln sich Gruppen, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0091" n="65"/> sonst ist das Wörterbuch der Drohnen sehr sonderbar. So bezeichnen sie im Bienenstaate mit dem Ausdrucke „wahre Freiheit“ die Sklaverei der Proletarier und die Kriecherei der Drohnen. Vom Leben der Drohnen aber kann man noch Folgendes sagen. Faul und träge schlafen sie noch lange, während die emsigen Arbeiter schon auf den Feldern einsammeln. Dann stehen sie auf und begeben sich an Hof, um der Königin ihre Cour zu machen. Sie kennen die Fürstin, sie lieben sie sogar – ja meist hat die Königin sogar einen oder den andern Favoriten, mit welchem die Liebe nicht auf dem platonischen Standpunkte stehen geblieben ist. Wahrhaft erniedrigend ist das Schauspiel, welches eine solche Cour darbietet. Im Getümmel, der Königin nahe zu kommen, stürzen die Drohnen übereinander her, eine stößt die andere weg, – tief gebückt, dienstbeflissen, mit Kratzfüßen und Bücklingen, mit gebogenem Hinterleibe, ausgestreckten Flügeln und gesenkten Fühlhörnern stehen sie da, den Wink der Herrscherin zu erwarten. Jedem Schritte folgen sie, einander überkletternd; die näheren Hofdiener drängen sich dicht heran, lecken die Königin mit der rüsselförmigen Zunge, putzen ihr die Borsten und Haare, die Flügel und Beine. Und während sie diese niedrigen Lakaiendienste verrichten, schauen diese Drohnen mit Stolz und Verachtung auf den Plebs des armen Bienenvolkes herab, der emsig bauend und zutragend nicht nur für sich, sondern auch für dies fette Hofgeschmeiß im Schweiße den Honig einträgt! Gebückt gegen oben, gesteift gegen unten, das ist der Wahlspruch dieser konstitutionellen Bienenpairs. Aber die Rache bereitet sich vor. Dumpf brummt und summt es bisweilen unter den Proletariern; hie und da sammeln sich Gruppen, und </p> </div> </body> </text> </TEI> [65/0091]
sonst ist das Wörterbuch der Drohnen sehr sonderbar. So bezeichnen sie im Bienenstaate mit dem Ausdrucke „wahre Freiheit“ die Sklaverei der Proletarier und die Kriecherei der Drohnen. Vom Leben der Drohnen aber kann man noch Folgendes sagen. Faul und träge schlafen sie noch lange, während die emsigen Arbeiter schon auf den Feldern einsammeln. Dann stehen sie auf und begeben sich an Hof, um der Königin ihre Cour zu machen. Sie kennen die Fürstin, sie lieben sie sogar – ja meist hat die Königin sogar einen oder den andern Favoriten, mit welchem die Liebe nicht auf dem platonischen Standpunkte stehen geblieben ist. Wahrhaft erniedrigend ist das Schauspiel, welches eine solche Cour darbietet. Im Getümmel, der Königin nahe zu kommen, stürzen die Drohnen übereinander her, eine stößt die andere weg, – tief gebückt, dienstbeflissen, mit Kratzfüßen und Bücklingen, mit gebogenem Hinterleibe, ausgestreckten Flügeln und gesenkten Fühlhörnern stehen sie da, den Wink der Herrscherin zu erwarten. Jedem Schritte folgen sie, einander überkletternd; die näheren Hofdiener drängen sich dicht heran, lecken die Königin mit der rüsselförmigen Zunge, putzen ihr die Borsten und Haare, die Flügel und Beine. Und während sie diese niedrigen Lakaiendienste verrichten, schauen diese Drohnen mit Stolz und Verachtung auf den Plebs des armen Bienenvolkes herab, der emsig bauend und zutragend nicht nur für sich, sondern auch für dies fette Hofgeschmeiß im Schweiße den Honig einträgt! Gebückt gegen oben, gesteift gegen unten, das ist der Wahlspruch dieser konstitutionellen Bienenpairs. Aber die Rache bereitet sich vor. Dumpf brummt und summt es bisweilen unter den Proletariern; hie und da sammeln sich Gruppen, und
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Zitationshilfe: | Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/91>, abgerufen am 05.07.2024. |