Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Königin setzt sich, nach einigem Schwärmen, an einen Ast oder sonst irgendwo fest. In dicken Massen bedecken sie ihre Diener; - das ganze Volk hängt sich zusammen - und ruht aus. Einige Laufmägde fliegen aus. Sie haben schon früher einen hohlen Baum, eine Felsritze, ein Astloch entdeckt - sie recognosciren es, statten Bericht ab, und nun fliegt das ganze Volk jener Kolonie zu, wo der neue Staat gegründet werden soll. Meist tritt, noch ehe die rapportirenden Laufmägde ihre Reise antreten, der Mensch mit seiner List dazwischen, und bietet eine vollkommene Wohnung an. Die Biene nimmt das großmüthige Anerbieten mit Dank an; sie bezieht die neue Wohnung, richtet ihren Staat darin ein - ach! sie weiß nicht, daß sie dadurch einem schnöden Egoisten anheim gefallen ist, der

über diesem blutigen Drama gelüftet wird, wo es sich zeigen wird, wie Bornirtheit und Niederträchtigkeit das Volk von Schleswig-Holstein betrogen und verrathen haben. Die Zeit wird aus dieser Epoche eine Anklage zusammenhäufen von furchtbarer Wucht, der die kräftigsten Schultern nicht zu widerstehen vermögen, geschweige denn diese geleimten Pappmaschinen der Statthalterschaft und ihrer Genossen. Man wird sehen dereinst, wie man einen unvernünftigen Nationalhaß so lange aufstachelte und nährte, bis der toll gewordene Bulle das Brett, welches ihm seine Leiter vor die Augen banden, für das Ziel seiner Kämpfe, und den Fallstrick, den sie ihm um die Füße warfen, für das Leitseil hielt, das ihn in der Schlacht lenken sollte. Das schleswig-holstein'sche Volk wird einsehen in der Folge, daß es für seine Sklaverei kämpfte, während es für seine Freiheit zu bluten glaubte. Die Lenker, welche es an die Spitze gestellt hatte, wußten schon im Jahr 1848, daß die von ihnen gerufenen Generale nur einen Scheinkrieg führten, daß weder Wrangel, noch Bonin, noch Prittwitz, noch Willisen ernstlich den Sieg über die Dänen wollten, sondern alle Mittel anwandten, ihn zu verhindern. Sie wußten dieß, deßhalb ließen sie beten für ihren Feind, deßhalb vernachlässigten sie die Hilfsmittel, welche das Vertrauen, das getäuschte Vertrauen des Volkes ihnen in die Hand

Die Königin setzt sich, nach einigem Schwärmen, an einen Ast oder sonst irgendwo fest. In dicken Massen bedecken sie ihre Diener; – das ganze Volk hängt sich zusammen – und ruht aus. Einige Laufmägde fliegen aus. Sie haben schon früher einen hohlen Baum, eine Felsritze, ein Astloch entdeckt – sie recognosciren es, statten Bericht ab, und nun fliegt das ganze Volk jener Kolonie zu, wo der neue Staat gegründet werden soll. Meist tritt, noch ehe die rapportirenden Laufmägde ihre Reise antreten, der Mensch mit seiner List dazwischen, und bietet eine vollkommene Wohnung an. Die Biene nimmt das großmüthige Anerbieten mit Dank an; sie bezieht die neue Wohnung, richtet ihren Staat darin ein – ach! sie weiß nicht, daß sie dadurch einem schnöden Egoisten anheim gefallen ist, der

über diesem blutigen Drama gelüftet wird, wo es sich zeigen wird, wie Bornirtheit und Niederträchtigkeit das Volk von Schleswig-Holstein betrogen und verrathen haben. Die Zeit wird aus dieser Epoche eine Anklage zusammenhäufen von furchtbarer Wucht, der die kräftigsten Schultern nicht zu widerstehen vermögen, geschweige denn diese geleimten Pappmaschinen der Statthalterschaft und ihrer Genossen. Man wird sehen dereinst, wie man einen unvernünftigen Nationalhaß so lange aufstachelte und nährte, bis der toll gewordene Bulle das Brett, welches ihm seine Leiter vor die Augen banden, für das Ziel seiner Kämpfe, und den Fallstrick, den sie ihm um die Füße warfen, für das Leitseil hielt, das ihn in der Schlacht lenken sollte. Das schleswig-holstein’sche Volk wird einsehen in der Folge, daß es für seine Sklaverei kämpfte, während es für seine Freiheit zu bluten glaubte. Die Lenker, welche es an die Spitze gestellt hatte, wußten schon im Jahr 1848, daß die von ihnen gerufenen Generale nur einen Scheinkrieg führten, daß weder Wrangel, noch Bonin, noch Prittwitz, noch Willisen ernstlich den Sieg über die Dänen wollten, sondern alle Mittel anwandten, ihn zu verhindern. Sie wußten dieß, deßhalb ließen sie beten für ihren Feind, deßhalb vernachlässigten sie die Hilfsmittel, welche das Vertrauen, das getäuschte Vertrauen des Volkes ihnen in die Hand
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0078" n="52"/>
        <p>Die Königin setzt sich, nach einigem Schwärmen, an einen Ast oder sonst irgendwo fest. In dicken Massen bedecken sie ihre Diener; &#x2013; das ganze Volk hängt sich zusammen &#x2013; und ruht aus. Einige Laufmägde fliegen aus. Sie haben schon früher einen hohlen Baum, eine Felsritze, ein Astloch entdeckt &#x2013; sie recognosciren es, statten Bericht ab, und nun fliegt das ganze Volk jener Kolonie zu, wo der neue Staat gegründet werden soll. Meist tritt, noch ehe die rapportirenden Laufmägde ihre Reise antreten, der Mensch mit seiner List dazwischen, und bietet eine vollkommene Wohnung an. Die Biene nimmt das großmüthige Anerbieten mit Dank an; sie bezieht die neue Wohnung, richtet ihren Staat darin ein &#x2013; ach! sie weiß nicht, daß sie dadurch einem schnöden Egoisten anheim gefallen ist, der<note place="foot">über diesem blutigen Drama gelüftet wird, wo es sich zeigen wird, wie Bornirtheit und Niederträchtigkeit das Volk von Schleswig-Holstein betrogen und verrathen haben. Die Zeit wird aus dieser Epoche eine Anklage zusammenhäufen von furchtbarer Wucht, der die kräftigsten Schultern nicht zu widerstehen vermögen, geschweige denn diese geleimten Pappmaschinen der Statthalterschaft und ihrer Genossen. Man wird sehen dereinst, wie man einen unvernünftigen Nationalhaß so lange aufstachelte und nährte, bis der toll gewordene Bulle das Brett, welches ihm seine Leiter vor die Augen banden, für das Ziel seiner Kämpfe, und den Fallstrick, den sie ihm um die Füße warfen, für das Leitseil hielt, das ihn in der Schlacht lenken sollte. Das schleswig-holstein&#x2019;sche Volk wird einsehen in der Folge, daß es für seine Sklaverei kämpfte, während es für seine Freiheit zu bluten glaubte. Die Lenker, welche es an die Spitze gestellt hatte, wußten schon im Jahr 1848, daß die von ihnen gerufenen Generale nur einen <hi rendition="#g">Scheinkrieg</hi> führten, daß weder Wrangel, noch Bonin, noch Prittwitz, noch Willisen ernstlich den Sieg über die Dänen wollten, sondern alle Mittel anwandten, ihn zu verhindern. Sie wußten dieß, deßhalb ließen sie beten für ihren Feind, deßhalb vernachlässigten sie die Hilfsmittel, welche das Vertrauen, das getäuschte Vertrauen des Volkes ihnen in die Hand</note>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0078] Die Königin setzt sich, nach einigem Schwärmen, an einen Ast oder sonst irgendwo fest. In dicken Massen bedecken sie ihre Diener; – das ganze Volk hängt sich zusammen – und ruht aus. Einige Laufmägde fliegen aus. Sie haben schon früher einen hohlen Baum, eine Felsritze, ein Astloch entdeckt – sie recognosciren es, statten Bericht ab, und nun fliegt das ganze Volk jener Kolonie zu, wo der neue Staat gegründet werden soll. Meist tritt, noch ehe die rapportirenden Laufmägde ihre Reise antreten, der Mensch mit seiner List dazwischen, und bietet eine vollkommene Wohnung an. Die Biene nimmt das großmüthige Anerbieten mit Dank an; sie bezieht die neue Wohnung, richtet ihren Staat darin ein – ach! sie weiß nicht, daß sie dadurch einem schnöden Egoisten anheim gefallen ist, der über diesem blutigen Drama gelüftet wird, wo es sich zeigen wird, wie Bornirtheit und Niederträchtigkeit das Volk von Schleswig-Holstein betrogen und verrathen haben. Die Zeit wird aus dieser Epoche eine Anklage zusammenhäufen von furchtbarer Wucht, der die kräftigsten Schultern nicht zu widerstehen vermögen, geschweige denn diese geleimten Pappmaschinen der Statthalterschaft und ihrer Genossen. Man wird sehen dereinst, wie man einen unvernünftigen Nationalhaß so lange aufstachelte und nährte, bis der toll gewordene Bulle das Brett, welches ihm seine Leiter vor die Augen banden, für das Ziel seiner Kämpfe, und den Fallstrick, den sie ihm um die Füße warfen, für das Leitseil hielt, das ihn in der Schlacht lenken sollte. Das schleswig-holstein’sche Volk wird einsehen in der Folge, daß es für seine Sklaverei kämpfte, während es für seine Freiheit zu bluten glaubte. Die Lenker, welche es an die Spitze gestellt hatte, wußten schon im Jahr 1848, daß die von ihnen gerufenen Generale nur einen Scheinkrieg führten, daß weder Wrangel, noch Bonin, noch Prittwitz, noch Willisen ernstlich den Sieg über die Dänen wollten, sondern alle Mittel anwandten, ihn zu verhindern. Sie wußten dieß, deßhalb ließen sie beten für ihren Feind, deßhalb vernachlässigten sie die Hilfsmittel, welche das Vertrauen, das getäuschte Vertrauen des Volkes ihnen in die Hand

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universität Michigan: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/78
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/78>, abgerufen am 23.11.2024.