Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.der Intelligenz im Thierreiche. Woher die hohe parlamentarische Bildung des Raben und der ganzen Krähenfamilie als durch die Verschiedenheit der Nahrung? Woher diese Stupidität der Hörnerträger, wenn nicht von der ewigen Gleichförmigkeit des Grases? Viele Erscheinungen, deren Grund man noch sucht, wurden mir klar. Die Hausthiere sind zum Theil durch die Zähmung auf eine höhere Stufe der Intelligenz gelangt, zum Theil aber auch davon zurückgegangen. Die wilde Gans ist ein Muster schlauer Klugheit - sie muß im freien Felde mit Gräsern, Würmern, Schnecken, Fischen, Körnern, Beeren - mit Allem, was die karge Natur des Winters bietet, vorlieb nehmen. Die zahme, nur von Getreide und Kartoffeln lebend, ist ein Muster der Dummheit. Der Hund veredelte sich; indem sein Nahrungskreis sich durch die Zähmung erweiterte, und auf zubereitetes Fleisch so wie auf Vegetabilien ausdehnte, nahm sein intellectueller Gesichtskreis in gleicher Weise zu. Der zahme Elephant, der Reis, Rüben, Kartoffeln, Kraut, Rum und Wein verschlingt, wie hoch steht er über dem wilden, der nur eine einförmige Nahrung in Baumzweigen findet! Aehnliche Effecte traten mir in der Menschenwelt entgegen. Wenn Herr Bassermann früher, während seiner vergessenen wühlerischen Periode, seine Wähler mit Wein und Bier in reichlichem Maße tractirte, so geschah dies sicherlich in dem geheimen materialistischen Bewußtseyn, daß durch diese bedeutende Zufuhr ungewohnter Stoffe die Hirnsekretion der Gedanken in bedeutendem Maße geändert werde. Hungersnoth und Ueberfluß haben beide meist politische Umwälzungen in ihrem Gefolge - sie verändern die gewöhnliche Gedankensekretion, welche allein die Basis, die der Intelligenz im Thierreiche. Woher die hohe parlamentarische Bildung des Raben und der ganzen Krähenfamilie als durch die Verschiedenheit der Nahrung? Woher diese Stupidität der Hörnerträger, wenn nicht von der ewigen Gleichförmigkeit des Grases? Viele Erscheinungen, deren Grund man noch sucht, wurden mir klar. Die Hausthiere sind zum Theil durch die Zähmung auf eine höhere Stufe der Intelligenz gelangt, zum Theil aber auch davon zurückgegangen. Die wilde Gans ist ein Muster schlauer Klugheit – sie muß im freien Felde mit Gräsern, Würmern, Schnecken, Fischen, Körnern, Beeren – mit Allem, was die karge Natur des Winters bietet, vorlieb nehmen. Die zahme, nur von Getreide und Kartoffeln lebend, ist ein Muster der Dummheit. Der Hund veredelte sich; indem sein Nahrungskreis sich durch die Zähmung erweiterte, und auf zubereitetes Fleisch so wie auf Vegetabilien ausdehnte, nahm sein intellectueller Gesichtskreis in gleicher Weise zu. Der zahme Elephant, der Reis, Rüben, Kartoffeln, Kraut, Rum und Wein verschlingt, wie hoch steht er über dem wilden, der nur eine einförmige Nahrung in Baumzweigen findet! Aehnliche Effecte traten mir in der Menschenwelt entgegen. Wenn Herr Bassermann früher, während seiner vergessenen wühlerischen Periode, seine Wähler mit Wein und Bier in reichlichem Maße tractirte, so geschah dies sicherlich in dem geheimen materialistischen Bewußtseyn, daß durch diese bedeutende Zufuhr ungewohnter Stoffe die Hirnsekretion der Gedanken in bedeutendem Maße geändert werde. Hungersnoth und Ueberfluß haben beide meist politische Umwälzungen in ihrem Gefolge – sie verändern die gewöhnliche Gedankensekretion, welche allein die Basis, die <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0048" n="22"/> der Intelligenz im Thierreiche. Woher die hohe parlamentarische Bildung des Raben und der ganzen Krähenfamilie als durch die Verschiedenheit der Nahrung? 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Der zahme Elephant, der Reis, Rüben, Kartoffeln, Kraut, Rum und Wein verschlingt, wie hoch steht er über dem wilden, der nur eine einförmige Nahrung in Baumzweigen findet!</p> <p>Aehnliche Effecte traten mir in der Menschenwelt entgegen. Wenn Herr Bassermann früher, während seiner vergessenen wühlerischen Periode, seine Wähler mit Wein und Bier in reichlichem Maße tractirte, so geschah dies sicherlich in dem geheimen materialistischen Bewußtseyn, daß durch diese bedeutende Zufuhr ungewohnter Stoffe die Hirnsekretion der Gedanken in bedeutendem Maße geändert werde. Hungersnoth und Ueberfluß haben beide meist politische Umwälzungen in ihrem Gefolge – sie verändern die gewöhnliche Gedankensekretion, welche allein die Basis, die </p> </div> </front> </text> </TEI> [22/0048]
der Intelligenz im Thierreiche. Woher die hohe parlamentarische Bildung des Raben und der ganzen Krähenfamilie als durch die Verschiedenheit der Nahrung? Woher diese Stupidität der Hörnerträger, wenn nicht von der ewigen Gleichförmigkeit des Grases?
Viele Erscheinungen, deren Grund man noch sucht, wurden mir klar. Die Hausthiere sind zum Theil durch die Zähmung auf eine höhere Stufe der Intelligenz gelangt, zum Theil aber auch davon zurückgegangen. Die wilde Gans ist ein Muster schlauer Klugheit – sie muß im freien Felde mit Gräsern, Würmern, Schnecken, Fischen, Körnern, Beeren – mit Allem, was die karge Natur des Winters bietet, vorlieb nehmen. Die zahme, nur von Getreide und Kartoffeln lebend, ist ein Muster der Dummheit. Der Hund veredelte sich; indem sein Nahrungskreis sich durch die Zähmung erweiterte, und auf zubereitetes Fleisch so wie auf Vegetabilien ausdehnte, nahm sein intellectueller Gesichtskreis in gleicher Weise zu. Der zahme Elephant, der Reis, Rüben, Kartoffeln, Kraut, Rum und Wein verschlingt, wie hoch steht er über dem wilden, der nur eine einförmige Nahrung in Baumzweigen findet!
Aehnliche Effecte traten mir in der Menschenwelt entgegen. Wenn Herr Bassermann früher, während seiner vergessenen wühlerischen Periode, seine Wähler mit Wein und Bier in reichlichem Maße tractirte, so geschah dies sicherlich in dem geheimen materialistischen Bewußtseyn, daß durch diese bedeutende Zufuhr ungewohnter Stoffe die Hirnsekretion der Gedanken in bedeutendem Maße geändert werde. Hungersnoth und Ueberfluß haben beide meist politische Umwälzungen in ihrem Gefolge – sie verändern die gewöhnliche Gedankensekretion, welche allein die Basis, die
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Zitationshilfe: | Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/48>, abgerufen am 23.07.2024. |