Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.Von Zeit zu Zeit drängt sich mir ein leiser Zweifel auf, ob auch der Mensch wirklich das vollkommenste Geschöpf sei? Man hat sich so viel Mühe gegeben, uns dies von Jugend auf begreiflich zu machen! Wenn wir als Kinder kopfschüttelnd dem Fluge des Weih's mit den Augen folgten, und nicht einzusehen vermochten, warum der vollkommene Mensch niederträchtig und langsam auf dem festen Boden einherstelzen müsse, während der so unvollkommene Vogel dennoch als Konig im Reich der Lüfte hoch in den Wolken hinsegelt - wenn wir das nicht einzusehen vermochten, so sagte man uns, das Auge des Falken sei zwar scharf, aber unser geistiges Auge sei noch viel schärfer; sein Flug sei zwar schnell, aber unser Gedankenflug sei noch schneller und könne sich über die Wolken hinaus selbst bis zu den Sternen, und bis zu dem lieben Gott erheben. Wir begriffen diese Schlußfolgerung damals nicht, aber sie prägte sich uns ein und wurde nach und nach ein Axiom, das keines Beweises bedurfte. Ja es kam eine Zeit, wo wir verächtlich auf den Vogel blickten und achselzuckend seinen Flug geringschätzten, einzig im unzerstörbaren Bewußtsein unserer Menschenwürde und unserer Menschen-Vollkommenheit. Das Stückchen Erde, welches der Falke überschaut, war so unendlich klein gegen die unermeßliche Gedankenwelt, die wir im Kopfe herumtrugen! Wir mußten durch die Von Zeit zu Zeit drängt sich mir ein leiser Zweifel auf, ob auch der Mensch wirklich das vollkommenste Geschöpf sei? Man hat sich so viel Mühe gegeben, uns dies von Jugend auf begreiflich zu machen! Wenn wir als Kinder kopfschüttelnd dem Fluge des Weih’s mit den Augen folgten, und nicht einzusehen vermochten, warum der vollkommene Mensch niederträchtig und langsam auf dem festen Boden einherstelzen müsse, während der so unvollkommene Vogel dennoch als Konig im Reich der Lüfte hoch in den Wolken hinsegelt – wenn wir das nicht einzusehen vermochten, so sagte man uns, das Auge des Falken sei zwar scharf, aber unser geistiges Auge sei noch viel schärfer; sein Flug sei zwar schnell, aber unser Gedankenflug sei noch schneller und könne sich über die Wolken hinaus selbst bis zu den Sternen, und bis zu dem lieben Gott erheben. Wir begriffen diese Schlußfolgerung damals nicht, aber sie prägte sich uns ein und wurde nach und nach ein Axiom, das keines Beweises bedurfte. Ja es kam eine Zeit, wo wir verächtlich auf den Vogel blickten und achselzuckend seinen Flug geringschätzten, einzig im unzerstörbaren Bewußtsein unserer Menschenwürde und unserer Menschen-Vollkommenheit. Das Stückchen Erde, welches der Falke überschaut, war so unendlich klein gegen die unermeßliche Gedankenwelt, die wir im Kopfe herumtrugen! Wir mußten durch die <TEI> <text> <front> <div n="1"> <pb facs="#f0029" n="3"/> <p>Von Zeit zu Zeit drängt sich mir ein leiser Zweifel auf, ob auch der Mensch wirklich das vollkommenste Geschöpf sei? Man hat sich so viel Mühe gegeben, uns dies von Jugend auf begreiflich zu machen! Wenn wir als Kinder kopfschüttelnd dem Fluge des Weih’s mit den Augen folgten, und nicht einzusehen vermochten, warum der vollkommene Mensch niederträchtig und langsam auf dem festen Boden einherstelzen müsse, während der so unvollkommene Vogel dennoch als Konig im Reich der Lüfte hoch in den Wolken hinsegelt – wenn wir das nicht einzusehen vermochten, so sagte man uns, das Auge des Falken sei zwar scharf, aber unser geistiges Auge sei noch viel schärfer; sein Flug sei zwar schnell, aber unser Gedankenflug sei noch schneller und könne sich über die Wolken hinaus selbst bis zu den Sternen, und bis zu dem lieben Gott erheben.</p> <p>Wir begriffen diese Schlußfolgerung damals nicht, aber sie prägte sich uns ein und wurde nach und nach ein Axiom, das keines Beweises bedurfte. Ja es kam eine Zeit, wo wir verächtlich auf den Vogel blickten und achselzuckend seinen Flug geringschätzten, einzig im unzerstörbaren Bewußtsein unserer Menschenwürde und unserer Menschen-Vollkommenheit. Das Stückchen Erde, welches der Falke überschaut, war so unendlich klein gegen die unermeßliche Gedankenwelt, die wir im Kopfe herumtrugen! Wir mußten durch die </p> </div> </front> </text> </TEI> [3/0029]
Von Zeit zu Zeit drängt sich mir ein leiser Zweifel auf, ob auch der Mensch wirklich das vollkommenste Geschöpf sei? Man hat sich so viel Mühe gegeben, uns dies von Jugend auf begreiflich zu machen! Wenn wir als Kinder kopfschüttelnd dem Fluge des Weih’s mit den Augen folgten, und nicht einzusehen vermochten, warum der vollkommene Mensch niederträchtig und langsam auf dem festen Boden einherstelzen müsse, während der so unvollkommene Vogel dennoch als Konig im Reich der Lüfte hoch in den Wolken hinsegelt – wenn wir das nicht einzusehen vermochten, so sagte man uns, das Auge des Falken sei zwar scharf, aber unser geistiges Auge sei noch viel schärfer; sein Flug sei zwar schnell, aber unser Gedankenflug sei noch schneller und könne sich über die Wolken hinaus selbst bis zu den Sternen, und bis zu dem lieben Gott erheben.
Wir begriffen diese Schlußfolgerung damals nicht, aber sie prägte sich uns ein und wurde nach und nach ein Axiom, das keines Beweises bedurfte. Ja es kam eine Zeit, wo wir verächtlich auf den Vogel blickten und achselzuckend seinen Flug geringschätzten, einzig im unzerstörbaren Bewußtsein unserer Menschenwürde und unserer Menschen-Vollkommenheit. Das Stückchen Erde, welches der Falke überschaut, war so unendlich klein gegen die unermeßliche Gedankenwelt, die wir im Kopfe herumtrugen! Wir mußten durch die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universität Michigan: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |