Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.darzustellen, als es ihnen bei der materiellen gelungen ist? Wir wissen, daß der Börsenwolf selbst keinen Glauben hat, daß er aber desselben bedarf, um den Staatsorganismus in derjenigen Art und Weise zu erhalten, die für seine Exploitation die vortheilhafteste ist. Sollten die Blasenträgerstaaten, die wir in jeder Beziehung so hoch civilisirt fanden, sollten sie in diesem Punkte schon Proudhon vorausgeeilt sein und jenen Faden zerrissen haben, der das Göttliche mit dem Staate verknüpft? Sollten sie schon bei jenem Abgrunde sittlicher Verworfenheit angekommen sein, wo man nicht mehr den Opfermuth des Glaubens, sondern denjenigen des Unglaubens anruft und wo man den Vorzug des denkenden Wesens darein setzt, sich für dasjenige zu opfern, was man nicht glaubt und von dem man überzeugt ist, daß es sich nicht realisiren läßt? Es war freilich noch eine bequeme Zeit für Propheten, als man eine Ueberzeugung haben und für dieselbe auf dem Schaffot oder am Kreuze sterben konnte. Eine Ueberzeugung - ist sie heut zu Tage noch möglich? - Wir haben das Martyrium analysirt und sind allmälig zu der Ansicht gekommen, daß eine lebende Kraft in unserem Zeitalter, welches die überirdischen Kräfte unter sein Fernrohr und unter sein Mikroscop gebannt hat, mehr werth ist, als hundert Geister, die aus allen möglichen Höhen auf uns niederschauen und ihren Nachfolgern Beifall zuwinken. Das ist freilich sehr ärgerlich, da es unser Wörterbuch einer ganzen Menge effektvoller Phrasen beraubt, welche unsere Gegner, freilich mit stets abnehmendem Erfolge, benutzen können. Wir müssen dieß Uebel zu ertragen suchen. Vielleicht, daß es nöthig ist, um dem mystischen Drange zu genügen, eine neue Religion in dieser Richtung zu stiften, darzustellen, als es ihnen bei der materiellen gelungen ist? Wir wissen, daß der Börsenwolf selbst keinen Glauben hat, daß er aber desselben bedarf, um den Staatsorganismus in derjenigen Art und Weise zu erhalten, die für seine Exploitation die vortheilhafteste ist. Sollten die Blasenträgerstaaten, die wir in jeder Beziehung so hoch civilisirt fanden, sollten sie in diesem Punkte schon Proudhon vorausgeeilt sein und jenen Faden zerrissen haben, der das Göttliche mit dem Staate verknüpft? Sollten sie schon bei jenem Abgrunde sittlicher Verworfenheit angekommen sein, wo man nicht mehr den Opfermuth des Glaubens, sondern denjenigen des Unglaubens anruft und wo man den Vorzug des denkenden Wesens darein setzt, sich für dasjenige zu opfern, was man nicht glaubt und von dem man überzeugt ist, daß es sich nicht realisiren läßt? Es war freilich noch eine bequeme Zeit für Propheten, als man eine Ueberzeugung haben und für dieselbe auf dem Schaffot oder am Kreuze sterben konnte. Eine Ueberzeugung – ist sie heut zu Tage noch möglich? – Wir haben das Martyrium analysirt und sind allmälig zu der Ansicht gekommen, daß eine lebende Kraft in unserem Zeitalter, welches die überirdischen Kräfte unter sein Fernrohr und unter sein Mikroscop gebannt hat, mehr werth ist, als hundert Geister, die aus allen möglichen Höhen auf uns niederschauen und ihren Nachfolgern Beifall zuwinken. Das ist freilich sehr ärgerlich, da es unser Wörterbuch einer ganzen Menge effektvoller Phrasen beraubt, welche unsere Gegner, freilich mit stets abnehmendem Erfolge, benutzen können. Wir müssen dieß Uebel zu ertragen suchen. Vielleicht, daß es nöthig ist, um dem mystischen Drange zu genügen, eine neue Religion in dieser Richtung zu stiften, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0268" n="238"/> darzustellen, als es ihnen bei der materiellen gelungen ist? Wir wissen, daß der Börsenwolf selbst keinen Glauben hat, daß er aber desselben bedarf, um den Staatsorganismus in derjenigen Art und Weise zu erhalten, die für seine Exploitation die vortheilhafteste ist. Sollten die Blasenträgerstaaten, die wir in jeder Beziehung so hoch civilisirt fanden, sollten sie in diesem Punkte schon Proudhon vorausgeeilt sein und jenen Faden zerrissen haben, der das Göttliche mit dem Staate verknüpft? Sollten sie schon bei jenem Abgrunde sittlicher Verworfenheit angekommen sein, wo man nicht mehr den Opfermuth des Glaubens, sondern denjenigen des Unglaubens anruft und wo man den Vorzug des denkenden Wesens darein setzt, sich für dasjenige zu opfern, was man nicht glaubt und von dem man überzeugt ist, daß es sich nicht realisiren läßt? Es war freilich noch eine bequeme Zeit für Propheten, als man eine Ueberzeugung haben und für dieselbe auf dem Schaffot oder am Kreuze sterben konnte. Eine Ueberzeugung – ist sie heut zu Tage noch möglich? – Wir haben das Martyrium analysirt und sind allmälig zu der Ansicht gekommen, daß eine lebende Kraft in unserem Zeitalter, welches die überirdischen Kräfte unter sein Fernrohr und unter sein Mikroscop gebannt hat, mehr werth ist, als hundert Geister, die aus allen möglichen Höhen auf uns niederschauen und ihren Nachfolgern Beifall zuwinken. Das ist freilich sehr ärgerlich, da es unser Wörterbuch einer ganzen Menge effektvoller Phrasen beraubt, welche unsere Gegner, freilich mit stets abnehmendem Erfolge, benutzen können. Wir müssen dieß Uebel zu ertragen suchen. Vielleicht, daß es nöthig ist, um dem mystischen Drange zu genügen, eine neue Religion in dieser Richtung zu stiften, </p> </div> </body> </text> </TEI> [238/0268]
darzustellen, als es ihnen bei der materiellen gelungen ist? Wir wissen, daß der Börsenwolf selbst keinen Glauben hat, daß er aber desselben bedarf, um den Staatsorganismus in derjenigen Art und Weise zu erhalten, die für seine Exploitation die vortheilhafteste ist. Sollten die Blasenträgerstaaten, die wir in jeder Beziehung so hoch civilisirt fanden, sollten sie in diesem Punkte schon Proudhon vorausgeeilt sein und jenen Faden zerrissen haben, der das Göttliche mit dem Staate verknüpft? Sollten sie schon bei jenem Abgrunde sittlicher Verworfenheit angekommen sein, wo man nicht mehr den Opfermuth des Glaubens, sondern denjenigen des Unglaubens anruft und wo man den Vorzug des denkenden Wesens darein setzt, sich für dasjenige zu opfern, was man nicht glaubt und von dem man überzeugt ist, daß es sich nicht realisiren läßt? Es war freilich noch eine bequeme Zeit für Propheten, als man eine Ueberzeugung haben und für dieselbe auf dem Schaffot oder am Kreuze sterben konnte. Eine Ueberzeugung – ist sie heut zu Tage noch möglich? – Wir haben das Martyrium analysirt und sind allmälig zu der Ansicht gekommen, daß eine lebende Kraft in unserem Zeitalter, welches die überirdischen Kräfte unter sein Fernrohr und unter sein Mikroscop gebannt hat, mehr werth ist, als hundert Geister, die aus allen möglichen Höhen auf uns niederschauen und ihren Nachfolgern Beifall zuwinken. Das ist freilich sehr ärgerlich, da es unser Wörterbuch einer ganzen Menge effektvoller Phrasen beraubt, welche unsere Gegner, freilich mit stets abnehmendem Erfolge, benutzen können. Wir müssen dieß Uebel zu ertragen suchen. Vielleicht, daß es nöthig ist, um dem mystischen Drange zu genügen, eine neue Religion in dieser Richtung zu stiften,
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