Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.als nahe ein Schneesturm. Ich wollte umkehren, mich verbergen. "Folge mir," rief mein Führer, "du laufst keine Gefahr. Halte dich nur dicht an mir!" - Je näher ich kam, desto seltsamer erschienen mir die Wolken über den Berggipfeln. Es bewegte sich darin, es kochte und dampfte, wirbelte und wogte - ich glaubte einzelne Pünktchen, ja selbst Gestalten in dem wallenden Grau zu unterscheiden. Ein eigenthümliches Rauschen und Knistern erfüllte die Luft. Es wurde dunkel - obgleich es Mittagszeit war. Jetzt unterschied ich in dem Gewoge Körper, Flügel, Beine. Es rauschte und schwirrte um mich her, wie in einer von Wasserrädern getriebenen Fabrik. Ich war in einem unermeßlichen Schwarme von Thieren! Kaum konnte ich vorwärts fliegen, so dichtgeschlossen waren die Reihen, welche uns entgegen kamen. Hunderte stießen an mich an. Oft war ich in Gefahr, durch das heftige Anprallen der Thiere zu Boden gestürzt zu werden. Ermüdet setzte ich mich auf das Horn eines Rhinoceros, welches mit uns in gleicher Richtung vorwärts eilte. Jedes Schnauben aus den Nüstern dieses Kolosses warf Hunderte zu Boden, jeder Fußtritt zerquetschte Hunderte. Eine Viertelstunde mochten wir uns so durch die Wolke von Insekten durchgearbeitet haben, als es endlich heller wurde. Das Nashorn athmete freier - nur einzelne Nachzügler belästigten uns noch. Ich sah mich nach meinem Freunde um. Er saß hinter dem Ohre des Nashorns. Wir flogen auf einen Baum in der Nähe, dessen kaum eben noch dichtbelaubte Zweige jetzt nackt und kahl, wie Besenreiser, in die Luft ragten. "Um Gottes Willen, Freund," rief ich, indem ich mir mit meinen blättrigen Fühlhörnern Luft zufächelte, "wie entsetzlich! Was für Heere sind dieß, deren zerstörendem als nahe ein Schneesturm. Ich wollte umkehren, mich verbergen. „Folge mir,“ rief mein Führer, „du laufst keine Gefahr. Halte dich nur dicht an mir!“ – Je näher ich kam, desto seltsamer erschienen mir die Wolken über den Berggipfeln. Es bewegte sich darin, es kochte und dampfte, wirbelte und wogte – ich glaubte einzelne Pünktchen, ja selbst Gestalten in dem wallenden Grau zu unterscheiden. Ein eigenthümliches Rauschen und Knistern erfüllte die Luft. Es wurde dunkel – obgleich es Mittagszeit war. Jetzt unterschied ich in dem Gewoge Körper, Flügel, Beine. Es rauschte und schwirrte um mich her, wie in einer von Wasserrädern getriebenen Fabrik. Ich war in einem unermeßlichen Schwarme von Thieren! Kaum konnte ich vorwärts fliegen, so dichtgeschlossen waren die Reihen, welche uns entgegen kamen. Hunderte stießen an mich an. Oft war ich in Gefahr, durch das heftige Anprallen der Thiere zu Boden gestürzt zu werden. Ermüdet setzte ich mich auf das Horn eines Rhinoceros, welches mit uns in gleicher Richtung vorwärts eilte. Jedes Schnauben aus den Nüstern dieses Kolosses warf Hunderte zu Boden, jeder Fußtritt zerquetschte Hunderte. Eine Viertelstunde mochten wir uns so durch die Wolke von Insekten durchgearbeitet haben, als es endlich heller wurde. Das Nashorn athmete freier – nur einzelne Nachzügler belästigten uns noch. Ich sah mich nach meinem Freunde um. Er saß hinter dem Ohre des Nashorns. Wir flogen auf einen Baum in der Nähe, dessen kaum eben noch dichtbelaubte Zweige jetzt nackt und kahl, wie Besenreiser, in die Luft ragten. „Um Gottes Willen, Freund,“ rief ich, indem ich mir mit meinen blättrigen Fühlhörnern Luft zufächelte, „wie entsetzlich! Was für Heere sind dieß, deren zerstörendem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0180" n="152"/> als nahe ein Schneesturm. Ich wollte umkehren, mich verbergen. „Folge mir,“ rief mein Führer, „du laufst keine Gefahr. Halte dich nur dicht an mir!“ – Je näher ich kam, desto seltsamer erschienen mir die Wolken über den Berggipfeln. Es bewegte sich darin, es kochte und dampfte, wirbelte und wogte – ich glaubte einzelne Pünktchen, ja selbst Gestalten in dem wallenden Grau zu unterscheiden. Ein eigenthümliches Rauschen und Knistern erfüllte die Luft. Es wurde dunkel – obgleich es Mittagszeit war. Jetzt unterschied ich in dem Gewoge Körper, Flügel, Beine. Es rauschte und schwirrte um mich her, wie in einer von Wasserrädern getriebenen Fabrik. Ich war in einem unermeßlichen Schwarme von Thieren! Kaum konnte ich vorwärts fliegen, so dichtgeschlossen waren die Reihen, welche uns entgegen kamen. Hunderte stießen an mich an. Oft war ich in Gefahr, durch das heftige Anprallen der Thiere zu Boden gestürzt zu werden. Ermüdet setzte ich mich auf das Horn eines Rhinoceros, welches mit uns in gleicher Richtung vorwärts eilte. Jedes Schnauben aus den Nüstern dieses Kolosses warf Hunderte zu Boden, jeder Fußtritt zerquetschte Hunderte. Eine Viertelstunde mochten wir uns so durch die Wolke von Insekten durchgearbeitet haben, als es endlich heller wurde. Das Nashorn athmete freier – nur einzelne Nachzügler belästigten uns noch. Ich sah mich nach meinem Freunde um. Er saß hinter dem Ohre des Nashorns. Wir flogen auf einen Baum in der Nähe, dessen kaum eben noch dichtbelaubte Zweige jetzt nackt und kahl, wie Besenreiser, in die Luft ragten.</p> <p>„Um Gottes Willen, Freund,“ rief ich, indem ich mir mit meinen blättrigen Fühlhörnern Luft zufächelte, „wie entsetzlich! Was für Heere sind dieß, deren zerstörendem </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [152/0180]
als nahe ein Schneesturm. Ich wollte umkehren, mich verbergen. „Folge mir,“ rief mein Führer, „du laufst keine Gefahr. Halte dich nur dicht an mir!“ – Je näher ich kam, desto seltsamer erschienen mir die Wolken über den Berggipfeln. Es bewegte sich darin, es kochte und dampfte, wirbelte und wogte – ich glaubte einzelne Pünktchen, ja selbst Gestalten in dem wallenden Grau zu unterscheiden. Ein eigenthümliches Rauschen und Knistern erfüllte die Luft. Es wurde dunkel – obgleich es Mittagszeit war. Jetzt unterschied ich in dem Gewoge Körper, Flügel, Beine. Es rauschte und schwirrte um mich her, wie in einer von Wasserrädern getriebenen Fabrik. Ich war in einem unermeßlichen Schwarme von Thieren! Kaum konnte ich vorwärts fliegen, so dichtgeschlossen waren die Reihen, welche uns entgegen kamen. Hunderte stießen an mich an. Oft war ich in Gefahr, durch das heftige Anprallen der Thiere zu Boden gestürzt zu werden. Ermüdet setzte ich mich auf das Horn eines Rhinoceros, welches mit uns in gleicher Richtung vorwärts eilte. Jedes Schnauben aus den Nüstern dieses Kolosses warf Hunderte zu Boden, jeder Fußtritt zerquetschte Hunderte. Eine Viertelstunde mochten wir uns so durch die Wolke von Insekten durchgearbeitet haben, als es endlich heller wurde. Das Nashorn athmete freier – nur einzelne Nachzügler belästigten uns noch. Ich sah mich nach meinem Freunde um. Er saß hinter dem Ohre des Nashorns. Wir flogen auf einen Baum in der Nähe, dessen kaum eben noch dichtbelaubte Zweige jetzt nackt und kahl, wie Besenreiser, in die Luft ragten.
„Um Gottes Willen, Freund,“ rief ich, indem ich mir mit meinen blättrigen Fühlhörnern Luft zufächelte, „wie entsetzlich! Was für Heere sind dieß, deren zerstörendem
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