pen, die sich wechselseitig bedingen und so ein Ganzes darstellen, was man mit dem Namen der Fauna einer Gegend bezeichnet. So wird man leicht erkennen, daß die Verbreitungsbezirke des Rennthieres, des Vielfraßes, des blauen Fuchses und des weißen Bären mit einander in einer gewissen Beziehung stehen und daß diese Thiere vorzugsweise eine Thierbevölkerung charakterisiren, welche wir mit dem Namen der Fauna der Polarzone bezeichnen können. So wird man finden, daß die ganze Ordnung der Vierhänder, Affen und Halbaffen, sich inner- halb des Verbreitungsbezirkes der Palmen hält und nirgends densel- ben überschreitet, daß mit den Affen auf der einen Hälfte des Con- tinentes die großen Dickhäuter, Elephant und Nashorn, auf der andern Tapire, Pekari's und ähnliche Thiere der Tropen in Beziehung stehen, und daß diese Tropenfaunen in Amerika noch besonders durch die zahn- armen Säugethiere, in Neuholland durch die mannigfaltigen Formen der Beutelthiere ausgezeichnet sind. Jedoch muß vor Allem darauf aufmerksam gemacht werden, daß eine solche Gruppirung zu einer Fauna niemals eine absolute Gränze zeigt, indem jede Art einen ab- weichenden Verbreitungsbezirk hat, so daß an den Gränzen namentlich vielfache Uebergriffe und Einkeilungen vorkommen. So streift der bengalische Tiger z. B. bis nach Sibirien hin und tritt so aus dem tropischen Klima, dessen eigentlicher Bewohner er ist, heraus, während der Wolf zuweilen bis weit nach Süden hin vordringt. Wenn wir deßhalb bestimmte Faunen abgränzen, so geschieht dieß stets nur in approximativer Weise und man darf aus unserer Abgränzung nament- lich nicht schließen, daß die Physiognomie der Thierbevölkerung mit einem Schlage, wie beim Ueberschreiten einer Gränze sich ändere. Nur dann, wenn Continente durch weite Meere, Binnenseen durch weite Landstrecken getrennt sind, finden plötzliche Umänderungen der Faunen statt, während im Gegentheile bei Erstreckung kleiner Meere oder Continente die Physiognomie nur allmälig ändert, indem häufige Arten allmälig seltener werden und endlich ganz aufhören, während sie durch andere ersetzt werden. Durch diese Verhältnisse bestimmt, hat man häufig versucht, für jede Art ein bestimmtes Heimathszentrum zu konstruiren, von welchem aus sie sich nach und nach über weitere Flächen ausgedehnt haben sollte, eine Ansicht, die von den Thatsachen durchaus nicht unterstützt wird, indem die Verbreitungsbezirke meist mehr gürtelförmige Zonen darstellen und dann auch einer solchen Ver- breitung namentlich bei Süßwasserthieren physische Schwierigkeiten entgegenstehen, welche unlösbar sind. So würde es unmöglich sein für die Karpfen und Hechte oder die Forellen, welche die süßen Ge-
Vogt. Zoologische Briefe. II. 37
pen, die ſich wechſelſeitig bedingen und ſo ein Ganzes darſtellen, was man mit dem Namen der Fauna einer Gegend bezeichnet. So wird man leicht erkennen, daß die Verbreitungsbezirke des Rennthieres, des Vielfraßes, des blauen Fuchſes und des weißen Bären mit einander in einer gewiſſen Beziehung ſtehen und daß dieſe Thiere vorzugsweiſe eine Thierbevölkerung charakteriſiren, welche wir mit dem Namen der Fauna der Polarzone bezeichnen können. So wird man finden, daß die ganze Ordnung der Vierhänder, Affen und Halbaffen, ſich inner- halb des Verbreitungsbezirkes der Palmen hält und nirgends denſel- ben überſchreitet, daß mit den Affen auf der einen Hälfte des Con- tinentes die großen Dickhäuter, Elephant und Nashorn, auf der andern Tapire, Pekari’s und ähnliche Thiere der Tropen in Beziehung ſtehen, und daß dieſe Tropenfaunen in Amerika noch beſonders durch die zahn- armen Säugethiere, in Neuholland durch die mannigfaltigen Formen der Beutelthiere ausgezeichnet ſind. Jedoch muß vor Allem darauf aufmerkſam gemacht werden, daß eine ſolche Gruppirung zu einer Fauna niemals eine abſolute Gränze zeigt, indem jede Art einen ab- weichenden Verbreitungsbezirk hat, ſo daß an den Gränzen namentlich vielfache Uebergriffe und Einkeilungen vorkommen. So ſtreift der bengaliſche Tiger z. B. bis nach Sibirien hin und tritt ſo aus dem tropiſchen Klima, deſſen eigentlicher Bewohner er iſt, heraus, während der Wolf zuweilen bis weit nach Süden hin vordringt. Wenn wir deßhalb beſtimmte Faunen abgränzen, ſo geſchieht dieß ſtets nur in approximativer Weiſe und man darf aus unſerer Abgränzung nament- lich nicht ſchließen, daß die Phyſiognomie der Thierbevölkerung mit einem Schlage, wie beim Ueberſchreiten einer Gränze ſich ändere. Nur dann, wenn Continente durch weite Meere, Binnenſeen durch weite Landſtrecken getrennt ſind, finden plötzliche Umänderungen der Faunen ſtatt, während im Gegentheile bei Erſtreckung kleiner Meere oder Continente die Phyſiognomie nur allmälig ändert, indem häufige Arten allmälig ſeltener werden und endlich ganz aufhören, während ſie durch andere erſetzt werden. Durch dieſe Verhältniſſe beſtimmt, hat man häufig verſucht, für jede Art ein beſtimmtes Heimathszentrum zu konſtruiren, von welchem aus ſie ſich nach und nach über weitere Flächen ausgedehnt haben ſollte, eine Anſicht, die von den Thatſachen durchaus nicht unterſtützt wird, indem die Verbreitungsbezirke meiſt mehr gürtelförmige Zonen darſtellen und dann auch einer ſolchen Ver- breitung namentlich bei Süßwaſſerthieren phyſiſche Schwierigkeiten entgegenſtehen, welche unlösbar ſind. So würde es unmöglich ſein für die Karpfen und Hechte oder die Forellen, welche die ſüßen Ge-
Vogt. Zoologiſche Briefe. II. 37
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pen, die ſich wechſelſeitig bedingen und ſo ein Ganzes darſtellen, was
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man leicht erkennen, daß die Verbreitungsbezirke des Rennthieres, des
Vielfraßes, des blauen Fuchſes und des weißen Bären mit einander
in einer gewiſſen Beziehung ſtehen und daß dieſe Thiere vorzugsweiſe
eine Thierbevölkerung charakteriſiren, welche wir mit dem Namen der
Fauna der Polarzone bezeichnen können. So wird man finden, daß
die ganze Ordnung der Vierhänder, Affen und Halbaffen, ſich inner-
halb des Verbreitungsbezirkes der Palmen hält und nirgends denſel-
ben überſchreitet, daß mit den Affen auf der einen Hälfte des Con-
tinentes die großen Dickhäuter, Elephant und Nashorn, auf der andern
Tapire, Pekari’s und ähnliche Thiere der Tropen in Beziehung ſtehen,
und daß dieſe Tropenfaunen in Amerika noch beſonders durch die zahn-
armen Säugethiere, in Neuholland durch die mannigfaltigen Formen
der Beutelthiere ausgezeichnet ſind. Jedoch muß vor Allem darauf
aufmerkſam gemacht werden, daß eine ſolche Gruppirung zu einer
Fauna niemals eine abſolute Gränze zeigt, indem jede Art einen ab-
weichenden Verbreitungsbezirk hat, ſo daß an den Gränzen namentlich
vielfache Uebergriffe und Einkeilungen vorkommen. So ſtreift der
bengaliſche Tiger z. B. bis nach Sibirien hin und tritt ſo aus dem
tropiſchen Klima, deſſen eigentlicher Bewohner er iſt, heraus, während
der Wolf zuweilen bis weit nach Süden hin vordringt. Wenn wir
deßhalb beſtimmte Faunen abgränzen, ſo geſchieht dieß ſtets nur in
approximativer Weiſe und man darf aus unſerer Abgränzung nament-
lich nicht ſchließen, daß die Phyſiognomie der Thierbevölkerung mit
einem Schlage, wie beim Ueberſchreiten einer Gränze ſich ändere.
Nur dann, wenn Continente durch weite Meere, Binnenſeen durch
weite Landſtrecken getrennt ſind, finden plötzliche Umänderungen der
Faunen ſtatt, während im Gegentheile bei Erſtreckung kleiner Meere
oder Continente die Phyſiognomie nur allmälig ändert, indem häufige
Arten allmälig ſeltener werden und endlich ganz aufhören, während
ſie durch andere erſetzt werden. Durch dieſe Verhältniſſe beſtimmt,
hat man häufig verſucht, für jede Art ein beſtimmtes Heimathszentrum
zu konſtruiren, von welchem aus ſie ſich nach und nach über weitere
Flächen ausgedehnt haben ſollte, eine Anſicht, die von den Thatſachen
durchaus nicht unterſtützt wird, indem die Verbreitungsbezirke meiſt
mehr gürtelförmige Zonen darſtellen und dann auch einer ſolchen Ver-
breitung namentlich bei Süßwaſſerthieren phyſiſche Schwierigkeiten
entgegenſtehen, welche unlösbar ſind. So würde es unmöglich ſein
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/583>, abgerufen am 22.11.2024.
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