Wenn wir demnach zugestehen, daß durch die Vermischung der Arten im Großen die mannigfaltigsten Modificationen der ursprüng- lichen Struktur und völlig neue Bastardbildungen ganzer Völkerstämme erzeugt werden können, so müssen wir auf der andern Seite den Ein- fluß der Klimate auf ein höchst geringes Maaß zurückführen. Man hat sich unendliche Mühe gegeben, durch Schlüsse der Analogie, welche auf die Erzeugung von Rassen bei den Hausthieren gegründet waren, die Möglichkeit zu beweisen, daß die Unterschiede der einzelnen Men- schenarten durch klimatische und davon abhängige Einflüsse erzeugt seyn können; aber es ist bis jetzt unmöglich gewesen, auch nur die mindeste Thatsache von einiger Bedeutung hierfür aufzufinden. Es ist gelungen, in verhältnißmäßig kurzer Zeit durch besonderes Auslesen der Mutterthiere, durch eigenthümliche Fütterung und Behandlung besondere sich fortpflanzende Hausthierrassen zu erzeugen, aber es ist nicht gelungen, irgend eine erhebliche Aenderung der Menschenarten, die in andere Klimate versetzt wurden, zu beobachten. Während Pferde und Schweine, nach Amerika eingeführt, dort unter dem Ein- flusse des Klimas wohl charakterisirte, constante Rassen mit spezifischen Abweichungen erzeugt haben, stehen sich noch heute die Abkömmlinge der Eroberer, der Indianer und der ersten eingebrachten Neger mit derselben Schärfe der Charaktere gegenüber, wie an dem ersten Tage ihres Zusammentreffens, so daß also dieselbe Quantität der klimati- schen Einflüsse, welche den Hausthieren einen gewissen Stempel auf- drücken konnte, an dem Menschen spurlos vorüberging. Wem die Länge der Zeit bei dem beregten Beispiele nicht genügen sollte, der möge sich nach Egypten wenden, wo bekannte hieroglyphische Darstel- lungen die arbeitenden Juden aus der vormosaischen Zeit, die Neger und die koptischen Ureinwohner Egyptens mit denselben Charakteren darstellen, mit welchen wir sie heut noch kennen. Die Einwirkungen des Klimas erstrecken sich demnach bei dem Menschen, soweit konstatirte Thatsachen reichen, nur auf die Mehrung oder Minderung der In- tensität der Hautfarbe, nicht aber auf andere wesentliche Charakere. Wir wissen noch von keinem Volke, dessen Schädeltypus oder Haarbau durch das Klima verändert worden wäre und können uns hierbei auf Analogieen gar nicht stützen, da jede Thierart in Beziehung hierauf in sehr verschiedener Weise impressionabel ist: während die Einen sehr leicht Farbe und Constitution des Haares ändern, erscheinen die anderen in allen Klimaten unter denselben Verhältnissen und man kann daher als Thatsache, als allgemeine Regel aufstellen, daß diejenigen
Wenn wir demnach zugeſtehen, daß durch die Vermiſchung der Arten im Großen die mannigfaltigſten Modificationen der urſprüng- lichen Struktur und völlig neue Baſtardbildungen ganzer Völkerſtämme erzeugt werden können, ſo müſſen wir auf der andern Seite den Ein- fluß der Klimate auf ein höchſt geringes Maaß zurückführen. Man hat ſich unendliche Mühe gegeben, durch Schlüſſe der Analogie, welche auf die Erzeugung von Raſſen bei den Hausthieren gegründet waren, die Möglichkeit zu beweiſen, daß die Unterſchiede der einzelnen Men- ſchenarten durch klimatiſche und davon abhängige Einflüſſe erzeugt ſeyn können; aber es iſt bis jetzt unmöglich geweſen, auch nur die mindeſte Thatſache von einiger Bedeutung hierfür aufzufinden. Es iſt gelungen, in verhältnißmäßig kurzer Zeit durch beſonderes Ausleſen der Mutterthiere, durch eigenthümliche Fütterung und Behandlung beſondere ſich fortpflanzende Hausthierraſſen zu erzeugen, aber es iſt nicht gelungen, irgend eine erhebliche Aenderung der Menſchenarten, die in andere Klimate verſetzt wurden, zu beobachten. Während Pferde und Schweine, nach Amerika eingeführt, dort unter dem Ein- fluſſe des Klimas wohl charakteriſirte, conſtante Raſſen mit ſpezifiſchen Abweichungen erzeugt haben, ſtehen ſich noch heute die Abkömmlinge der Eroberer, der Indianer und der erſten eingebrachten Neger mit derſelben Schärfe der Charaktere gegenüber, wie an dem erſten Tage ihres Zuſammentreffens, ſo daß alſo dieſelbe Quantität der klimati- ſchen Einflüſſe, welche den Hausthieren einen gewiſſen Stempel auf- drücken konnte, an dem Menſchen ſpurlos vorüberging. Wem die Länge der Zeit bei dem beregten Beiſpiele nicht genügen ſollte, der möge ſich nach Egypten wenden, wo bekannte hieroglyphiſche Darſtel- lungen die arbeitenden Juden aus der vormoſaiſchen Zeit, die Neger und die koptiſchen Ureinwohner Egyptens mit denſelben Charakteren darſtellen, mit welchen wir ſie heut noch kennen. Die Einwirkungen des Klimas erſtrecken ſich demnach bei dem Menſchen, ſoweit konſtatirte Thatſachen reichen, nur auf die Mehrung oder Minderung der In- tenſität der Hautfarbe, nicht aber auf andere weſentliche Charakere. Wir wiſſen noch von keinem Volke, deſſen Schädeltypus oder Haarbau durch das Klima verändert worden wäre und können uns hierbei auf Analogieen gar nicht ſtützen, da jede Thierart in Beziehung hierauf in ſehr verſchiedener Weiſe impreſſionabel iſt: während die Einen ſehr leicht Farbe und Conſtitution des Haares ändern, erſcheinen die anderen in allen Klimaten unter denſelben Verhältniſſen und man kann daher als Thatſache, als allgemeine Regel aufſtellen, daß diejenigen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><pbfacs="#f0557"n="551"/><p>Wenn wir demnach zugeſtehen, daß durch die Vermiſchung der<lb/>
Arten im Großen die mannigfaltigſten Modificationen der urſprüng-<lb/>
lichen Struktur und völlig neue Baſtardbildungen ganzer Völkerſtämme<lb/>
erzeugt werden können, ſo müſſen wir auf der andern Seite den Ein-<lb/>
fluß der Klimate auf ein höchſt geringes Maaß zurückführen. Man<lb/>
hat ſich unendliche Mühe gegeben, durch Schlüſſe der Analogie, welche<lb/>
auf die Erzeugung von Raſſen bei den Hausthieren gegründet waren,<lb/>
die Möglichkeit zu beweiſen, daß die Unterſchiede der einzelnen Men-<lb/>ſchenarten durch klimatiſche und davon abhängige Einflüſſe erzeugt<lb/>ſeyn können; aber es iſt bis jetzt unmöglich geweſen, auch nur die<lb/>
mindeſte Thatſache von einiger Bedeutung hierfür aufzufinden. Es<lb/>
iſt gelungen, in verhältnißmäßig kurzer Zeit durch beſonderes Ausleſen<lb/>
der Mutterthiere, durch eigenthümliche Fütterung und Behandlung<lb/>
beſondere ſich fortpflanzende Hausthierraſſen zu erzeugen, aber es iſt<lb/>
nicht gelungen, irgend eine erhebliche Aenderung der Menſchenarten,<lb/>
die in andere Klimate verſetzt wurden, zu beobachten. Während<lb/>
Pferde und Schweine, nach Amerika eingeführt, dort unter dem Ein-<lb/>
fluſſe des Klimas wohl charakteriſirte, conſtante Raſſen mit ſpezifiſchen<lb/>
Abweichungen erzeugt haben, ſtehen ſich noch heute die Abkömmlinge<lb/>
der Eroberer, der Indianer und der erſten eingebrachten Neger mit<lb/>
derſelben Schärfe der Charaktere gegenüber, wie an dem erſten Tage<lb/>
ihres Zuſammentreffens, ſo daß alſo dieſelbe Quantität der klimati-<lb/>ſchen Einflüſſe, welche den Hausthieren einen gewiſſen Stempel auf-<lb/>
drücken konnte, an dem Menſchen ſpurlos vorüberging. Wem die<lb/>
Länge der Zeit bei dem beregten Beiſpiele nicht genügen ſollte, der<lb/>
möge ſich nach Egypten wenden, wo bekannte hieroglyphiſche Darſtel-<lb/>
lungen die arbeitenden Juden aus der vormoſaiſchen Zeit, die Neger<lb/>
und die koptiſchen Ureinwohner Egyptens mit denſelben Charakteren<lb/>
darſtellen, mit welchen wir ſie heut noch kennen. Die Einwirkungen<lb/>
des Klimas erſtrecken ſich demnach bei dem Menſchen, ſoweit konſtatirte<lb/>
Thatſachen reichen, nur auf die Mehrung oder Minderung der In-<lb/>
tenſität der Hautfarbe, nicht aber auf andere weſentliche Charakere.<lb/>
Wir wiſſen noch von keinem Volke, deſſen Schädeltypus oder Haarbau<lb/>
durch das Klima verändert worden wäre und können uns hierbei auf<lb/>
Analogieen gar nicht ſtützen, da jede Thierart in Beziehung hierauf<lb/>
in ſehr verſchiedener Weiſe impreſſionabel iſt: während die Einen<lb/>ſehr leicht Farbe und Conſtitution des Haares ändern, erſcheinen die<lb/>
anderen in allen Klimaten unter denſelben Verhältniſſen und man<lb/>
kann daher als Thatſache, als allgemeine Regel aufſtellen, daß diejenigen<lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[551/0557]
Wenn wir demnach zugeſtehen, daß durch die Vermiſchung der
Arten im Großen die mannigfaltigſten Modificationen der urſprüng-
lichen Struktur und völlig neue Baſtardbildungen ganzer Völkerſtämme
erzeugt werden können, ſo müſſen wir auf der andern Seite den Ein-
fluß der Klimate auf ein höchſt geringes Maaß zurückführen. Man
hat ſich unendliche Mühe gegeben, durch Schlüſſe der Analogie, welche
auf die Erzeugung von Raſſen bei den Hausthieren gegründet waren,
die Möglichkeit zu beweiſen, daß die Unterſchiede der einzelnen Men-
ſchenarten durch klimatiſche und davon abhängige Einflüſſe erzeugt
ſeyn können; aber es iſt bis jetzt unmöglich geweſen, auch nur die
mindeſte Thatſache von einiger Bedeutung hierfür aufzufinden. Es
iſt gelungen, in verhältnißmäßig kurzer Zeit durch beſonderes Ausleſen
der Mutterthiere, durch eigenthümliche Fütterung und Behandlung
beſondere ſich fortpflanzende Hausthierraſſen zu erzeugen, aber es iſt
nicht gelungen, irgend eine erhebliche Aenderung der Menſchenarten,
die in andere Klimate verſetzt wurden, zu beobachten. Während
Pferde und Schweine, nach Amerika eingeführt, dort unter dem Ein-
fluſſe des Klimas wohl charakteriſirte, conſtante Raſſen mit ſpezifiſchen
Abweichungen erzeugt haben, ſtehen ſich noch heute die Abkömmlinge
der Eroberer, der Indianer und der erſten eingebrachten Neger mit
derſelben Schärfe der Charaktere gegenüber, wie an dem erſten Tage
ihres Zuſammentreffens, ſo daß alſo dieſelbe Quantität der klimati-
ſchen Einflüſſe, welche den Hausthieren einen gewiſſen Stempel auf-
drücken konnte, an dem Menſchen ſpurlos vorüberging. Wem die
Länge der Zeit bei dem beregten Beiſpiele nicht genügen ſollte, der
möge ſich nach Egypten wenden, wo bekannte hieroglyphiſche Darſtel-
lungen die arbeitenden Juden aus der vormoſaiſchen Zeit, die Neger
und die koptiſchen Ureinwohner Egyptens mit denſelben Charakteren
darſtellen, mit welchen wir ſie heut noch kennen. Die Einwirkungen
des Klimas erſtrecken ſich demnach bei dem Menſchen, ſoweit konſtatirte
Thatſachen reichen, nur auf die Mehrung oder Minderung der In-
tenſität der Hautfarbe, nicht aber auf andere weſentliche Charakere.
Wir wiſſen noch von keinem Volke, deſſen Schädeltypus oder Haarbau
durch das Klima verändert worden wäre und können uns hierbei auf
Analogieen gar nicht ſtützen, da jede Thierart in Beziehung hierauf
in ſehr verſchiedener Weiſe impreſſionabel iſt: während die Einen
ſehr leicht Farbe und Conſtitution des Haares ändern, erſcheinen die
anderen in allen Klimaten unter denſelben Verhältniſſen und man
kann daher als Thatſache, als allgemeine Regel aufſtellen, daß diejenigen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/557>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.