Die Ordnung der Zweihänder tritt in der Erdgeschichte erst mit den neuesten Bewohnern des Planeten auf und obgleich man vielfach das Gegentheil behauptet hat, so kann man doch jetzt als erwiesene Thatsache annehmen, daß noch keine menschlichen Ueberreste aufgefun- den worden sind, welche bis in die Zeit der Höhlenbären und der Diluvialablagerungen, geschweige denn in frühere geologische Epochen hinaufragten. Alle menschlichen Ueberreste, welche man in Höhlen und Felsenklüften unter Resten fossiler Thiere fand, haben sich als spätere Beimischungen erwiesen, die theils durch die Sitte älterer Völker, ihre Todten in Höhlen zu begraben, theils durch Ueberschwem- mungen und ähnliche Zufälle an ihren jetzigen Lagerort geriethen. Ebenso sind die Erzählungen von riesengroßen Knochen unserer Ur- väter, welche hier und da vorgefunden sein sollten, in so fern ins Fabelreich verwiesen, als diese Knochen nicht Menschen, sondern rie- sigen Thieren, gewöhnlich Elephanten, Mastodonten, Nashörnern und Nilpferden, welche in der Diluvialzeit Europa bewohnten, angehörten. Die wenigen, wirklich versteinerten Menschenknochen, welche man bis jetzt an einzelnen Küsten, wie namentlich bei Guadeloupe, entdeckt hat, liegen allerdings in festem Kalksteine, der sich aber an denselben Meeresküsten noch unter unsern Augen bildet, wie denn auch diese Skelette von Muscheln, Schnecken und Polypen umgeben sind, welche der jetzigen Bevölkerung der dortigen See angehören, also unzweifel- haft beweisen, daß auch die Skelette erst in unserer jetzigen Epoche von der Kalkmasse umhüllt wurden.
Der Mensch ist nicht, wie die meisten Thiere, auf ein mehr oder minder beschränktes Klima der Erde angewiesen, er haust im Gegen- theile überall auf dem Festlande, wo thierisches Leben möglich ist, von der Nähe des Pols bis zu dem Aequator. Schon diese ungemeine Verbreitung der Gattung über die ganze Fläche der bewohnbaren Erde muß uns aufmerksam machen, daß wir es hier nicht mit einer einzi- gen Art, sondern mit mehreren, einer Gattung zugehörenden Arten zu thun haben, die etwa in ähnlicher Weise, wie die verschiedenen Arten der Katzen- oder Hundegattung über die Erde verbreitet sind, so daß jede einen mehr oder minder scharf begränzten Wohnsitz hat. In der That giebt es keine dem Menschen als Hausthier angehörige Thierart, welche in gleicher Weise wie er verbreitet wäre. Alle haben entweder nach dem Norden oder nach dem Süden hin eine Gränze, über welche sie nicht hinausgehen.
Die Ordnung der Zweihänder tritt in der Erdgeſchichte erſt mit den neueſten Bewohnern des Planeten auf und obgleich man vielfach das Gegentheil behauptet hat, ſo kann man doch jetzt als erwieſene Thatſache annehmen, daß noch keine menſchlichen Ueberreſte aufgefun- den worden ſind, welche bis in die Zeit der Höhlenbären und der Diluvialablagerungen, geſchweige denn in frühere geologiſche Epochen hinaufragten. Alle menſchlichen Ueberreſte, welche man in Höhlen und Felſenklüften unter Reſten foſſiler Thiere fand, haben ſich als ſpätere Beimiſchungen erwieſen, die theils durch die Sitte älterer Völker, ihre Todten in Höhlen zu begraben, theils durch Ueberſchwem- mungen und ähnliche Zufälle an ihren jetzigen Lagerort geriethen. Ebenſo ſind die Erzählungen von rieſengroßen Knochen unſerer Ur- väter, welche hier und da vorgefunden ſein ſollten, in ſo fern ins Fabelreich verwieſen, als dieſe Knochen nicht Menſchen, ſondern rie- ſigen Thieren, gewöhnlich Elephanten, Maſtodonten, Nashörnern und Nilpferden, welche in der Diluvialzeit Europa bewohnten, angehörten. Die wenigen, wirklich verſteinerten Menſchenknochen, welche man bis jetzt an einzelnen Küſten, wie namentlich bei Guadeloupe, entdeckt hat, liegen allerdings in feſtem Kalkſteine, der ſich aber an denſelben Meeresküſten noch unter unſern Augen bildet, wie denn auch dieſe Skelette von Muſcheln, Schnecken und Polypen umgeben ſind, welche der jetzigen Bevölkerung der dortigen See angehören, alſo unzweifel- haft beweiſen, daß auch die Skelette erſt in unſerer jetzigen Epoche von der Kalkmaſſe umhüllt wurden.
Der Menſch iſt nicht, wie die meiſten Thiere, auf ein mehr oder minder beſchränktes Klima der Erde angewieſen, er haust im Gegen- theile überall auf dem Feſtlande, wo thieriſches Leben möglich iſt, von der Nähe des Pols bis zu dem Aequator. Schon dieſe ungemeine Verbreitung der Gattung über die ganze Fläche der bewohnbaren Erde muß uns aufmerkſam machen, daß wir es hier nicht mit einer einzi- gen Art, ſondern mit mehreren, einer Gattung zugehörenden Arten zu thun haben, die etwa in ähnlicher Weiſe, wie die verſchiedenen Arten der Katzen- oder Hundegattung über die Erde verbreitet ſind, ſo daß jede einen mehr oder minder ſcharf begränzten Wohnſitz hat. In der That giebt es keine dem Menſchen als Hausthier angehörige Thierart, welche in gleicher Weiſe wie er verbreitet wäre. Alle haben entweder nach dem Norden oder nach dem Süden hin eine Gränze, über welche ſie nicht hinausgehen.
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Die Ordnung der Zweihänder tritt in der Erdgeſchichte erſt mit
den neueſten Bewohnern des Planeten auf und obgleich man vielfach
das Gegentheil behauptet hat, ſo kann man doch jetzt als erwieſene
Thatſache annehmen, daß noch keine menſchlichen Ueberreſte aufgefun-
den worden ſind, welche bis in die Zeit der Höhlenbären und der
Diluvialablagerungen, geſchweige denn in frühere geologiſche Epochen
hinaufragten. Alle menſchlichen Ueberreſte, welche man in Höhlen
und Felſenklüften unter Reſten foſſiler Thiere fand, haben ſich als
ſpätere Beimiſchungen erwieſen, die theils durch die Sitte älterer
Völker, ihre Todten in Höhlen zu begraben, theils durch Ueberſchwem-
mungen und ähnliche Zufälle an ihren jetzigen Lagerort geriethen.
Ebenſo ſind die Erzählungen von rieſengroßen Knochen unſerer Ur-
väter, welche hier und da vorgefunden ſein ſollten, in ſo fern ins
Fabelreich verwieſen, als dieſe Knochen nicht Menſchen, ſondern rie-
ſigen Thieren, gewöhnlich Elephanten, Maſtodonten, Nashörnern und
Nilpferden, welche in der Diluvialzeit Europa bewohnten, angehörten.
Die wenigen, wirklich verſteinerten Menſchenknochen, welche man bis
jetzt an einzelnen Küſten, wie namentlich bei Guadeloupe, entdeckt
hat, liegen allerdings in feſtem Kalkſteine, der ſich aber an denſelben
Meeresküſten noch unter unſern Augen bildet, wie denn auch dieſe
Skelette von Muſcheln, Schnecken und Polypen umgeben ſind, welche
der jetzigen Bevölkerung der dortigen See angehören, alſo unzweifel-
haft beweiſen, daß auch die Skelette erſt in unſerer jetzigen Epoche
von der Kalkmaſſe umhüllt wurden.
Der Menſch iſt nicht, wie die meiſten Thiere, auf ein mehr oder
minder beſchränktes Klima der Erde angewieſen, er haust im Gegen-
theile überall auf dem Feſtlande, wo thieriſches Leben möglich iſt, von
der Nähe des Pols bis zu dem Aequator. Schon dieſe ungemeine
Verbreitung der Gattung über die ganze Fläche der bewohnbaren Erde
muß uns aufmerkſam machen, daß wir es hier nicht mit einer einzi-
gen Art, ſondern mit mehreren, einer Gattung zugehörenden Arten
zu thun haben, die etwa in ähnlicher Weiſe, wie die verſchiedenen
Arten der Katzen- oder Hundegattung über die Erde verbreitet ſind,
ſo daß jede einen mehr oder minder ſcharf begränzten Wohnſitz hat.
In der That giebt es keine dem Menſchen als Hausthier angehörige
Thierart, welche in gleicher Weiſe wie er verbreitet wäre. Alle haben
entweder nach dem Norden oder nach dem Süden hin eine Gränze,
über welche ſie nicht hinausgehen.
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/554>, abgerufen am 22.11.2024.
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