Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

schwerfälligem Körperbaue gebildet, welche durch ihre Charaktere
den Uebergang von der vorigen Familie zu der folgenden bil-
den. Der Schädel ist kurz, breit, plump, die Kiefer stark
und nur mit einfachen Backzähnen bewaffnet, welche einen säu-
lenförmigen Schmelzcylinder zeigen. Aeußerst charakteristisch ist
an dem kräftigen Jochbogen ein langer, blattförmiger Fortsatz, der
nach unten über den Unterkiefer hinübergreift und auch bei den Faul-
thieren vorkömmt, wie denn überhaupt der ganze Schädelbau dieser
Thiere demjenigen der pflanzenfressenden Faulthiere sich anschließt,
während der Bau der Extremitäten vielmehr dem der insektenfressenden
Gürtelthiere sich nähert. Die Füße sind nämlich kurz, Oberarm- und
Oberschenkelbein fast breiter als lang, die Zehen verwachsen, die
äußeren verkümmert, die inneren mit langen Krallen bewaffnet; der
Schwanz ziemlich lang, kräftig, das Becken außerordentlich breit und
platt. Die Thiere treten, wie alle übrigen Zahnlosen, mit dem äuße-
ren Rande der Füße auf, zeichnen sich aber vor den vorigen Familien
noch dadurch aus, daß an dem Vorderfuße die Speiche beweglich ist
und um ihre Achse gerollt werden kann, eine Eigenthümlichkeit, welche
auch den Faulthieren zukommt und die eine Bewegung des Vorder-
fußes in ähnlicher Weise wie ein Arm gestattet. Die Haut dieser
kolossalen Thiere, die die Masse eines Elephanten zum Theil erreichten,
besaß keinen Panzer, wie man früher glaubte. Megatherium; Mega-
lonyx; Mylodon; Scelidotherium; Platyonyx
.

[Abbildung] Fig. 1413.

Der Ai (Bradypus tridactylus).

Die Familie der Faulthiere (Bradypoda) kommt durch den kur-
zen, fast kugeligen Kopf, die kurzen und hohen Kiefer, den über den
Unterkiefer herabsteigenden Fortsatz des Jochbeines, mit der vorigen
überein, übertrifft sie aber durch größere Beweglichkeit der Speiche

ſchwerfälligem Körperbaue gebildet, welche durch ihre Charaktere
den Uebergang von der vorigen Familie zu der folgenden bil-
den. Der Schädel iſt kurz, breit, plump, die Kiefer ſtark
und nur mit einfachen Backzähnen bewaffnet, welche einen ſäu-
lenförmigen Schmelzcylinder zeigen. Aeußerſt charakteriſtiſch iſt
an dem kräftigen Jochbogen ein langer, blattförmiger Fortſatz, der
nach unten über den Unterkiefer hinübergreift und auch bei den Faul-
thieren vorkömmt, wie denn überhaupt der ganze Schädelbau dieſer
Thiere demjenigen der pflanzenfreſſenden Faulthiere ſich anſchließt,
während der Bau der Extremitäten vielmehr dem der inſektenfreſſenden
Gürtelthiere ſich nähert. Die Füße ſind nämlich kurz, Oberarm- und
Oberſchenkelbein faſt breiter als lang, die Zehen verwachſen, die
äußeren verkümmert, die inneren mit langen Krallen bewaffnet; der
Schwanz ziemlich lang, kräftig, das Becken außerordentlich breit und
platt. Die Thiere treten, wie alle übrigen Zahnloſen, mit dem äuße-
ren Rande der Füße auf, zeichnen ſich aber vor den vorigen Familien
noch dadurch aus, daß an dem Vorderfuße die Speiche beweglich iſt
und um ihre Achſe gerollt werden kann, eine Eigenthümlichkeit, welche
auch den Faulthieren zukommt und die eine Bewegung des Vorder-
fußes in ähnlicher Weiſe wie ein Arm geſtattet. Die Haut dieſer
koloſſalen Thiere, die die Maſſe eines Elephanten zum Theil erreichten,
beſaß keinen Panzer, wie man früher glaubte. Megatherium; Mega-
lonyx; Mylodon; Scelidotherium; Platyonyx
.

[Abbildung] Fig. 1413.

Der Ai (Bradypus tridactylus).

Die Familie der Faulthiere (Bradypoda) kommt durch den kur-
zen, faſt kugeligen Kopf, die kurzen und hohen Kiefer, den über den
Unterkiefer herabſteigenden Fortſatz des Jochbeines, mit der vorigen
überein, übertrifft ſie aber durch größere Beweglichkeit der Speiche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0490" n="484"/>
&#x017F;chwerfälligem Körperbaue gebildet, welche durch ihre Charaktere<lb/>
den Uebergang von der vorigen Familie zu der folgenden bil-<lb/>
den. Der Schädel i&#x017F;t kurz, breit, plump, die Kiefer &#x017F;tark<lb/>
und nur mit einfachen Backzähnen bewaffnet, welche einen &#x017F;äu-<lb/>
lenförmigen Schmelzcylinder zeigen. Aeußer&#x017F;t charakteri&#x017F;ti&#x017F;ch i&#x017F;t<lb/>
an dem kräftigen Jochbogen ein langer, blattförmiger Fort&#x017F;atz, der<lb/>
nach unten über den Unterkiefer hinübergreift und auch bei den Faul-<lb/>
thieren vorkömmt, wie denn überhaupt der ganze Schädelbau die&#x017F;er<lb/>
Thiere demjenigen der pflanzenfre&#x017F;&#x017F;enden Faulthiere &#x017F;ich an&#x017F;chließt,<lb/>
während der Bau der Extremitäten vielmehr dem der in&#x017F;ektenfre&#x017F;&#x017F;enden<lb/>
Gürtelthiere &#x017F;ich nähert. Die Füße &#x017F;ind nämlich kurz, Oberarm- und<lb/>
Ober&#x017F;chenkelbein fa&#x017F;t breiter als lang, die Zehen verwach&#x017F;en, die<lb/>
äußeren verkümmert, die inneren mit langen Krallen bewaffnet; der<lb/>
Schwanz ziemlich lang, kräftig, das Becken außerordentlich breit und<lb/>
platt. Die Thiere treten, wie alle übrigen Zahnlo&#x017F;en, mit dem äuße-<lb/>
ren Rande der Füße auf, zeichnen &#x017F;ich aber vor den vorigen Familien<lb/>
noch dadurch aus, daß an dem Vorderfuße die Speiche beweglich i&#x017F;t<lb/>
und um ihre Ach&#x017F;e gerollt werden kann, eine Eigenthümlichkeit, welche<lb/>
auch den Faulthieren zukommt und die eine Bewegung des Vorder-<lb/>
fußes in ähnlicher Wei&#x017F;e wie ein Arm ge&#x017F;tattet. Die Haut die&#x017F;er<lb/>
kolo&#x017F;&#x017F;alen Thiere, die die Ma&#x017F;&#x017F;e eines Elephanten zum Theil erreichten,<lb/>
be&#x017F;aß keinen Panzer, wie man früher glaubte. <hi rendition="#aq">Megatherium; Mega-<lb/>
lonyx; Mylodon; Scelidotherium; Platyonyx</hi>.</p><lb/>
                  <figure>
                    <head>Fig. 1413.</head><lb/>
                    <p>Der Ai <hi rendition="#aq">(Bradypus tridactylus)</hi>.</p>
                  </figure><lb/>
                  <p>Die Familie der <hi rendition="#b">Faulthiere</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(Bradypoda)</hi></hi> kommt durch den kur-<lb/>
zen, fa&#x017F;t kugeligen Kopf, die kurzen und hohen Kiefer, den über den<lb/>
Unterkiefer herab&#x017F;teigenden Fort&#x017F;atz des Jochbeines, mit der vorigen<lb/>
überein, übertrifft &#x017F;ie aber durch größere Beweglichkeit der Speiche<lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[484/0490] ſchwerfälligem Körperbaue gebildet, welche durch ihre Charaktere den Uebergang von der vorigen Familie zu der folgenden bil- den. Der Schädel iſt kurz, breit, plump, die Kiefer ſtark und nur mit einfachen Backzähnen bewaffnet, welche einen ſäu- lenförmigen Schmelzcylinder zeigen. Aeußerſt charakteriſtiſch iſt an dem kräftigen Jochbogen ein langer, blattförmiger Fortſatz, der nach unten über den Unterkiefer hinübergreift und auch bei den Faul- thieren vorkömmt, wie denn überhaupt der ganze Schädelbau dieſer Thiere demjenigen der pflanzenfreſſenden Faulthiere ſich anſchließt, während der Bau der Extremitäten vielmehr dem der inſektenfreſſenden Gürtelthiere ſich nähert. Die Füße ſind nämlich kurz, Oberarm- und Oberſchenkelbein faſt breiter als lang, die Zehen verwachſen, die äußeren verkümmert, die inneren mit langen Krallen bewaffnet; der Schwanz ziemlich lang, kräftig, das Becken außerordentlich breit und platt. Die Thiere treten, wie alle übrigen Zahnloſen, mit dem äuße- ren Rande der Füße auf, zeichnen ſich aber vor den vorigen Familien noch dadurch aus, daß an dem Vorderfuße die Speiche beweglich iſt und um ihre Achſe gerollt werden kann, eine Eigenthümlichkeit, welche auch den Faulthieren zukommt und die eine Bewegung des Vorder- fußes in ähnlicher Weiſe wie ein Arm geſtattet. Die Haut dieſer koloſſalen Thiere, die die Maſſe eines Elephanten zum Theil erreichten, beſaß keinen Panzer, wie man früher glaubte. Megatherium; Mega- lonyx; Mylodon; Scelidotherium; Platyonyx. [Abbildung Fig. 1413. Der Ai (Bradypus tridactylus). ] Die Familie der Faulthiere (Bradypoda) kommt durch den kur- zen, faſt kugeligen Kopf, die kurzen und hohen Kiefer, den über den Unterkiefer herabſteigenden Fortſatz des Jochbeines, mit der vorigen überein, übertrifft ſie aber durch größere Beweglichkeit der Speiche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/490
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/490>, abgerufen am 22.11.2024.