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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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es zeigt sich auch in dieser Beziehung eine merkwürdige Ausbildung
der Typen, indem die dem Menschen zunächst stehende Ordnung der
Affen zwar in allen Schichten der Tertiärgebilde, aber dort nur äußerst
spärlich vorkommen und die hauptsächliche Entwicklung dieser zahl-
reichen Ordnung einzig der jetzigen Epoche angehört.

Die Classifikation der Säugethiere ist von jeher ein Gegenstand
vielfacher Erörterung und mannigfachen Streites gewesen, zumal hin-
sichtlich der Ordnung, in welcher man die einzelnen Gruppen einzu-
reihen pflegte, sowie hinsichtlich des relativen Werthes, welchen man
diesen verschiedenen Gruppen beilegte. Wir unterscheiden bei ihnen
vor allen Dingen zwei Unterklassen, die wesentlich auf die Struktur
der Geschlechtsorgane und die Fortpflanzung gegründet sind und zwei
Reihen bilden, welche zwar an Zahl und Reichthum der Formen
außerordentlich verschieden sind, aber dennoch fast überall analoge
Typen darbieten. Bei der einen Unterklasse, den Säugethieren
ohne Mutterkuchen
oder den Didelphen (Aplacentaria)
bildet sich niemals ein eigentlicher Mutterkuchen aus, das Ei entwickelt
sich im Inneren der weiblichen Geschlechtstheile bis zu einer gewissen
Stufe der Ausbildung des Embryos, welche bedeutend geringer ist,
als diejenige, in welcher die meisten anderen Säugethiere zur Welt
kommen. Das hülflose Junge wird meist in ganz eigenthümlicher
Weise festhängend an den Zitzen der Mutter durch die Milch derselben
bis zur Epoche der Selbstständigkeit ernährt. Der Mangel eines wah-
ren Mutterkuchens beruht darin, daß die Allantois sich zwar in Bla-
senform ausbildet, aber niemals eine solche Ausdehnung erreicht, daß
sie sich an die Wandungen der Gebärmutter anlegte und ihre Gefäße
mit den Uteringefäßen in Wechselwirkung träten. Das Ei und der
in ihm enthaltene Embryo werden demnach innerhalb der mütterlichen
Geschlechtstheile in ähnlicher Weise, wie die Jungen der meisten Knor-
pelfische durch Einsaugung der in den Organen enthaltenen Flüssig-
keiten ernährt, da die Dottermasse, welche dem Ei beigegeben ist, zwar
bedeutender ist, als bei den übrigen Säugethieren, aber dennoch nicht
wie bei den meisten eierlegenden Thieren zur Ausbildung des Embryos
hinreicht.

Eine zweite durchgreifende Verschiedenheit besteht in dem Mangel
des Schwielenkörpes (corpus callosum) dieser beträchtlichsten aller Com-

es zeigt ſich auch in dieſer Beziehung eine merkwürdige Ausbildung
der Typen, indem die dem Menſchen zunächſt ſtehende Ordnung der
Affen zwar in allen Schichten der Tertiärgebilde, aber dort nur äußerſt
ſpärlich vorkommen und die hauptſächliche Entwicklung dieſer zahl-
reichen Ordnung einzig der jetzigen Epoche angehört.

Die Claſſifikation der Säugethiere iſt von jeher ein Gegenſtand
vielfacher Erörterung und mannigfachen Streites geweſen, zumal hin-
ſichtlich der Ordnung, in welcher man die einzelnen Gruppen einzu-
reihen pflegte, ſowie hinſichtlich des relativen Werthes, welchen man
dieſen verſchiedenen Gruppen beilegte. Wir unterſcheiden bei ihnen
vor allen Dingen zwei Unterklaſſen, die weſentlich auf die Struktur
der Geſchlechtsorgane und die Fortpflanzung gegründet ſind und zwei
Reihen bilden, welche zwar an Zahl und Reichthum der Formen
außerordentlich verſchieden ſind, aber dennoch faſt überall analoge
Typen darbieten. Bei der einen Unterklaſſe, den Säugethieren
ohne Mutterkuchen
oder den Didelphen (Aplacentaria)
bildet ſich niemals ein eigentlicher Mutterkuchen aus, das Ei entwickelt
ſich im Inneren der weiblichen Geſchlechtstheile bis zu einer gewiſſen
Stufe der Ausbildung des Embryos, welche bedeutend geringer iſt,
als diejenige, in welcher die meiſten anderen Säugethiere zur Welt
kommen. Das hülfloſe Junge wird meiſt in ganz eigenthümlicher
Weiſe feſthängend an den Zitzen der Mutter durch die Milch derſelben
bis zur Epoche der Selbſtſtändigkeit ernährt. Der Mangel eines wah-
ren Mutterkuchens beruht darin, daß die Allantois ſich zwar in Bla-
ſenform ausbildet, aber niemals eine ſolche Ausdehnung erreicht, daß
ſie ſich an die Wandungen der Gebärmutter anlegte und ihre Gefäße
mit den Uteringefäßen in Wechſelwirkung träten. Das Ei und der
in ihm enthaltene Embryo werden demnach innerhalb der mütterlichen
Geſchlechtstheile in ähnlicher Weiſe, wie die Jungen der meiſten Knor-
pelfiſche durch Einſaugung der in den Organen enthaltenen Flüſſig-
keiten ernährt, da die Dottermaſſe, welche dem Ei beigegeben iſt, zwar
bedeutender iſt, als bei den übrigen Säugethieren, aber dennoch nicht
wie bei den meiſten eierlegenden Thieren zur Ausbildung des Embryos
hinreicht.

Eine zweite durchgreifende Verſchiedenheit beſteht in dem Mangel
des Schwielenkörpes (corpus callosum) dieſer beträchtlichſten aller Com-

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[429/0435] es zeigt ſich auch in dieſer Beziehung eine merkwürdige Ausbildung der Typen, indem die dem Menſchen zunächſt ſtehende Ordnung der Affen zwar in allen Schichten der Tertiärgebilde, aber dort nur äußerſt ſpärlich vorkommen und die hauptſächliche Entwicklung dieſer zahl- reichen Ordnung einzig der jetzigen Epoche angehört. Die Claſſifikation der Säugethiere iſt von jeher ein Gegenſtand vielfacher Erörterung und mannigfachen Streites geweſen, zumal hin- ſichtlich der Ordnung, in welcher man die einzelnen Gruppen einzu- reihen pflegte, ſowie hinſichtlich des relativen Werthes, welchen man dieſen verſchiedenen Gruppen beilegte. Wir unterſcheiden bei ihnen vor allen Dingen zwei Unterklaſſen, die weſentlich auf die Struktur der Geſchlechtsorgane und die Fortpflanzung gegründet ſind und zwei Reihen bilden, welche zwar an Zahl und Reichthum der Formen außerordentlich verſchieden ſind, aber dennoch faſt überall analoge Typen darbieten. Bei der einen Unterklaſſe, den Säugethieren ohne Mutterkuchen oder den Didelphen (Aplacentaria) bildet ſich niemals ein eigentlicher Mutterkuchen aus, das Ei entwickelt ſich im Inneren der weiblichen Geſchlechtstheile bis zu einer gewiſſen Stufe der Ausbildung des Embryos, welche bedeutend geringer iſt, als diejenige, in welcher die meiſten anderen Säugethiere zur Welt kommen. Das hülfloſe Junge wird meiſt in ganz eigenthümlicher Weiſe feſthängend an den Zitzen der Mutter durch die Milch derſelben bis zur Epoche der Selbſtſtändigkeit ernährt. Der Mangel eines wah- ren Mutterkuchens beruht darin, daß die Allantois ſich zwar in Bla- ſenform ausbildet, aber niemals eine ſolche Ausdehnung erreicht, daß ſie ſich an die Wandungen der Gebärmutter anlegte und ihre Gefäße mit den Uteringefäßen in Wechſelwirkung träten. Das Ei und der in ihm enthaltene Embryo werden demnach innerhalb der mütterlichen Geſchlechtstheile in ähnlicher Weiſe, wie die Jungen der meiſten Knor- pelfiſche durch Einſaugung der in den Organen enthaltenen Flüſſig- keiten ernährt, da die Dottermaſſe, welche dem Ei beigegeben iſt, zwar bedeutender iſt, als bei den übrigen Säugethieren, aber dennoch nicht wie bei den meiſten eierlegenden Thieren zur Ausbildung des Embryos hinreicht. Eine zweite durchgreifende Verſchiedenheit beſteht in dem Mangel des Schwielenkörpes (corpus callosum) dieſer beträchtlichſten aller Com-

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/435>, abgerufen am 22.11.2024.