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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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entwickelt ist. An dem vorderen Ende der Hemisphären finden sich
mit Ausnahme der Affen und der geruchlosen Walthiere kolbenför-
mige hohle Anschwellungen, die sogenannten Riechkolben, welche sich
in die Geruchnerven fortsetzen und die bei höherer Hirnentwicklung
nur dem Affen und dem Menschen fehlen. Von besonderer Bedeutung
erscheint noch die Ausbildung der Windungen, welche sich auf der
Oberfläche des Gehirnes bei den meisten Säugethieren zeigen; sie
fehlen nur den Kloakenthieren und den meisten raubenden Beutelthie-
ren, zeigen sich als höchst schwache Einsenkungen bei den meisten Na-
gern, Insektenfressern und Fledermäusen und gewinnen erst bei den
höheren Säugethieren größere Mannigfaltigkeit und Tiefe, obgleich sie
niemals die bei dem Menschen ausgeprägte Bildung erreichen. Viel-
leicht stehen diese Windungen in einer gewissen Beziehung zu den hö-
heren Geistesfunktionen, wo denn die Seehunde dem Menschen am
nächsten stehen würden, da sie bei diesen selbst noch mannigfaltiger,
als bei den Affen sind. Im Ganzen zeichnet sich das menschliche Ge-
hirn vor dem aller übrigen Säugethiere durch den beträchtlichsten Um-
fang aller zu den Gewölbtheilen gehörigen Theile, dem Hirnstamme
gegenüber, aus, so wie durch die vorwiegende Entwickelung des Vor-
derhirnes, welches nicht nur das ganze Mittelgehirn, sondern auch
einen Theil des kleinen Gehirnes bedeckt. Hinsichtlich der peripheri-
schen Nerven findet nur insofern eine wichtige Verschiedenheit statt,
als bei den Walthieren die Geruchnerven gänzlich fehlen, wenigstens
bei den Delphinen, den einzigen Thieren dieser Gruppe, bei welchen
bis jetzt genau Untersuchungen hierüber angestellt werden konnten.

Die Geruchsorgane sind überall nach demselben Typus ange-
ordnet, mit Ausnahme der Walthiere, bei welchen die Nasenhöhle, die
bald getheilt, bald unpaarig ist und durch Klappen oben wie unten
geschlossen werden kann, senkrecht von der Stirn in den Rachen hinab-
steigt und eigenthümliche Nebensäcke besitzt, welche zu dem Ausstoßen
der Athemluft in Beziehung zu stehen scheinen. Bei allen übrigen
Säugethieren liegen die Nasenhöhlen mehr horizontal und werden
durch eine halb knorpelige nach hinten zu knöcherne Scheidewand in
zwei Theile geschieden. Sie stehen nämlich mit ausgedehnten Neben-
höhlen in Verbindung, die sich theils in die Oberkiefer-, Gaumen-
und Flügelbeine, vor allen Dingen aber in die Stirnbeine erstrecken
und dort oft, wie beim Elephanten, bedeutende blasige Auftreibungen
erzeugen. Bei den durch Schärfe des Geruches ausgezeichneten Säu-
gethieren wird die Oberfläche der Nasenschleimhaut durch zahlreiche

entwickelt iſt. An dem vorderen Ende der Hemiſphären finden ſich
mit Ausnahme der Affen und der geruchloſen Walthiere kolbenför-
mige hohle Anſchwellungen, die ſogenannten Riechkolben, welche ſich
in die Geruchnerven fortſetzen und die bei höherer Hirnentwicklung
nur dem Affen und dem Menſchen fehlen. Von beſonderer Bedeutung
erſcheint noch die Ausbildung der Windungen, welche ſich auf der
Oberfläche des Gehirnes bei den meiſten Säugethieren zeigen; ſie
fehlen nur den Kloakenthieren und den meiſten raubenden Beutelthie-
ren, zeigen ſich als höchſt ſchwache Einſenkungen bei den meiſten Na-
gern, Inſektenfreſſern und Fledermäuſen und gewinnen erſt bei den
höheren Säugethieren größere Mannigfaltigkeit und Tiefe, obgleich ſie
niemals die bei dem Menſchen ausgeprägte Bildung erreichen. Viel-
leicht ſtehen dieſe Windungen in einer gewiſſen Beziehung zu den hö-
heren Geiſtesfunktionen, wo denn die Seehunde dem Menſchen am
nächſten ſtehen würden, da ſie bei dieſen ſelbſt noch mannigfaltiger,
als bei den Affen ſind. Im Ganzen zeichnet ſich das menſchliche Ge-
hirn vor dem aller übrigen Säugethiere durch den beträchtlichſten Um-
fang aller zu den Gewölbtheilen gehörigen Theile, dem Hirnſtamme
gegenüber, aus, ſo wie durch die vorwiegende Entwickelung des Vor-
derhirnes, welches nicht nur das ganze Mittelgehirn, ſondern auch
einen Theil des kleinen Gehirnes bedeckt. Hinſichtlich der peripheri-
ſchen Nerven findet nur inſofern eine wichtige Verſchiedenheit ſtatt,
als bei den Walthieren die Geruchnerven gänzlich fehlen, wenigſtens
bei den Delphinen, den einzigen Thieren dieſer Gruppe, bei welchen
bis jetzt genau Unterſuchungen hierüber angeſtellt werden konnten.

Die Geruchsorgane ſind überall nach demſelben Typus ange-
ordnet, mit Ausnahme der Walthiere, bei welchen die Naſenhöhle, die
bald getheilt, bald unpaarig iſt und durch Klappen oben wie unten
geſchloſſen werden kann, ſenkrecht von der Stirn in den Rachen hinab-
ſteigt und eigenthümliche Nebenſäcke beſitzt, welche zu dem Ausſtoßen
der Athemluft in Beziehung zu ſtehen ſcheinen. Bei allen übrigen
Säugethieren liegen die Naſenhöhlen mehr horizontal und werden
durch eine halb knorpelige nach hinten zu knöcherne Scheidewand in
zwei Theile geſchieden. Sie ſtehen nämlich mit ausgedehnten Neben-
höhlen in Verbindung, die ſich theils in die Oberkiefer-, Gaumen-
und Flügelbeine, vor allen Dingen aber in die Stirnbeine erſtrecken
und dort oft, wie beim Elephanten, bedeutende blaſige Auftreibungen
erzeugen. Bei den durch Schärfe des Geruches ausgezeichneten Säu-
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[406/0412] entwickelt iſt. An dem vorderen Ende der Hemiſphären finden ſich mit Ausnahme der Affen und der geruchloſen Walthiere kolbenför- mige hohle Anſchwellungen, die ſogenannten Riechkolben, welche ſich in die Geruchnerven fortſetzen und die bei höherer Hirnentwicklung nur dem Affen und dem Menſchen fehlen. Von beſonderer Bedeutung erſcheint noch die Ausbildung der Windungen, welche ſich auf der Oberfläche des Gehirnes bei den meiſten Säugethieren zeigen; ſie fehlen nur den Kloakenthieren und den meiſten raubenden Beutelthie- ren, zeigen ſich als höchſt ſchwache Einſenkungen bei den meiſten Na- gern, Inſektenfreſſern und Fledermäuſen und gewinnen erſt bei den höheren Säugethieren größere Mannigfaltigkeit und Tiefe, obgleich ſie niemals die bei dem Menſchen ausgeprägte Bildung erreichen. Viel- leicht ſtehen dieſe Windungen in einer gewiſſen Beziehung zu den hö- heren Geiſtesfunktionen, wo denn die Seehunde dem Menſchen am nächſten ſtehen würden, da ſie bei dieſen ſelbſt noch mannigfaltiger, als bei den Affen ſind. Im Ganzen zeichnet ſich das menſchliche Ge- hirn vor dem aller übrigen Säugethiere durch den beträchtlichſten Um- fang aller zu den Gewölbtheilen gehörigen Theile, dem Hirnſtamme gegenüber, aus, ſo wie durch die vorwiegende Entwickelung des Vor- derhirnes, welches nicht nur das ganze Mittelgehirn, ſondern auch einen Theil des kleinen Gehirnes bedeckt. Hinſichtlich der peripheri- ſchen Nerven findet nur inſofern eine wichtige Verſchiedenheit ſtatt, als bei den Walthieren die Geruchnerven gänzlich fehlen, wenigſtens bei den Delphinen, den einzigen Thieren dieſer Gruppe, bei welchen bis jetzt genau Unterſuchungen hierüber angeſtellt werden konnten. Die Geruchsorgane ſind überall nach demſelben Typus ange- ordnet, mit Ausnahme der Walthiere, bei welchen die Naſenhöhle, die bald getheilt, bald unpaarig iſt und durch Klappen oben wie unten geſchloſſen werden kann, ſenkrecht von der Stirn in den Rachen hinab- ſteigt und eigenthümliche Nebenſäcke beſitzt, welche zu dem Ausſtoßen der Athemluft in Beziehung zu ſtehen ſcheinen. Bei allen übrigen Säugethieren liegen die Naſenhöhlen mehr horizontal und werden durch eine halb knorpelige nach hinten zu knöcherne Scheidewand in zwei Theile geſchieden. Sie ſtehen nämlich mit ausgedehnten Neben- höhlen in Verbindung, die ſich theils in die Oberkiefer-, Gaumen- und Flügelbeine, vor allen Dingen aber in die Stirnbeine erſtrecken und dort oft, wie beim Elephanten, bedeutende blaſige Auftreibungen erzeugen. Bei den durch Schärfe des Geruches ausgezeichneten Säu- gethieren wird die Oberfläche der Naſenſchleimhaut durch zahlreiche

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/412>, abgerufen am 22.11.2024.