Die Wirbelsäule der Säugethiere läßt sich mit Ausnahme der wenigen Walthiere, welche keine Hintergliedmassen und deßhalb kein Kreuzbein besitzen, in Hals-, Rücken-, Lenden-, Kreuz- und Schwanz- wirbel unterscheiden. Ihre Körper sind nicht durch Gelenkflächen, sondern gewöhnlich durch zwischenliegende Faserbandmassen verbunden, welche durch ihre Elastizität die Beweglichkeit der Wirbelsäule vermit- teln. Der Halswirbel sind stets sieben, mit alleiniger Ausnahme eini- ger Arten von Faulthieren, bei welchen sich acht oder neun finden. Die Länge des Halses beruht nur auf der Länge der Wirbelkörper, nicht aber auf ihrer vermehrten Anzahl. Zuweilen und namentlich bei den Walthieren sind die Halswirbel unbeweglich mit einander ver- wachsen, doch läßt sich ihre Zahl stets durch die Bogen bestimmen. Der erste und zweite Halswirbel zeichnen sich durch besondere Gestalt und Verhältnisse sehr bedeutend aus. Die Rückenwirbel tragen unter allen Umständen Rippen, welche entweder durch Knorpel oder selten durch Knochen mit dem Brustbeine verbunden sind. Falsche Rip- pen nennt man diejenigen hinteren Rippen, welche nicht mit dem Brustbeine verbunden sind. Das Zahlenverhältniß zwischen beiden Arten von Rippen wechselt sehr und ebenso die Zahl der Rip- pen im Ganzen, welche von zehn bis zu drei und zwanzig schwan- ken kann. Die Lendenwirbel sind gewöhnlich am umfangreichsten, durch breite, große Querfortsätze ausgezeichnet, welche hier die Stelle der Rippen vertreten. Das Kreuzbein entsteht durch Ver- schmelzung von drei bis vier, selten von mehr Wirbeln, die sich unter einander und mit den Hüftbeinen zu der Bildung des Beckens verbinden. Den größten Wechsel in Bezug auf die Zahl bieten die Schwanzwirbel dar, die von vorn nach hinten an Größe abnehmen, zuletzt nur aus einfachen cylindrischen Körpern ohne Fortsätze und obere Bogen bestehen und deren Zahl zwischen vier bis sechsund- vierzig schwankt. Den meisten Einfluß auf die Gestalt des Körpers haben die oberen Dornfortsätze, welche besonders in der vorderen Halsgegend sehr schwach sind, nach hinten zu aber an Höhe zu- nehmen und gewöhnlich an den Rückenwirbeln am höchsten sind, wo sie dann den Widerrist bilden und dem elastischen Nackenbande, wel- ches den Kopf trägt und besonders bei den langhalsigen Säugethieren entwickelt ist, zum Stützpunkte dienen.
Die Extremitäten, deren höchstens vier vorhanden sind, zeigen manche Grade einer stufenweisen Entwickelung. Bei den nur im Was- ser lebenden Walthieren fehlen die hinteren Extremitäten ganz, wäh- rend die vorderen zu breiten Fischflossen umgestaltet sind; bei allen
Die Wirbelſäule der Säugethiere läßt ſich mit Ausnahme der wenigen Walthiere, welche keine Hintergliedmaſſen und deßhalb kein Kreuzbein beſitzen, in Hals-, Rücken-, Lenden-, Kreuz- und Schwanz- wirbel unterſcheiden. Ihre Körper ſind nicht durch Gelenkflächen, ſondern gewöhnlich durch zwiſchenliegende Faſerbandmaſſen verbunden, welche durch ihre Elaſtizität die Beweglichkeit der Wirbelſäule vermit- teln. Der Halswirbel ſind ſtets ſieben, mit alleiniger Ausnahme eini- ger Arten von Faulthieren, bei welchen ſich acht oder neun finden. Die Länge des Halſes beruht nur auf der Länge der Wirbelkörper, nicht aber auf ihrer vermehrten Anzahl. Zuweilen und namentlich bei den Walthieren ſind die Halswirbel unbeweglich mit einander ver- wachſen, doch läßt ſich ihre Zahl ſtets durch die Bogen beſtimmen. Der erſte und zweite Halswirbel zeichnen ſich durch beſondere Geſtalt und Verhältniſſe ſehr bedeutend aus. Die Rückenwirbel tragen unter allen Umſtänden Rippen, welche entweder durch Knorpel oder ſelten durch Knochen mit dem Bruſtbeine verbunden ſind. Falſche Rip- pen nennt man diejenigen hinteren Rippen, welche nicht mit dem Bruſtbeine verbunden ſind. Das Zahlenverhältniß zwiſchen beiden Arten von Rippen wechſelt ſehr und ebenſo die Zahl der Rip- pen im Ganzen, welche von zehn bis zu drei und zwanzig ſchwan- ken kann. Die Lendenwirbel ſind gewöhnlich am umfangreichſten, durch breite, große Querfortſätze ausgezeichnet, welche hier die Stelle der Rippen vertreten. Das Kreuzbein entſteht durch Ver- ſchmelzung von drei bis vier, ſelten von mehr Wirbeln, die ſich unter einander und mit den Hüftbeinen zu der Bildung des Beckens verbinden. Den größten Wechſel in Bezug auf die Zahl bieten die Schwanzwirbel dar, die von vorn nach hinten an Größe abnehmen, zuletzt nur aus einfachen cylindriſchen Körpern ohne Fortſätze und obere Bogen beſtehen und deren Zahl zwiſchen vier bis ſechsund- vierzig ſchwankt. Den meiſten Einfluß auf die Geſtalt des Körpers haben die oberen Dornfortſätze, welche beſonders in der vorderen Halsgegend ſehr ſchwach ſind, nach hinten zu aber an Höhe zu- nehmen und gewöhnlich an den Rückenwirbeln am höchſten ſind, wo ſie dann den Widerriſt bilden und dem elaſtiſchen Nackenbande, wel- ches den Kopf trägt und beſonders bei den langhalſigen Säugethieren entwickelt iſt, zum Stützpunkte dienen.
Die Extremitäten, deren höchſtens vier vorhanden ſind, zeigen manche Grade einer ſtufenweiſen Entwickelung. Bei den nur im Waſ- ſer lebenden Walthieren fehlen die hinteren Extremitäten ganz, wäh- rend die vorderen zu breiten Fiſchfloſſen umgeſtaltet ſind; bei allen
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Die Wirbelſäule der Säugethiere läßt ſich mit Ausnahme der
wenigen Walthiere, welche keine Hintergliedmaſſen und deßhalb kein
Kreuzbein beſitzen, in Hals-, Rücken-, Lenden-, Kreuz- und Schwanz-
wirbel unterſcheiden. Ihre Körper ſind nicht durch Gelenkflächen,
ſondern gewöhnlich durch zwiſchenliegende Faſerbandmaſſen verbunden,
welche durch ihre Elaſtizität die Beweglichkeit der Wirbelſäule vermit-
teln. Der Halswirbel ſind ſtets ſieben, mit alleiniger Ausnahme eini-
ger Arten von Faulthieren, bei welchen ſich acht oder neun finden.
Die Länge des Halſes beruht nur auf der Länge der Wirbelkörper,
nicht aber auf ihrer vermehrten Anzahl. Zuweilen und namentlich
bei den Walthieren ſind die Halswirbel unbeweglich mit einander ver-
wachſen, doch läßt ſich ihre Zahl ſtets durch die Bogen beſtimmen.
Der erſte und zweite Halswirbel zeichnen ſich durch beſondere Geſtalt
und Verhältniſſe ſehr bedeutend aus. Die Rückenwirbel tragen unter
allen Umſtänden Rippen, welche entweder durch Knorpel oder ſelten
durch Knochen mit dem Bruſtbeine verbunden ſind. Falſche Rip-
pen nennt man diejenigen hinteren Rippen, welche nicht mit dem
Bruſtbeine verbunden ſind. Das Zahlenverhältniß zwiſchen beiden
Arten von Rippen wechſelt ſehr und ebenſo die Zahl der Rip-
pen im Ganzen, welche von zehn bis zu drei und zwanzig ſchwan-
ken kann. Die Lendenwirbel ſind gewöhnlich am umfangreichſten,
durch breite, große Querfortſätze ausgezeichnet, welche hier die
Stelle der Rippen vertreten. Das Kreuzbein entſteht durch Ver-
ſchmelzung von drei bis vier, ſelten von mehr Wirbeln, die ſich
unter einander und mit den Hüftbeinen zu der Bildung des Beckens
verbinden. Den größten Wechſel in Bezug auf die Zahl bieten die
Schwanzwirbel dar, die von vorn nach hinten an Größe abnehmen,
zuletzt nur aus einfachen cylindriſchen Körpern ohne Fortſätze und
obere Bogen beſtehen und deren Zahl zwiſchen vier bis ſechsund-
vierzig ſchwankt. Den meiſten Einfluß auf die Geſtalt des Körpers
haben die oberen Dornfortſätze, welche beſonders in der vorderen
Halsgegend ſehr ſchwach ſind, nach hinten zu aber an Höhe zu-
nehmen und gewöhnlich an den Rückenwirbeln am höchſten ſind, wo
ſie dann den Widerriſt bilden und dem elaſtiſchen Nackenbande, wel-
ches den Kopf trägt und beſonders bei den langhalſigen Säugethieren
entwickelt iſt, zum Stützpunkte dienen.
Die Extremitäten, deren höchſtens vier vorhanden ſind, zeigen
manche Grade einer ſtufenweiſen Entwickelung. Bei den nur im Waſ-
ſer lebenden Walthieren fehlen die hinteren Extremitäten ganz, wäh-
rend die vorderen zu breiten Fiſchfloſſen umgeſtaltet ſind; bei allen
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/403>, abgerufen am 22.11.2024.
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