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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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indem die vier getrennten, fast gleich langen, mit starken Krallen
versehenen Zehen alle nach vorn gerichtet sind; doch kann die der
Hinterzehe entsprechende Zehe als Wendezehe auch nach außen und
hinten gedreht werden; die Läufe sind bis auf die Zehen hin gänzlich
befiedert. Sie nisten in Spalten und Ritzen von Mauern und Felsen
und können sich wegen ihrer langen Flügel nur schwer vom Boden
erheben. Bekannt sind die eßbaren Nester der den indischen Archipel
bewohnenden Salangane (Cypselus esculentus), die aus zerkautem
Tang bestehen, der durch den Kropfsaft zu einer gallertartigen Masse
verschmolzen ist und die man besonders zur Anfertigung von Kraft-
brühen benutzt. Cypselus; Acanthylis; Macropteryx.

Die Familie der Nachtschwalben (Caprimulgida) kommt in vielen

[Abbildung] Fig. 1243.

Kopf des Ziegenmelkers (Caprimulgus
europaeus)
.

Stücken mit den Mauerschwalben
überein, hat aber einen noch brei-
teren, flacheren Schnabel mit hakig
gebogener Spitze und einem unge-
mein weit gespaltenen Rachen, an
dessen Grunde lange, steife Bart-
borsten stehen. Der Daumen, der
gewöhnlich nach hinten gerichtet ist,
kann nach vorn gewendet werden, die übrigen Zehen sind durch eine
kurze Haut mit einander verbunden. Das Gefieder dieser Thiere ist
sehr locker und weich, grau und braun gezeichnet, ihr Flug durchaus
geräuschlos, wie der der Eulen; sie schlafen Tags über und fliegen
Abends meistens nach Insekten, eine südamerikanische Gattung auch
nach Früchten und Sämereien umher. Caprimulgus; Nyctibius; Stea-
tornis
.

Die Familie der Schopfhühner (Opisthocomida) wurde bisher
ihres Aussehens wegen allgemein zu den eigentlichen Hühnervögeln
gerechnet, unterscheidet sich aber von diesen wesentlich. Der Schnabel
ist kurz, zusammengedrückt, an der Firste gewölbt, der Kopf meist
mit einem Busche steifer Federn geziert; die Füße sind stark, kräftig,
die Zehen gänzlich von einander getrennt und die Hinterzehe bei
manchen Gattungen eine Wendezehe; der Lauf ist durchaus getäfelt,
vorn mit mehreren Reihen kleiner sechsseitiger Tafeln versehen, der
Kropf ist sehr groß, der Magen klein und kräftig muskulös; sie leben
in feuchten Ebenen und in Savanen, hauptsächlich von Sämereien.
Opisthocomus.


indem die vier getrennten, faſt gleich langen, mit ſtarken Krallen
verſehenen Zehen alle nach vorn gerichtet ſind; doch kann die der
Hinterzehe entſprechende Zehe als Wendezehe auch nach außen und
hinten gedreht werden; die Läufe ſind bis auf die Zehen hin gänzlich
befiedert. Sie niſten in Spalten und Ritzen von Mauern und Felſen
und können ſich wegen ihrer langen Flügel nur ſchwer vom Boden
erheben. Bekannt ſind die eßbaren Neſter der den indiſchen Archipel
bewohnenden Salangane (Cypselus esculentus), die aus zerkautem
Tang beſtehen, der durch den Kropfſaft zu einer gallertartigen Maſſe
verſchmolzen iſt und die man beſonders zur Anfertigung von Kraft-
brühen benutzt. Cypselus; Acanthylis; Macropteryx.

Die Familie der Nachtſchwalben (Caprimulgida) kommt in vielen

[Abbildung] Fig. 1243.

Kopf des Ziegenmelkers (Caprimulgus
europaeus)
.

Stücken mit den Mauerſchwalben
überein, hat aber einen noch brei-
teren, flacheren Schnabel mit hakig
gebogener Spitze und einem unge-
mein weit geſpaltenen Rachen, an
deſſen Grunde lange, ſteife Bart-
borſten ſtehen. Der Daumen, der
gewöhnlich nach hinten gerichtet iſt,
kann nach vorn gewendet werden, die übrigen Zehen ſind durch eine
kurze Haut mit einander verbunden. Das Gefieder dieſer Thiere iſt
ſehr locker und weich, grau und braun gezeichnet, ihr Flug durchaus
geräuſchlos, wie der der Eulen; ſie ſchlafen Tags über und fliegen
Abends meiſtens nach Inſekten, eine ſüdamerikaniſche Gattung auch
nach Früchten und Sämereien umher. Caprimulgus; Nyctibius; Stea-
tornis
.

Die Familie der Schopfhühner (Opisthocomida) wurde bisher
ihres Ausſehens wegen allgemein zu den eigentlichen Hühnervögeln
gerechnet, unterſcheidet ſich aber von dieſen weſentlich. Der Schnabel
iſt kurz, zuſammengedrückt, an der Firſte gewölbt, der Kopf meiſt
mit einem Buſche ſteifer Federn geziert; die Füße ſind ſtark, kräftig,
die Zehen gänzlich von einander getrennt und die Hinterzehe bei
manchen Gattungen eine Wendezehe; der Lauf iſt durchaus getäfelt,
vorn mit mehreren Reihen kleiner ſechsſeitiger Tafeln verſehen, der
Kropf iſt ſehr groß, der Magen klein und kräftig muskulös; ſie leben
in feuchten Ebenen und in Savanen, hauptſächlich von Sämereien.
Opisthocomus.


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[346/0352] indem die vier getrennten, faſt gleich langen, mit ſtarken Krallen verſehenen Zehen alle nach vorn gerichtet ſind; doch kann die der Hinterzehe entſprechende Zehe als Wendezehe auch nach außen und hinten gedreht werden; die Läufe ſind bis auf die Zehen hin gänzlich befiedert. Sie niſten in Spalten und Ritzen von Mauern und Felſen und können ſich wegen ihrer langen Flügel nur ſchwer vom Boden erheben. Bekannt ſind die eßbaren Neſter der den indiſchen Archipel bewohnenden Salangane (Cypselus esculentus), die aus zerkautem Tang beſtehen, der durch den Kropfſaft zu einer gallertartigen Maſſe verſchmolzen iſt und die man beſonders zur Anfertigung von Kraft- brühen benutzt. Cypselus; Acanthylis; Macropteryx. Die Familie der Nachtſchwalben (Caprimulgida) kommt in vielen [Abbildung Fig. 1243. Kopf des Ziegenmelkers (Caprimulgus europaeus).] Stücken mit den Mauerſchwalben überein, hat aber einen noch brei- teren, flacheren Schnabel mit hakig gebogener Spitze und einem unge- mein weit geſpaltenen Rachen, an deſſen Grunde lange, ſteife Bart- borſten ſtehen. Der Daumen, der gewöhnlich nach hinten gerichtet iſt, kann nach vorn gewendet werden, die übrigen Zehen ſind durch eine kurze Haut mit einander verbunden. Das Gefieder dieſer Thiere iſt ſehr locker und weich, grau und braun gezeichnet, ihr Flug durchaus geräuſchlos, wie der der Eulen; ſie ſchlafen Tags über und fliegen Abends meiſtens nach Inſekten, eine ſüdamerikaniſche Gattung auch nach Früchten und Sämereien umher. Caprimulgus; Nyctibius; Stea- tornis. Die Familie der Schopfhühner (Opisthocomida) wurde bisher ihres Ausſehens wegen allgemein zu den eigentlichen Hühnervögeln gerechnet, unterſcheidet ſich aber von dieſen weſentlich. Der Schnabel iſt kurz, zuſammengedrückt, an der Firſte gewölbt, der Kopf meiſt mit einem Buſche ſteifer Federn geziert; die Füße ſind ſtark, kräftig, die Zehen gänzlich von einander getrennt und die Hinterzehe bei manchen Gattungen eine Wendezehe; der Lauf iſt durchaus getäfelt, vorn mit mehreren Reihen kleiner ſechsſeitiger Tafeln verſehen, der Kropf iſt ſehr groß, der Magen klein und kräftig muskulös; ſie leben in feuchten Ebenen und in Savanen, hauptſächlich von Sämereien. Opisthocomus.

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/352>, abgerufen am 25.11.2024.