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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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Die Familie der Fliegenschnäpper (Muscicapida) umfaßt kleine

[Abbildung] Fig. 1223.

Der weißhalsige Fliegenschnäpper (Muscicapa
albicollis)
.

Singvögel mit breitem, niederge-
drücktem Schnabel, dessen Spitze
meist hakenförmig umgebogen und
hinter dieser Hakenspitze mit einer
Kerbe versehen ist. An der Basis
des Schnabels stehen gewöhnlich
starke, vorwärts gerichtete Borsten,
welche zuweilen zu einer Art Feder-
busch vereinigt sind. An den Flü-
geln finden sich stets zehn Hand-
schwingen, von denen die erste bedeutend kürzer, die dritte oder fünfte
gewöhnlich die längste ist. Der Lauf zeigt vorn Schuppentafeln, auf
der Seite Stiefelschienen. Das Gefieder ist meist seidenartig, selten
reich gefärbt. Die kleinen munteren Vögel leben in Hecken und Ge-
büschen und schnappen meist fliegende Insekten im Stoße weg, ohne
sie indeß in ähnlicher Weise zu jagen, wie dieß die Schwalben thun.
Die Arten der nördlichen und gemäßigten Gegenden ziehen im Winter
gegen Süden. Muscicapa; Muscipeta; Campephaga; Graucalus; Ce-
blepyris; Bombycilla
.

Die Familie der Würger (Lanida) zeichnet sich vor allen anderen

[Abbildung] Fig. 1224.

Der Neuntödter (Lanius collurio).

Singvögeln durch das grausame
Naturell aus, welches sie einiger-
maßen den Raubvögeln nähert. Die
starken und kräftigen Vögel nähren
sich hauptsächlich von Insekten, grei-
fen aber auch kleinere Vögel und
Säugethiere mit großem Muthe an
und haben von der Gewohnheit, die
im Vorrath getödtete Beute auf
Dornen aufzuspießen, den Volks-
namen Neuntödter erhalten. Der
Schnabel ist kräftig, seitlich zusammengedrückt, hakig umgebogen, scharf
zugespitzt und hinter der Spitze mit einem vorspringenden Zahne oder
einer scharfen Ecke versehen; an der Basis stehen starke, lange Bart-
borsten. Die Würger haben zehn Handschwingen, von denen die erste
zwar immer kürzer ist als die übrigen, aber dennoch oft eine bedeu-
tendere Länge erreicht, als dieß bei den übrigen Singvögeln der Fall
ist. Der Lauf ist vorn getäfelt, seitlich mit Stiefelschienen versehen,

Die Familie der Fliegenſchnäpper (Muscicapida) umfaßt kleine

[Abbildung] Fig. 1223.

Der weißhalſige Fliegenſchnäpper (Muscicapa
albicollis)
.

Singvögel mit breitem, niederge-
drücktem Schnabel, deſſen Spitze
meiſt hakenförmig umgebogen und
hinter dieſer Hakenſpitze mit einer
Kerbe verſehen iſt. An der Baſis
des Schnabels ſtehen gewöhnlich
ſtarke, vorwärts gerichtete Borſten,
welche zuweilen zu einer Art Feder-
buſch vereinigt ſind. An den Flü-
geln finden ſich ſtets zehn Hand-
ſchwingen, von denen die erſte bedeutend kürzer, die dritte oder fünfte
gewöhnlich die längſte iſt. Der Lauf zeigt vorn Schuppentafeln, auf
der Seite Stiefelſchienen. Das Gefieder iſt meiſt ſeidenartig, ſelten
reich gefärbt. Die kleinen munteren Vögel leben in Hecken und Ge-
büſchen und ſchnappen meiſt fliegende Inſekten im Stoße weg, ohne
ſie indeß in ähnlicher Weiſe zu jagen, wie dieß die Schwalben thun.
Die Arten der nördlichen und gemäßigten Gegenden ziehen im Winter
gegen Süden. Muscicapa; Muscipeta; Campephaga; Graucalus; Ce-
blepyris; Bombycilla
.

Die Familie der Würger (Lanida) zeichnet ſich vor allen anderen

[Abbildung] Fig. 1224.

Der Neuntödter (Lanius collurio).

Singvögeln durch das grauſame
Naturell aus, welches ſie einiger-
maßen den Raubvögeln nähert. Die
ſtarken und kräftigen Vögel nähren
ſich hauptſächlich von Inſekten, grei-
fen aber auch kleinere Vögel und
Säugethiere mit großem Muthe an
und haben von der Gewohnheit, die
im Vorrath getödtete Beute auf
Dornen aufzuſpießen, den Volks-
namen Neuntödter erhalten. Der
Schnabel iſt kräftig, ſeitlich zuſammengedrückt, hakig umgebogen, ſcharf
zugeſpitzt und hinter der Spitze mit einem vorſpringenden Zahne oder
einer ſcharfen Ecke verſehen; an der Baſis ſtehen ſtarke, lange Bart-
borſten. Die Würger haben zehn Handſchwingen, von denen die erſte
zwar immer kürzer iſt als die übrigen, aber dennoch oft eine bedeu-
tendere Länge erreicht, als dieß bei den übrigen Singvögeln der Fall
iſt. Der Lauf iſt vorn getäfelt, ſeitlich mit Stiefelſchienen verſehen,

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[333/0339] Die Familie der Fliegenſchnäpper (Muscicapida) umfaßt kleine [Abbildung Fig. 1223. Der weißhalſige Fliegenſchnäpper (Muscicapa albicollis).] Singvögel mit breitem, niederge- drücktem Schnabel, deſſen Spitze meiſt hakenförmig umgebogen und hinter dieſer Hakenſpitze mit einer Kerbe verſehen iſt. An der Baſis des Schnabels ſtehen gewöhnlich ſtarke, vorwärts gerichtete Borſten, welche zuweilen zu einer Art Feder- buſch vereinigt ſind. An den Flü- geln finden ſich ſtets zehn Hand- ſchwingen, von denen die erſte bedeutend kürzer, die dritte oder fünfte gewöhnlich die längſte iſt. Der Lauf zeigt vorn Schuppentafeln, auf der Seite Stiefelſchienen. Das Gefieder iſt meiſt ſeidenartig, ſelten reich gefärbt. Die kleinen munteren Vögel leben in Hecken und Ge- büſchen und ſchnappen meiſt fliegende Inſekten im Stoße weg, ohne ſie indeß in ähnlicher Weiſe zu jagen, wie dieß die Schwalben thun. Die Arten der nördlichen und gemäßigten Gegenden ziehen im Winter gegen Süden. Muscicapa; Muscipeta; Campephaga; Graucalus; Ce- blepyris; Bombycilla. Die Familie der Würger (Lanida) zeichnet ſich vor allen anderen [Abbildung Fig. 1224. Der Neuntödter (Lanius collurio).] Singvögeln durch das grauſame Naturell aus, welches ſie einiger- maßen den Raubvögeln nähert. Die ſtarken und kräftigen Vögel nähren ſich hauptſächlich von Inſekten, grei- fen aber auch kleinere Vögel und Säugethiere mit großem Muthe an und haben von der Gewohnheit, die im Vorrath getödtete Beute auf Dornen aufzuſpießen, den Volks- namen Neuntödter erhalten. Der Schnabel iſt kräftig, ſeitlich zuſammengedrückt, hakig umgebogen, ſcharf zugeſpitzt und hinter der Spitze mit einem vorſpringenden Zahne oder einer ſcharfen Ecke verſehen; an der Baſis ſtehen ſtarke, lange Bart- borſten. Die Würger haben zehn Handſchwingen, von denen die erſte zwar immer kürzer iſt als die übrigen, aber dennoch oft eine bedeu- tendere Länge erreicht, als dieß bei den übrigen Singvögeln der Fall iſt. Der Lauf iſt vorn getäfelt, ſeitlich mit Stiefelſchienen verſehen,

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/339>, abgerufen am 23.11.2024.