und das Zutragen der Nahrung beschäftigt die Alten von früh Mor- gens bis in die Nacht hinein. Bei den Anderen, den Nestflüchtern, sind die Jungen fast mit dem Verlassen der Eischale fähig, ihre Nah- rung zu suchen und stehen dann nur noch unter der Aufsicht der Eltern, welche ihnen die nöthige Anleitung geben.
Die Periodicität des Lebens ist nirgendwo auffallender als gerade in der Klasse der Vögel, bei welchen sie zu mancherlei Erscheinungen Veranlassung giebt. Das Federkleid wird namentlich in den gemäßig- ten und kalten Zonen regelmäßig zweimal im Jahre gewechselt und gewöhnlich sind die Farben, welche nach der Mauser erscheinen, ver- schieden, so daß man ein Sommerkleid und ein Winterkleid unterschei- det. Nimmt man hierzu die Thatsache, daß bei den meisten Vögeln die Verschiedenheit des Gefieders bei beiden Geschlechtern ziemlich be- deutend ist, daß das gewöhnlich größere und stärkere Männchen we- nigstens weit hellere und lebhaftere Farben, oft aber auch totale Ver- schiedenheiten zeigt, wie z. B. bei den Hühnern, Fasanen u. s. w., daß die jungen Vögel oft ein von den alten durchaus verschiedenes Kleid besitzen, so sieht man hieraus, daß Irrthümer hinsichtlich der Bestim- mung der Arten leicht geschehen können. In anderer Hinsicht giebt sich die Periodicität sehr lebhaft in der Lebensweise kund. Nur we- nige Vögel sind vollkommen stationär, so daß sie zu allen Jahreszeiten an demselben Orte vorhanden sind und da brüten, wo sie den Winter zubringen. Man hat die Vögel dieser Art Standvögel genannt. Die Strichvögel machen beschränkte Wanderungen in Gesellschaft, bleiben aber etwa in demselben Klima, wenn sie auch im Winter mehr südlich ziehen. Die Zugvögel endlich, wozu Störche, Schwalben, Wachteln u. s. w. gehören, unternehmen jährlich zweimal eine weite Reise, indem sie im Frühjahre nördlich ziehen, dort brüten und im Herbste mit den Jungen aufbrechen, um in südlichen Standorten den Winter zuzubringen. Unsere gemäßigten Gegenden bilden für viele höher im Norden brütende Vögel, wie für die wilden Gänse, die Seidenschwänze u. s. w. die südlichen Winterquartiere, während die Zugvögel unserer Zonen an den Küsten des Mittelmeeres und na- mentlich an der afrikanischen Küste den Winter zubringen. Aufbruch und Reise geschehen meistens in der Nacht; Tags vorher sieht man die Vögel aus einer ganzen Gegend an bestimmten Sammelplätzen sich vereinigen, bis plötzlich in einer Nacht die ganze Gesellschaft aufbricht. Diejenigen, welche über das Meer setzen, sammeln sich im Herbste an den südlichen Landspitzen an, wo sie einige Tage verweilen, um Kräfte
und das Zutragen der Nahrung beſchäftigt die Alten von früh Mor- gens bis in die Nacht hinein. Bei den Anderen, den Neſtflüchtern, ſind die Jungen faſt mit dem Verlaſſen der Eiſchale fähig, ihre Nah- rung zu ſuchen und ſtehen dann nur noch unter der Aufſicht der Eltern, welche ihnen die nöthige Anleitung geben.
Die Periodicität des Lebens iſt nirgendwo auffallender als gerade in der Klaſſe der Vögel, bei welchen ſie zu mancherlei Erſcheinungen Veranlaſſung giebt. Das Federkleid wird namentlich in den gemäßig- ten und kalten Zonen regelmäßig zweimal im Jahre gewechſelt und gewöhnlich ſind die Farben, welche nach der Mauſer erſcheinen, ver- ſchieden, ſo daß man ein Sommerkleid und ein Winterkleid unterſchei- det. Nimmt man hierzu die Thatſache, daß bei den meiſten Vögeln die Verſchiedenheit des Gefieders bei beiden Geſchlechtern ziemlich be- deutend iſt, daß das gewöhnlich größere und ſtärkere Männchen we- nigſtens weit hellere und lebhaftere Farben, oft aber auch totale Ver- ſchiedenheiten zeigt, wie z. B. bei den Hühnern, Faſanen u. ſ. w., daß die jungen Vögel oft ein von den alten durchaus verſchiedenes Kleid beſitzen, ſo ſieht man hieraus, daß Irrthümer hinſichtlich der Beſtim- mung der Arten leicht geſchehen können. In anderer Hinſicht giebt ſich die Periodicität ſehr lebhaft in der Lebensweiſe kund. Nur we- nige Vögel ſind vollkommen ſtationär, ſo daß ſie zu allen Jahreszeiten an demſelben Orte vorhanden ſind und da brüten, wo ſie den Winter zubringen. Man hat die Vögel dieſer Art Standvögel genannt. Die Strichvögel machen beſchränkte Wanderungen in Geſellſchaft, bleiben aber etwa in demſelben Klima, wenn ſie auch im Winter mehr ſüdlich ziehen. Die Zugvögel endlich, wozu Störche, Schwalben, Wachteln u. ſ. w. gehören, unternehmen jährlich zweimal eine weite Reiſe, indem ſie im Frühjahre nördlich ziehen, dort brüten und im Herbſte mit den Jungen aufbrechen, um in ſüdlichen Standorten den Winter zuzubringen. Unſere gemäßigten Gegenden bilden für viele höher im Norden brütende Vögel, wie für die wilden Gänſe, die Seidenſchwänze u. ſ. w. die ſüdlichen Winterquartiere, während die Zugvögel unſerer Zonen an den Küſten des Mittelmeeres und na- mentlich an der afrikaniſchen Küſte den Winter zubringen. Aufbruch und Reiſe geſchehen meiſtens in der Nacht; Tags vorher ſieht man die Vögel aus einer ganzen Gegend an beſtimmten Sammelplätzen ſich vereinigen, bis plötzlich in einer Nacht die ganze Geſellſchaft aufbricht. Diejenigen, welche über das Meer ſetzen, ſammeln ſich im Herbſte an den ſüdlichen Landſpitzen an, wo ſie einige Tage verweilen, um Kräfte
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und das Zutragen der Nahrung beſchäftigt die Alten von früh Mor-
gens bis in die Nacht hinein. Bei den Anderen, den Neſtflüchtern,
ſind die Jungen faſt mit dem Verlaſſen der Eiſchale fähig, ihre Nah-
rung zu ſuchen und ſtehen dann nur noch unter der Aufſicht der
Eltern, welche ihnen die nöthige Anleitung geben.
Die Periodicität des Lebens iſt nirgendwo auffallender als
gerade in der Klaſſe der Vögel, bei welchen ſie zu mancherlei Erſcheinungen
Veranlaſſung giebt. Das Federkleid wird namentlich in den gemäßig-
ten und kalten Zonen regelmäßig zweimal im Jahre gewechſelt und
gewöhnlich ſind die Farben, welche nach der Mauſer erſcheinen, ver-
ſchieden, ſo daß man ein Sommerkleid und ein Winterkleid unterſchei-
det. Nimmt man hierzu die Thatſache, daß bei den meiſten Vögeln
die Verſchiedenheit des Gefieders bei beiden Geſchlechtern ziemlich be-
deutend iſt, daß das gewöhnlich größere und ſtärkere Männchen we-
nigſtens weit hellere und lebhaftere Farben, oft aber auch totale Ver-
ſchiedenheiten zeigt, wie z. B. bei den Hühnern, Faſanen u. ſ. w., daß
die jungen Vögel oft ein von den alten durchaus verſchiedenes Kleid
beſitzen, ſo ſieht man hieraus, daß Irrthümer hinſichtlich der Beſtim-
mung der Arten leicht geſchehen können. In anderer Hinſicht giebt
ſich die Periodicität ſehr lebhaft in der Lebensweiſe kund. Nur we-
nige Vögel ſind vollkommen ſtationär, ſo daß ſie zu allen Jahreszeiten
an demſelben Orte vorhanden ſind und da brüten, wo ſie den Winter
zubringen. Man hat die Vögel dieſer Art Standvögel genannt.
Die Strichvögel machen beſchränkte Wanderungen in Geſellſchaft,
bleiben aber etwa in demſelben Klima, wenn ſie auch im Winter mehr
ſüdlich ziehen. Die Zugvögel endlich, wozu Störche, Schwalben,
Wachteln u. ſ. w. gehören, unternehmen jährlich zweimal eine weite
Reiſe, indem ſie im Frühjahre nördlich ziehen, dort brüten und im
Herbſte mit den Jungen aufbrechen, um in ſüdlichen Standorten den
Winter zuzubringen. Unſere gemäßigten Gegenden bilden für viele
höher im Norden brütende Vögel, wie für die wilden Gänſe, die
Seidenſchwänze u. ſ. w. die ſüdlichen Winterquartiere, während die
Zugvögel unſerer Zonen an den Küſten des Mittelmeeres und na-
mentlich an der afrikaniſchen Küſte den Winter zubringen. Aufbruch
und Reiſe geſchehen meiſtens in der Nacht; Tags vorher ſieht man
die Vögel aus einer ganzen Gegend an beſtimmten Sammelplätzen ſich
vereinigen, bis plötzlich in einer Nacht die ganze Geſellſchaft aufbricht.
Diejenigen, welche über das Meer ſetzen, ſammeln ſich im Herbſte an
den ſüdlichen Landſpitzen an, wo ſie einige Tage verweilen, um Kräfte
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/331>, abgerufen am 22.11.2024.
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