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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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That keine Giftdrüsen bei diesen Schlangen vor, sondern es ist nur
der Saft der gewöhnlichen, freilich bedeutend entwickelten Speichel-
drüsen, welcher durch diese Zähne in die Mundhöhle abgeleitet wird.
Auch ist durchaus kein Beispiel bekannt, daß ein Biß derselben eine
giftige Wirkung gehabt hätte. Im Ganzen erscheint die Organisation
der Schlangen, welche diese Abtheilung zusammensetzen, so überein-
stimmend, daß es schwierig ist, besondere Familien aufzustellen, doch
kann man die Wassernattern (Homalopsida) mit der Mittellinie sehr
nahe gerückten, durch eine Klappe verschließbaren Nasenlöchern, kleinen
Augen und aufwärts gezogener Rachenspalte, die vorzugsweise im
Wasser leben (Homalopsis), die Erdnattern (Coelopeltida) mit grö-
ßeren Fangzähnen, die bald im Oberkiefer, bald im Unterkiefer, bald
in beiden zugleich stehen (Coelopeltis; Psammophis; Herpetodryas;
Dipsas)
und die Baumnattern (Dryophida) mit langem, spitzem
Kopf und dünn peitschenförmigem Körper unterscheiden, indem die
Letzteren sich noch besonders dadurch auszeichnen, daß die Be-
zahnung ihres Unterkiefers hintereinander zwei Reihen von Zähnen
zeigt, die klein anfangen und mit großen Furchenzähnen enden, so
daß mitten und hinten im Oberkiefer größere Furchenzähne stehen.
Dryophis; Dendrophis.

Unterordnung der giftlosen Schlangen (Innocua). Der
auszeichnende Charakter dieser Unterordnung, welche die größten und
stärksten Schlangen enthält, liegt darin, daß alle Zähne gleichmäßig
gebildete, solide Hakenzähne sind, welche im Oberkiefer zwei parallele
Reihen bilden, von denen die eine dem langen, die ganze Mundspalte
begränzenden Oberkiefer, die innere den Gaumenbeinen angehört, wäh-
rend zugleich beide Unterkieferäste mit einer dichten Reihe hakenförmi-
ger Zähne bewaffnet sind. Die Gesichtsknochen bieten in ähnlicher
Weise, wie bei den vorigen Unterordnungen eine große Beweglichkeit
dar. Wir unterscheiden folgende Familien:

Die Rattern (Colubrida), als deren Typus die in unserer Ge-
gend ziemlich häufige, durchaus unschuldige Ringelnatter dienen kann.
Die äußeren Charaktere dieser Schlangen unterscheiden sie nur wenig
von den Giftnattern und Trugnattern, welche früher auch ganz all-
gemein unter dem Gattungsnamen Coluber aufgeführt wurden. Der
Kopf der Thiere ist dreieckig, etwas zugespitzt, kaum von dem Halse
abgesetzt, mit Schildern besetzt, unter denen sich besonders die Schil-

That keine Giftdrüſen bei dieſen Schlangen vor, ſondern es iſt nur
der Saft der gewöhnlichen, freilich bedeutend entwickelten Speichel-
drüſen, welcher durch dieſe Zähne in die Mundhöhle abgeleitet wird.
Auch iſt durchaus kein Beiſpiel bekannt, daß ein Biß derſelben eine
giftige Wirkung gehabt hätte. Im Ganzen erſcheint die Organiſation
der Schlangen, welche dieſe Abtheilung zuſammenſetzen, ſo überein-
ſtimmend, daß es ſchwierig iſt, beſondere Familien aufzuſtellen, doch
kann man die Waſſernattern (Homalopsida) mit der Mittellinie ſehr
nahe gerückten, durch eine Klappe verſchließbaren Naſenlöchern, kleinen
Augen und aufwärts gezogener Rachenſpalte, die vorzugsweiſe im
Waſſer leben (Homalopsis), die Erdnattern (Coelopeltida) mit grö-
ßeren Fangzähnen, die bald im Oberkiefer, bald im Unterkiefer, bald
in beiden zugleich ſtehen (Coelopeltis; Psammophis; Herpetodryas;
Dipsas)
und die Baumnattern (Dryophida) mit langem, ſpitzem
Kopf und dünn peitſchenförmigem Körper unterſcheiden, indem die
Letzteren ſich noch beſonders dadurch auszeichnen, daß die Be-
zahnung ihres Unterkiefers hintereinander zwei Reihen von Zähnen
zeigt, die klein anfangen und mit großen Furchenzähnen enden, ſo
daß mitten und hinten im Oberkiefer größere Furchenzähne ſtehen.
Dryophis; Dendrophis.

Unterordnung der giftloſen Schlangen (Innocua). Der
auszeichnende Charakter dieſer Unterordnung, welche die größten und
ſtärkſten Schlangen enthält, liegt darin, daß alle Zähne gleichmäßig
gebildete, ſolide Hakenzähne ſind, welche im Oberkiefer zwei parallele
Reihen bilden, von denen die eine dem langen, die ganze Mundſpalte
begränzenden Oberkiefer, die innere den Gaumenbeinen angehört, wäh-
rend zugleich beide Unterkieferäſte mit einer dichten Reihe hakenförmi-
ger Zähne bewaffnet ſind. Die Geſichtsknochen bieten in ähnlicher
Weiſe, wie bei den vorigen Unterordnungen eine große Beweglichkeit
dar. Wir unterſcheiden folgende Familien:

Die Rattern (Colubrida), als deren Typus die in unſerer Ge-
gend ziemlich häufige, durchaus unſchuldige Ringelnatter dienen kann.
Die äußeren Charaktere dieſer Schlangen unterſcheiden ſie nur wenig
von den Giftnattern und Trugnattern, welche früher auch ganz all-
gemein unter dem Gattungsnamen Coluber aufgeführt wurden. Der
Kopf der Thiere iſt dreieckig, etwas zugeſpitzt, kaum von dem Halſe
abgeſetzt, mit Schildern beſetzt, unter denen ſich beſonders die Schil-

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[261/0267] That keine Giftdrüſen bei dieſen Schlangen vor, ſondern es iſt nur der Saft der gewöhnlichen, freilich bedeutend entwickelten Speichel- drüſen, welcher durch dieſe Zähne in die Mundhöhle abgeleitet wird. Auch iſt durchaus kein Beiſpiel bekannt, daß ein Biß derſelben eine giftige Wirkung gehabt hätte. Im Ganzen erſcheint die Organiſation der Schlangen, welche dieſe Abtheilung zuſammenſetzen, ſo überein- ſtimmend, daß es ſchwierig iſt, beſondere Familien aufzuſtellen, doch kann man die Waſſernattern (Homalopsida) mit der Mittellinie ſehr nahe gerückten, durch eine Klappe verſchließbaren Naſenlöchern, kleinen Augen und aufwärts gezogener Rachenſpalte, die vorzugsweiſe im Waſſer leben (Homalopsis), die Erdnattern (Coelopeltida) mit grö- ßeren Fangzähnen, die bald im Oberkiefer, bald im Unterkiefer, bald in beiden zugleich ſtehen (Coelopeltis; Psammophis; Herpetodryas; Dipsas) und die Baumnattern (Dryophida) mit langem, ſpitzem Kopf und dünn peitſchenförmigem Körper unterſcheiden, indem die Letzteren ſich noch beſonders dadurch auszeichnen, daß die Be- zahnung ihres Unterkiefers hintereinander zwei Reihen von Zähnen zeigt, die klein anfangen und mit großen Furchenzähnen enden, ſo daß mitten und hinten im Oberkiefer größere Furchenzähne ſtehen. Dryophis; Dendrophis. Unterordnung der giftloſen Schlangen (Innocua). Der auszeichnende Charakter dieſer Unterordnung, welche die größten und ſtärkſten Schlangen enthält, liegt darin, daß alle Zähne gleichmäßig gebildete, ſolide Hakenzähne ſind, welche im Oberkiefer zwei parallele Reihen bilden, von denen die eine dem langen, die ganze Mundſpalte begränzenden Oberkiefer, die innere den Gaumenbeinen angehört, wäh- rend zugleich beide Unterkieferäſte mit einer dichten Reihe hakenförmi- ger Zähne bewaffnet ſind. Die Geſichtsknochen bieten in ähnlicher Weiſe, wie bei den vorigen Unterordnungen eine große Beweglichkeit dar. Wir unterſcheiden folgende Familien: Die Rattern (Colubrida), als deren Typus die in unſerer Ge- gend ziemlich häufige, durchaus unſchuldige Ringelnatter dienen kann. Die äußeren Charaktere dieſer Schlangen unterſcheiden ſie nur wenig von den Giftnattern und Trugnattern, welche früher auch ganz all- gemein unter dem Gattungsnamen Coluber aufgeführt wurden. Der Kopf der Thiere iſt dreieckig, etwas zugeſpitzt, kaum von dem Halſe abgeſetzt, mit Schildern beſetzt, unter denen ſich beſonders die Schil-

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/267>, abgerufen am 22.11.2024.