Spalte oft über die hintere Gränze des Kopfes hinaus zu gehen scheint. Die Nasenlöcher liegen stets vorn am Kopfe, oft ganz an der Spitze der Schnauze, die gewöhnlich runden oder längs ovalen Augen etwa in der Mitte der Schnauzenspalte ganz auf der Seite und dem Kie- ferrande sehr genähert. Der bewegliche Augapfel, dessen Pupille bei den nächtlichen Gattungen meist senkrecht gespalten, bei den übrigen rund ist, zeigt keine Augenlider, sondern wird von der durchsichtigen Haut überzogen, die in ähnlicher Weise wie ein Uhrglas in einem Falze der runden Augenhöhle eingeheftet ist und eine Kapsel bildet, welche durch einen weiten Gang, den Thränenkanal, nach innen mit der Nasenhöhle in Verbindung steht. Das Auge der Schlangen hat hierdurch ein gläsernes unheimliches Ansehen.
Einen wesentlichen Charakter für die ganze Ordnung der Schlan-
[Abbildung]
Fig. 1160.
Schädel der Klapperschlange (Crotalus) von der Seite, um das stabförmige, lange, an dem beweglichen Zitzen- bein (23) befestigte Quadratbein (26) zu zeigen.
gen findet man in der Struktur des knöchernen Gerüstes, welches den Antlitztheil des Schädels bildet. Bei den meisten Schlangen nämlich ist das Oberkiefergerüste durchaus beweglich ge- worden; - der Zwischen- kiefer freilich hängt fest mit den Nasenbeinen zu- sammen; dagegen sind die Oberkiefer-, die Flü- gel- und Gaumenbeine durchaus beweglich und können sowohl nach den Seiten, als auch nach vorn und hinten geschoben werden. Eine ebenso große Beweglichkeit ist in dem Unterkieferapparate hergestellt; das lange schuppenförmige Zitzenbein hängt nur durch Bänder und Muskeln mit dem Schädel zusammen und trägt an seinem Ende das lange, stabförmige, meist schief nach hinten gerichtete Quadratbein, an welchem der Unterkiefer eingelenkt ist. Dieser selbst besteht aus zwei völlig getrennten, stabförmigen, nur wenig gebogenen Hälften, die vorn entweder gar nicht oder nur durch laxe Sehnenfasern mit ein- ander verbunden sind und deren Trennung auch gewöhnlich durch die sogenannte Kinnfurche an der Unterfläche des Kopfes ausgedrückt ist. Durch diese Einrichtung ist der ganze Unterkieferapparat einer enormen Erweiterung fähig, indem jeder Unterkieferast aus drei durch laxe
Spalte oft über die hintere Gränze des Kopfes hinaus zu gehen ſcheint. Die Naſenlöcher liegen ſtets vorn am Kopfe, oft ganz an der Spitze der Schnauze, die gewöhnlich runden oder längs ovalen Augen etwa in der Mitte der Schnauzenſpalte ganz auf der Seite und dem Kie- ferrande ſehr genähert. Der bewegliche Augapfel, deſſen Pupille bei den nächtlichen Gattungen meiſt ſenkrecht geſpalten, bei den übrigen rund iſt, zeigt keine Augenlider, ſondern wird von der durchſichtigen Haut überzogen, die in ähnlicher Weiſe wie ein Uhrglas in einem Falze der runden Augenhöhle eingeheftet iſt und eine Kapſel bildet, welche durch einen weiten Gang, den Thränenkanal, nach innen mit der Naſenhöhle in Verbindung ſteht. Das Auge der Schlangen hat hierdurch ein gläſernes unheimliches Anſehen.
Einen weſentlichen Charakter für die ganze Ordnung der Schlan-
[Abbildung]
Fig. 1160.
Schädel der Klapperſchlange (Crotalus) von der Seite, um das ſtabförmige, lange, an dem beweglichen Zitzen- bein (23) befeſtigte Quadratbein (26) zu zeigen.
gen findet man in der Struktur des knöchernen Gerüſtes, welches den Antlitztheil des Schädels bildet. Bei den meiſten Schlangen nämlich iſt das Oberkiefergerüſte durchaus beweglich ge- worden; ‒ der Zwiſchen- kiefer freilich hängt feſt mit den Naſenbeinen zu- ſammen; dagegen ſind die Oberkiefer-, die Flü- gel- und Gaumenbeine durchaus beweglich und können ſowohl nach den Seiten, als auch nach vorn und hinten geſchoben werden. Eine ebenſo große Beweglichkeit iſt in dem Unterkieferapparate hergeſtellt; das lange ſchuppenförmige Zitzenbein hängt nur durch Bänder und Muskeln mit dem Schädel zuſammen und trägt an ſeinem Ende das lange, ſtabförmige, meiſt ſchief nach hinten gerichtete Quadratbein, an welchem der Unterkiefer eingelenkt iſt. Dieſer ſelbſt beſteht aus zwei völlig getrennten, ſtabförmigen, nur wenig gebogenen Hälften, die vorn entweder gar nicht oder nur durch laxe Sehnenfaſern mit ein- ander verbunden ſind und deren Trennung auch gewöhnlich durch die ſogenannte Kinnfurche an der Unterfläche des Kopfes ausgedrückt iſt. Durch dieſe Einrichtung iſt der ganze Unterkieferapparat einer enormen Erweiterung fähig, indem jeder Unterkieferaſt aus drei durch laxe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0259"n="253"/>
Spalte oft über die hintere Gränze des Kopfes hinaus zu gehen ſcheint.<lb/>
Die Naſenlöcher liegen ſtets vorn am Kopfe, oft ganz an der Spitze<lb/>
der Schnauze, die gewöhnlich runden oder längs ovalen Augen etwa<lb/>
in der Mitte der Schnauzenſpalte ganz auf der Seite und dem Kie-<lb/>
ferrande ſehr genähert. Der bewegliche Augapfel, deſſen Pupille bei<lb/>
den nächtlichen Gattungen meiſt ſenkrecht geſpalten, bei den übrigen<lb/>
rund iſt, zeigt keine Augenlider, ſondern wird von der durchſichtigen<lb/>
Haut überzogen, die in ähnlicher Weiſe wie ein Uhrglas in einem<lb/>
Falze der runden Augenhöhle eingeheftet iſt und eine Kapſel bildet,<lb/>
welche durch einen weiten Gang, den Thränenkanal, nach innen mit<lb/>
der Naſenhöhle in Verbindung ſteht. Das Auge der Schlangen hat<lb/>
hierdurch ein gläſernes unheimliches Anſehen.</p><lb/><p>Einen weſentlichen Charakter für die ganze Ordnung der Schlan-<lb/><figure><head>Fig. 1160.</head><lb/><p>Schädel der Klapperſchlange <hirendition="#aq">(Crotalus)</hi> von der Seite,<lb/>
um das ſtabförmige, lange, an dem beweglichen Zitzen-<lb/>
bein (23) befeſtigte Quadratbein (26) zu zeigen.</p></figure><lb/>
gen findet man in der<lb/>
Struktur des knöchernen<lb/>
Gerüſtes, welches den<lb/>
Antlitztheil des Schädels<lb/>
bildet. Bei den meiſten<lb/>
Schlangen nämlich iſt<lb/>
das Oberkiefergerüſte<lb/>
durchaus beweglich ge-<lb/>
worden; ‒ der Zwiſchen-<lb/>
kiefer freilich hängt feſt<lb/>
mit den Naſenbeinen zu-<lb/>ſammen; dagegen ſind<lb/>
die Oberkiefer-, die Flü-<lb/>
gel- und Gaumenbeine durchaus beweglich und können ſowohl nach<lb/>
den Seiten, als auch nach vorn und hinten geſchoben werden. Eine<lb/>
ebenſo große Beweglichkeit iſt in dem Unterkieferapparate hergeſtellt;<lb/>
das lange ſchuppenförmige Zitzenbein hängt nur durch Bänder und<lb/>
Muskeln mit dem Schädel zuſammen und trägt an ſeinem Ende das<lb/>
lange, ſtabförmige, meiſt ſchief nach hinten gerichtete Quadratbein, an<lb/>
welchem der Unterkiefer eingelenkt iſt. Dieſer ſelbſt beſteht aus zwei<lb/>
völlig getrennten, ſtabförmigen, nur wenig gebogenen Hälften, die<lb/>
vorn entweder gar nicht oder nur durch laxe Sehnenfaſern mit ein-<lb/>
ander verbunden ſind und deren Trennung auch gewöhnlich durch die<lb/>ſogenannte Kinnfurche an der Unterfläche des Kopfes ausgedrückt iſt.<lb/>
Durch dieſe Einrichtung iſt der ganze Unterkieferapparat einer enormen<lb/>
Erweiterung fähig, indem jeder Unterkieferaſt aus drei durch laxe<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[253/0259]
Spalte oft über die hintere Gränze des Kopfes hinaus zu gehen ſcheint.
Die Naſenlöcher liegen ſtets vorn am Kopfe, oft ganz an der Spitze
der Schnauze, die gewöhnlich runden oder längs ovalen Augen etwa
in der Mitte der Schnauzenſpalte ganz auf der Seite und dem Kie-
ferrande ſehr genähert. Der bewegliche Augapfel, deſſen Pupille bei
den nächtlichen Gattungen meiſt ſenkrecht geſpalten, bei den übrigen
rund iſt, zeigt keine Augenlider, ſondern wird von der durchſichtigen
Haut überzogen, die in ähnlicher Weiſe wie ein Uhrglas in einem
Falze der runden Augenhöhle eingeheftet iſt und eine Kapſel bildet,
welche durch einen weiten Gang, den Thränenkanal, nach innen mit
der Naſenhöhle in Verbindung ſteht. Das Auge der Schlangen hat
hierdurch ein gläſernes unheimliches Anſehen.
Einen weſentlichen Charakter für die ganze Ordnung der Schlan-
[Abbildung Fig. 1160.
Schädel der Klapperſchlange (Crotalus) von der Seite,
um das ſtabförmige, lange, an dem beweglichen Zitzen-
bein (23) befeſtigte Quadratbein (26) zu zeigen.]
gen findet man in der
Struktur des knöchernen
Gerüſtes, welches den
Antlitztheil des Schädels
bildet. Bei den meiſten
Schlangen nämlich iſt
das Oberkiefergerüſte
durchaus beweglich ge-
worden; ‒ der Zwiſchen-
kiefer freilich hängt feſt
mit den Naſenbeinen zu-
ſammen; dagegen ſind
die Oberkiefer-, die Flü-
gel- und Gaumenbeine durchaus beweglich und können ſowohl nach
den Seiten, als auch nach vorn und hinten geſchoben werden. Eine
ebenſo große Beweglichkeit iſt in dem Unterkieferapparate hergeſtellt;
das lange ſchuppenförmige Zitzenbein hängt nur durch Bänder und
Muskeln mit dem Schädel zuſammen und trägt an ſeinem Ende das
lange, ſtabförmige, meiſt ſchief nach hinten gerichtete Quadratbein, an
welchem der Unterkiefer eingelenkt iſt. Dieſer ſelbſt beſteht aus zwei
völlig getrennten, ſtabförmigen, nur wenig gebogenen Hälften, die
vorn entweder gar nicht oder nur durch laxe Sehnenfaſern mit ein-
ander verbunden ſind und deren Trennung auch gewöhnlich durch die
ſogenannte Kinnfurche an der Unterfläche des Kopfes ausgedrückt iſt.
Durch dieſe Einrichtung iſt der ganze Unterkieferapparat einer enormen
Erweiterung fähig, indem jeder Unterkieferaſt aus drei durch laxe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/259>, abgerufen am 01.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.