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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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[Abbildung] Fig. 1056.

Der Zitterwels (Malapterurus electricus).

Die Familie der Welse (Silurida) hat entweder eine ganz nackte
lederartige Haut ohne jede Spur von Schuppen oder Knochentafeln,
welche sich hauptsächlich in der Nähe des Kopfes entwickeln und zu-
weilen sogar den ganzen Körper einhüllen. Der Kopf ist plattgedrückt,
breit, der Rachen entweder an der Spitze der Schnauze oder etwas
mehr nach hinten auf der Unterfläche gelegen und die Mundspalte,
welche bei der vorigen Familie vom Zwischen- und Oberkiefer begränzt
wurde, hier einzig von dem Zwischenkiefer gebildet, indem die Ober-
kiefer zu Bartfäden verlängert sind. Die zwei Nebenkiemen, welche bei
den Panzerwelsen vorhanden waren, fehlen hier durchaus; der Kiemen-
deckel, der meist ziemlich unbeweglich ist, hat nur drei Stücke, indem
der Unterdeckel fehlt und an dem Schläfenapparate hat sich die Theilung
zwischen dem Tragebogen des Unterkiefers und des Zungenbeines noch
nicht ausgebildet, so daß hier zwei Knochen weniger entwickelt sind,
als bei den übrigen Knochenfischen. Die Schwimmblase ist stets vor-
handen und durch einen offenen Gang mit dem Schlunde verbunden;
an ihrem vorderen Ende befinden sich einige kleine, in einander gelenkte
Knöchelchen, von denen das hintere in die Sehnenhaut der Schwimm-
blase eingesenkt ist, das vordere aber an das Labyrinth heranreicht,
so daß Schwimmblase und Ohr durch eine Kette von Gehörknöchelchen
mit einander verbunden sind. In den Brustflossen ist oft der erste
Strahl ein starker Stachel, der durch ein eigenthümliches Gelenk so
festgestellt werden kann, daß er als Vertheidigungswaffe dient. Die
Ausbildung der Rückenflosse ist sehr verschieden; -- bald ist sie sehr
lang, in anderen Fällen klein oder vollkommen verschwunden und dann
durch eine Fettflosse ersetzt, welche sich oft auch hinter der strahlentra-
genden Rückenflosse findet; gleicher Wechsel zeigt sich in der Ausbil-
dung der Afterflosse. Bei einigen Gattungen finden sich eigenthüm-
liche häutige Säcke, die sich längs der Wirbelsäule nach hinten erstrecken
und in die Kiemenhöhle ausmünden und die zur Aufnahme von Luft
oder Wasser bestimmt scheinen. Die Zähne der Welse sind stets aus
ächter Zahnsubstanz gebildet, hechel- oder bürstenförmig, zuweilen sogar


[Abbildung] Fig. 1056.

Der Zitterwels (Malapterurus electricus).

Die Familie der Welſe (Silurida) hat entweder eine ganz nackte
lederartige Haut ohne jede Spur von Schuppen oder Knochentafeln,
welche ſich hauptſächlich in der Nähe des Kopfes entwickeln und zu-
weilen ſogar den ganzen Körper einhüllen. Der Kopf iſt plattgedrückt,
breit, der Rachen entweder an der Spitze der Schnauze oder etwas
mehr nach hinten auf der Unterfläche gelegen und die Mundſpalte,
welche bei der vorigen Familie vom Zwiſchen- und Oberkiefer begränzt
wurde, hier einzig von dem Zwiſchenkiefer gebildet, indem die Ober-
kiefer zu Bartfäden verlängert ſind. Die zwei Nebenkiemen, welche bei
den Panzerwelſen vorhanden waren, fehlen hier durchaus; der Kiemen-
deckel, der meiſt ziemlich unbeweglich iſt, hat nur drei Stücke, indem
der Unterdeckel fehlt und an dem Schläfenapparate hat ſich die Theilung
zwiſchen dem Tragebogen des Unterkiefers und des Zungenbeines noch
nicht ausgebildet, ſo daß hier zwei Knochen weniger entwickelt ſind,
als bei den übrigen Knochenfiſchen. Die Schwimmblaſe iſt ſtets vor-
handen und durch einen offenen Gang mit dem Schlunde verbunden;
an ihrem vorderen Ende befinden ſich einige kleine, in einander gelenkte
Knöchelchen, von denen das hintere in die Sehnenhaut der Schwimm-
blaſe eingeſenkt iſt, das vordere aber an das Labyrinth heranreicht,
ſo daß Schwimmblaſe und Ohr durch eine Kette von Gehörknöchelchen
mit einander verbunden ſind. In den Bruſtfloſſen iſt oft der erſte
Strahl ein ſtarker Stachel, der durch ein eigenthümliches Gelenk ſo
feſtgeſtellt werden kann, daß er als Vertheidigungswaffe dient. Die
Ausbildung der Rückenfloſſe iſt ſehr verſchieden; — bald iſt ſie ſehr
lang, in anderen Fällen klein oder vollkommen verſchwunden und dann
durch eine Fettfloſſe erſetzt, welche ſich oft auch hinter der ſtrahlentra-
genden Rückenfloſſe findet; gleicher Wechſel zeigt ſich in der Ausbil-
dung der Afterfloſſe. Bei einigen Gattungen finden ſich eigenthüm-
liche häutige Säcke, die ſich längs der Wirbelſäule nach hinten erſtrecken
und in die Kiemenhöhle ausmünden und die zur Aufnahme von Luft
oder Waſſer beſtimmt ſcheinen. Die Zähne der Welſe ſind ſtets aus
ächter Zahnſubſtanz gebildet, hechel- oder bürſtenförmig, zuweilen ſogar

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[149/0155] [Abbildung Fig. 1056. Der Zitterwels (Malapterurus electricus). ] Die Familie der Welſe (Silurida) hat entweder eine ganz nackte lederartige Haut ohne jede Spur von Schuppen oder Knochentafeln, welche ſich hauptſächlich in der Nähe des Kopfes entwickeln und zu- weilen ſogar den ganzen Körper einhüllen. Der Kopf iſt plattgedrückt, breit, der Rachen entweder an der Spitze der Schnauze oder etwas mehr nach hinten auf der Unterfläche gelegen und die Mundſpalte, welche bei der vorigen Familie vom Zwiſchen- und Oberkiefer begränzt wurde, hier einzig von dem Zwiſchenkiefer gebildet, indem die Ober- kiefer zu Bartfäden verlängert ſind. Die zwei Nebenkiemen, welche bei den Panzerwelſen vorhanden waren, fehlen hier durchaus; der Kiemen- deckel, der meiſt ziemlich unbeweglich iſt, hat nur drei Stücke, indem der Unterdeckel fehlt und an dem Schläfenapparate hat ſich die Theilung zwiſchen dem Tragebogen des Unterkiefers und des Zungenbeines noch nicht ausgebildet, ſo daß hier zwei Knochen weniger entwickelt ſind, als bei den übrigen Knochenfiſchen. Die Schwimmblaſe iſt ſtets vor- handen und durch einen offenen Gang mit dem Schlunde verbunden; an ihrem vorderen Ende befinden ſich einige kleine, in einander gelenkte Knöchelchen, von denen das hintere in die Sehnenhaut der Schwimm- blaſe eingeſenkt iſt, das vordere aber an das Labyrinth heranreicht, ſo daß Schwimmblaſe und Ohr durch eine Kette von Gehörknöchelchen mit einander verbunden ſind. In den Bruſtfloſſen iſt oft der erſte Strahl ein ſtarker Stachel, der durch ein eigenthümliches Gelenk ſo feſtgeſtellt werden kann, daß er als Vertheidigungswaffe dient. Die Ausbildung der Rückenfloſſe iſt ſehr verſchieden; — bald iſt ſie ſehr lang, in anderen Fällen klein oder vollkommen verſchwunden und dann durch eine Fettfloſſe erſetzt, welche ſich oft auch hinter der ſtrahlentra- genden Rückenfloſſe findet; gleicher Wechſel zeigt ſich in der Ausbil- dung der Afterfloſſe. Bei einigen Gattungen finden ſich eigenthüm- liche häutige Säcke, die ſich längs der Wirbelſäule nach hinten erſtrecken und in die Kiemenhöhle ausmünden und die zur Aufnahme von Luft oder Waſſer beſtimmt ſcheinen. Die Zähne der Welſe ſind ſtets aus ächter Zahnſubſtanz gebildet, hechel- oder bürſtenförmig, zuweilen ſogar

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/155>, abgerufen am 23.11.2024.