Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

einer weichen Gallert bis zu der elastischen Härte des Knorpels und
zu dem noch festeren Gewebe des Knochens fortschreiten, sind entweder
aus noch erkennbaren oder aus solchen Zellen zusammengesetzt, die in
mannigfacher Weise durch innere Ablagerungen, Verdickungen, Ver-
schmelzungen verändert und unkenntlich geworden sind. Es würde zu
weit führen, wollten wir hier auf diese mannigfachen Modificationen
eingehen, welche alle jene Gebilde hervortreten lassen, die wesentlich
als innere Stützpunkte der Bewegung benutzt werden und wo bei wei-
terem Fortschritte durch Ablagerung unorganischer Substanz (meist
Kalk) in dem verschmolzenen Zellengewebe jene festen Elemente
des Thierkörpers entstehen, die wir als Knochen, Zähne, Schalen u. s. w.
bezeichnen. -- Die verschiedenen Fette, die Farbstoffe und Pigmente,
welche wir in dem thierischen Körper abgelagert finden, sind meist
ebenfalls Inhalt von Zellen und in Zellen ursprünglich abgelagert,
wenn auch oft nachträglich dieser Ursprung gänzlich verwischt wird.
Meist läßt sich bei diesen verschiedenen Modifikationen der Zelle die
ursprüngliche eiweißartige Natur ihres Inhalts und ihrer structurlosen
Wandung nachweisen; zuweilen aber treten besondere Stoffe auf, wie
namentlich die Hornsubstanz, das Chitin, jener eigenthümliche, stickstoffhal-
tige Bestandtheil des Skelettes der Gliederthiere, oder gar die stick-
stofflose, unlösliche Holzsubstanz der Pflanzenzellen, die Cellulose, bei
den Mantelthieren.

Eine eigenthümliche Ausbildung der Gewebe ist die in Fasern,
die sowohl im Innern der Zelle, als in ihrer Wandung, als auch in
ihrer Umgebung sich entwickeln können. Zuerst sieht man in der form-
losen Substanz gleichsam nur Züge, unbestimmte, verschwimmende
Längslinien, die namentlich bei Bewegungen durch Zusammenziehung
hervortreten. Diese Züge werden fester, bestimmter; genau abgegränzte
Fasern von bestimmbarer Dicke und mannigfaltiger Zusammensetzung
treten hervor. Die verschiedene Festigkeit, Zusammensetzung und Dicke
lassen weiche Bindefasern, festere Sehnenfasern, elastische Fasern u. s. w.
unterscheiden, und man kann in der Thierwelt eine fast ununterbro-
chene Skala von den unbestimmt abgegränzten Fasern der niedersten
Thiere bis zu den Hornfasern der Hufen, Klauen und Federn, den
Zahnfasern und ähnlichen Gebilden verfolgen. Aus diesen Fasern
weben sich dann besonders die hautartigen Gebilde, welche in dem
thierischen Organismus vorkommen, die Röhren der Gefäße etc. zu-
sammen, denen durch eine solche Bildung meist eine große Dehnbarkeit
und Elasticität gesichert ist. Nach einer andern Richtung hin entwickelt
sich die Faser, welche die Bewegung vermittelt. Stets weich bleibend

einer weichen Gallert bis zu der elaſtiſchen Härte des Knorpels und
zu dem noch feſteren Gewebe des Knochens fortſchreiten, ſind entweder
aus noch erkennbaren oder aus ſolchen Zellen zuſammengeſetzt, die in
mannigfacher Weiſe durch innere Ablagerungen, Verdickungen, Ver-
ſchmelzungen verändert und unkenntlich geworden ſind. Es würde zu
weit führen, wollten wir hier auf dieſe mannigfachen Modificationen
eingehen, welche alle jene Gebilde hervortreten laſſen, die weſentlich
als innere Stützpunkte der Bewegung benutzt werden und wo bei wei-
terem Fortſchritte durch Ablagerung unorganiſcher Subſtanz (meiſt
Kalk) in dem verſchmolzenen Zellengewebe jene feſten Elemente
des Thierkörpers entſtehen, die wir als Knochen, Zähne, Schalen u. ſ. w.
bezeichnen. — Die verſchiedenen Fette, die Farbſtoffe und Pigmente,
welche wir in dem thieriſchen Körper abgelagert finden, ſind meiſt
ebenfalls Inhalt von Zellen und in Zellen urſprünglich abgelagert,
wenn auch oft nachträglich dieſer Urſprung gänzlich verwiſcht wird.
Meiſt läßt ſich bei dieſen verſchiedenen Modifikationen der Zelle die
urſprüngliche eiweißartige Natur ihres Inhalts und ihrer ſtructurloſen
Wandung nachweiſen; zuweilen aber treten beſondere Stoffe auf, wie
namentlich die Hornſubſtanz, das Chitin, jener eigenthümliche, ſtickſtoffhal-
tige Beſtandtheil des Skelettes der Gliederthiere, oder gar die ſtick-
ſtoffloſe, unlösliche Holzſubſtanz der Pflanzenzellen, die Celluloſe, bei
den Mantelthieren.

Eine eigenthümliche Ausbildung der Gewebe iſt die in Faſern,
die ſowohl im Innern der Zelle, als in ihrer Wandung, als auch in
ihrer Umgebung ſich entwickeln können. Zuerſt ſieht man in der form-
loſen Subſtanz gleichſam nur Züge, unbeſtimmte, verſchwimmende
Längslinien, die namentlich bei Bewegungen durch Zuſammenziehung
hervortreten. Dieſe Züge werden feſter, beſtimmter; genau abgegränzte
Faſern von beſtimmbarer Dicke und mannigfaltiger Zuſammenſetzung
treten hervor. Die verſchiedene Feſtigkeit, Zuſammenſetzung und Dicke
laſſen weiche Bindefaſern, feſtere Sehnenfaſern, elaſtiſche Faſern u. ſ. w.
unterſcheiden, und man kann in der Thierwelt eine faſt ununterbro-
chene Skala von den unbeſtimmt abgegränzten Faſern der niederſten
Thiere bis zu den Hornfaſern der Hufen, Klauen und Federn, den
Zahnfaſern und ähnlichen Gebilden verfolgen. Aus dieſen Faſern
weben ſich dann beſonders die hautartigen Gebilde, welche in dem
thieriſchen Organismus vorkommen, die Röhren der Gefäße etc. zu-
ſammen, denen durch eine ſolche Bildung meiſt eine große Dehnbarkeit
und Elaſticität geſichert iſt. Nach einer andern Richtung hin entwickelt
ſich die Faſer, welche die Bewegung vermittelt. Stets weich bleibend

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0056" n="50"/>
einer weichen Gallert bis zu der ela&#x017F;ti&#x017F;chen Härte des Knorpels und<lb/>
zu dem noch fe&#x017F;teren Gewebe des Knochens fort&#x017F;chreiten, &#x017F;ind entweder<lb/>
aus noch erkennbaren oder aus &#x017F;olchen Zellen zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt, die in<lb/>
mannigfacher Wei&#x017F;e durch innere Ablagerungen, Verdickungen, Ver-<lb/>
&#x017F;chmelzungen verändert und unkenntlich geworden &#x017F;ind. Es würde zu<lb/>
weit führen, wollten wir hier auf die&#x017F;e mannigfachen Modificationen<lb/>
eingehen, welche alle jene Gebilde hervortreten la&#x017F;&#x017F;en, die we&#x017F;entlich<lb/>
als innere Stützpunkte der Bewegung benutzt werden und wo bei wei-<lb/>
terem Fort&#x017F;chritte durch Ablagerung unorgani&#x017F;cher Sub&#x017F;tanz (mei&#x017F;t<lb/>
Kalk) in dem ver&#x017F;chmolzenen Zellengewebe jene fe&#x017F;ten Elemente<lb/>
des Thierkörpers ent&#x017F;tehen, die wir als Knochen, Zähne, Schalen u. &#x017F;. w.<lb/>
bezeichnen. &#x2014; Die ver&#x017F;chiedenen Fette, die Farb&#x017F;toffe und Pigmente,<lb/>
welche wir in dem thieri&#x017F;chen Körper abgelagert finden, &#x017F;ind mei&#x017F;t<lb/>
ebenfalls Inhalt von Zellen und in Zellen ur&#x017F;prünglich abgelagert,<lb/>
wenn auch oft nachträglich die&#x017F;er Ur&#x017F;prung gänzlich verwi&#x017F;cht wird.<lb/>
Mei&#x017F;t läßt &#x017F;ich bei die&#x017F;en ver&#x017F;chiedenen Modifikationen der Zelle die<lb/>
ur&#x017F;prüngliche eiweißartige Natur ihres Inhalts und ihrer &#x017F;tructurlo&#x017F;en<lb/>
Wandung nachwei&#x017F;en; zuweilen aber treten be&#x017F;ondere Stoffe auf, wie<lb/>
namentlich die Horn&#x017F;ub&#x017F;tanz, das Chitin, jener eigenthümliche, &#x017F;tick&#x017F;toffhal-<lb/>
tige Be&#x017F;tandtheil des Skelettes der Gliederthiere, oder gar die &#x017F;tick-<lb/>
&#x017F;tofflo&#x017F;e, unlösliche Holz&#x017F;ub&#x017F;tanz der Pflanzenzellen, die Cellulo&#x017F;e, bei<lb/>
den Mantelthieren.</p><lb/>
        <p>Eine eigenthümliche Ausbildung der Gewebe i&#x017F;t die in <hi rendition="#g">Fa&#x017F;ern</hi>,<lb/>
die &#x017F;owohl im Innern der Zelle, als in ihrer Wandung, als auch in<lb/>
ihrer Umgebung &#x017F;ich entwickeln können. Zuer&#x017F;t &#x017F;ieht man in der form-<lb/>
lo&#x017F;en Sub&#x017F;tanz gleich&#x017F;am nur Züge, unbe&#x017F;timmte, ver&#x017F;chwimmende<lb/>
Längslinien, die namentlich bei Bewegungen durch Zu&#x017F;ammenziehung<lb/>
hervortreten. Die&#x017F;e Züge werden fe&#x017F;ter, be&#x017F;timmter; genau abgegränzte<lb/>
Fa&#x017F;ern von be&#x017F;timmbarer Dicke und mannigfaltiger Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung<lb/>
treten hervor. Die ver&#x017F;chiedene Fe&#x017F;tigkeit, Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung und Dicke<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en weiche Bindefa&#x017F;ern, fe&#x017F;tere Sehnenfa&#x017F;ern, ela&#x017F;ti&#x017F;che Fa&#x017F;ern u. &#x017F;. w.<lb/>
unter&#x017F;cheiden, und man kann in der Thierwelt eine fa&#x017F;t ununterbro-<lb/>
chene Skala von den unbe&#x017F;timmt abgegränzten Fa&#x017F;ern der nieder&#x017F;ten<lb/>
Thiere bis zu den Hornfa&#x017F;ern der Hufen, Klauen und Federn, den<lb/>
Zahnfa&#x017F;ern und ähnlichen Gebilden verfolgen. Aus die&#x017F;en Fa&#x017F;ern<lb/>
weben &#x017F;ich dann be&#x017F;onders die hautartigen Gebilde, welche in dem<lb/>
thieri&#x017F;chen Organismus vorkommen, die Röhren der Gefäße etc. zu-<lb/>
&#x017F;ammen, denen durch eine &#x017F;olche Bildung mei&#x017F;t eine große Dehnbarkeit<lb/>
und Ela&#x017F;ticität ge&#x017F;ichert i&#x017F;t. Nach einer andern Richtung hin entwickelt<lb/>
&#x017F;ich die Fa&#x017F;er, welche die Bewegung vermittelt. Stets weich bleibend<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0056] einer weichen Gallert bis zu der elaſtiſchen Härte des Knorpels und zu dem noch feſteren Gewebe des Knochens fortſchreiten, ſind entweder aus noch erkennbaren oder aus ſolchen Zellen zuſammengeſetzt, die in mannigfacher Weiſe durch innere Ablagerungen, Verdickungen, Ver- ſchmelzungen verändert und unkenntlich geworden ſind. Es würde zu weit führen, wollten wir hier auf dieſe mannigfachen Modificationen eingehen, welche alle jene Gebilde hervortreten laſſen, die weſentlich als innere Stützpunkte der Bewegung benutzt werden und wo bei wei- terem Fortſchritte durch Ablagerung unorganiſcher Subſtanz (meiſt Kalk) in dem verſchmolzenen Zellengewebe jene feſten Elemente des Thierkörpers entſtehen, die wir als Knochen, Zähne, Schalen u. ſ. w. bezeichnen. — Die verſchiedenen Fette, die Farbſtoffe und Pigmente, welche wir in dem thieriſchen Körper abgelagert finden, ſind meiſt ebenfalls Inhalt von Zellen und in Zellen urſprünglich abgelagert, wenn auch oft nachträglich dieſer Urſprung gänzlich verwiſcht wird. Meiſt läßt ſich bei dieſen verſchiedenen Modifikationen der Zelle die urſprüngliche eiweißartige Natur ihres Inhalts und ihrer ſtructurloſen Wandung nachweiſen; zuweilen aber treten beſondere Stoffe auf, wie namentlich die Hornſubſtanz, das Chitin, jener eigenthümliche, ſtickſtoffhal- tige Beſtandtheil des Skelettes der Gliederthiere, oder gar die ſtick- ſtoffloſe, unlösliche Holzſubſtanz der Pflanzenzellen, die Celluloſe, bei den Mantelthieren. Eine eigenthümliche Ausbildung der Gewebe iſt die in Faſern, die ſowohl im Innern der Zelle, als in ihrer Wandung, als auch in ihrer Umgebung ſich entwickeln können. Zuerſt ſieht man in der form- loſen Subſtanz gleichſam nur Züge, unbeſtimmte, verſchwimmende Längslinien, die namentlich bei Bewegungen durch Zuſammenziehung hervortreten. Dieſe Züge werden feſter, beſtimmter; genau abgegränzte Faſern von beſtimmbarer Dicke und mannigfaltiger Zuſammenſetzung treten hervor. Die verſchiedene Feſtigkeit, Zuſammenſetzung und Dicke laſſen weiche Bindefaſern, feſtere Sehnenfaſern, elaſtiſche Faſern u. ſ. w. unterſcheiden, und man kann in der Thierwelt eine faſt ununterbro- chene Skala von den unbeſtimmt abgegränzten Faſern der niederſten Thiere bis zu den Hornfaſern der Hufen, Klauen und Federn, den Zahnfaſern und ähnlichen Gebilden verfolgen. Aus dieſen Faſern weben ſich dann beſonders die hautartigen Gebilde, welche in dem thieriſchen Organismus vorkommen, die Röhren der Gefäße etc. zu- ſammen, denen durch eine ſolche Bildung meiſt eine große Dehnbarkeit und Elaſticität geſichert iſt. Nach einer andern Richtung hin entwickelt ſich die Faſer, welche die Bewegung vermittelt. Stets weich bleibend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/56
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/56>, abgerufen am 23.12.2024.