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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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ihren Dotterhöfen unterscheidet. Zwischen diesen Dotterhöfen entstehen
nun große Zellen, die sich stets mit dem darunterliegenden Ei verei-
nigen, über welche Vereinigung dann die äußere Eihaut nach und
nach herumwächst. Nur bei den Geradflüglern und den meisten Kä-
fern bilden sich die Eier in der gewöhnlichen Weise, indem sich die
Dotterhaut allmählig im Umfange des Dotters consolidirt. An der
Scheide befinden sich meistens eigenthümliche Anhänge, gewöhnlich in
Form birnförmiger Beutel, von welchen der eine, die Begattungs-
tasche
, bei diesem Akte die männliche Ruthe aufnimmt, während der
andere meist höher gelegene Behälter die Samenthierchen beherbergt,
die nach der Befruchtung in diese Samentasche hinüberwandern,
in welcher sie sich Monate lang lebend erhalten. Besonders bei den-
jenigen Insektenweibchen, die nach der Begattung überwintern und
erst im Frühjahre Eier legen, ist diese Samentasche, die nur selten fehlt,
häufig in Gestalt großer doppelter Spiralröhren entwickelt. Die Sa-
menthierchen erhalten sich in diesen Taschen Monate lang frisch und
lebendig, so daß durch eine einmalige Begattung das Weibchen fähig
wird, während seines ganzen Lebens befruchtete Eier zu legen. Außer
diesen beiden Taschen finden sich meist unmittelbar vor der Geschlechts-
öffnung in mannigfacher Weise ausgebildete Drüsen, welche offenbar
die Stoffe absondern, aus denen die äußeren Eischalen aufgebaut wer-
den, und die man deßhalb mit dem Namen der Kittorgane be-
zeichnet hat.

Die männlichen Geschlechtsorgane bestehen aus zwei röh-
rigen oder traubigen Hoden, deren Formen außerordentlich mannig-
faltig sind, und die zuletzt in zwei, oft vielfach gewundene Samen-
gänge einmünden, die zuweilen mit seitlichen Samenblasen besetzt sind.
An der Stelle wo beide Samenleiter zu einem einzigen Samengange
zusammenmünden, senken sich meistens zwei Drüsenschläuche ein, deren
Absonderung offenbar dazu dient, die Menge der Samenflüssigkeit zu
vergrößern. Diese besteht wesentlich aus haarförmigen Samenthier-
chen, die im Wasser sogleich erstarren und sich oft in höchst eigen-
thümlicher Weise innerhalb der Samenleiter in Fäden, Federn oder
Bündeln gruppiren. Bei einigen Insekten werden diese Samenthier-
gruppen noch besonders von starren Schläuchen eingeschlossen, welche
vielleicht eine ähnliche Rolle spielen, wie die früher erwähnten Sa-
menmaschinen mancher niederen Thiere.

Die Begattung ist bei einer großen Zahl von Insekten der einzige
Zweck ihrer Existenz im vollkommenen Zustande. Viele Arten nehmen durch-
aus keine Nahrung während dieses Abschnittes ihres Lebens zu sich; -- bei

ihren Dotterhöfen unterſcheidet. Zwiſchen dieſen Dotterhöfen entſtehen
nun große Zellen, die ſich ſtets mit dem darunterliegenden Ei verei-
nigen, über welche Vereinigung dann die äußere Eihaut nach und
nach herumwächſt. Nur bei den Geradflüglern und den meiſten Kä-
fern bilden ſich die Eier in der gewöhnlichen Weiſe, indem ſich die
Dotterhaut allmählig im Umfange des Dotters conſolidirt. An der
Scheide befinden ſich meiſtens eigenthümliche Anhänge, gewöhnlich in
Form birnförmiger Beutel, von welchen der eine, die Begattungs-
taſche
, bei dieſem Akte die männliche Ruthe aufnimmt, während der
andere meiſt höher gelegene Behälter die Samenthierchen beherbergt,
die nach der Befruchtung in dieſe Samentaſche hinüberwandern,
in welcher ſie ſich Monate lang lebend erhalten. Beſonders bei den-
jenigen Inſektenweibchen, die nach der Begattung überwintern und
erſt im Frühjahre Eier legen, iſt dieſe Samentaſche, die nur ſelten fehlt,
häufig in Geſtalt großer doppelter Spiralröhren entwickelt. Die Sa-
menthierchen erhalten ſich in dieſen Taſchen Monate lang friſch und
lebendig, ſo daß durch eine einmalige Begattung das Weibchen fähig
wird, während ſeines ganzen Lebens befruchtete Eier zu legen. Außer
dieſen beiden Taſchen finden ſich meiſt unmittelbar vor der Geſchlechts-
öffnung in mannigfacher Weiſe ausgebildete Drüſen, welche offenbar
die Stoffe abſondern, aus denen die äußeren Eiſchalen aufgebaut wer-
den, und die man deßhalb mit dem Namen der Kittorgane be-
zeichnet hat.

Die männlichen Geſchlechtsorgane beſtehen aus zwei röh-
rigen oder traubigen Hoden, deren Formen außerordentlich mannig-
faltig ſind, und die zuletzt in zwei, oft vielfach gewundene Samen-
gänge einmünden, die zuweilen mit ſeitlichen Samenblaſen beſetzt ſind.
An der Stelle wo beide Samenleiter zu einem einzigen Samengange
zuſammenmünden, ſenken ſich meiſtens zwei Drüſenſchläuche ein, deren
Abſonderung offenbar dazu dient, die Menge der Samenflüſſigkeit zu
vergrößern. Dieſe beſteht weſentlich aus haarförmigen Samenthier-
chen, die im Waſſer ſogleich erſtarren und ſich oft in höchſt eigen-
thümlicher Weiſe innerhalb der Samenleiter in Fäden, Federn oder
Bündeln gruppiren. Bei einigen Inſekten werden dieſe Samenthier-
gruppen noch beſonders von ſtarren Schläuchen eingeſchloſſen, welche
vielleicht eine ähnliche Rolle ſpielen, wie die früher erwähnten Sa-
menmaſchinen mancher niederen Thiere.

Die Begattung iſt bei einer großen Zahl von Inſekten der einzige
Zweck ihrer Exiſtenz im vollkommenen Zuſtande. Viele Arten nehmen durch-
aus keine Nahrung während dieſes Abſchnittes ihres Lebens zu ſich; — bei

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[541/0547] ihren Dotterhöfen unterſcheidet. Zwiſchen dieſen Dotterhöfen entſtehen nun große Zellen, die ſich ſtets mit dem darunterliegenden Ei verei- nigen, über welche Vereinigung dann die äußere Eihaut nach und nach herumwächſt. Nur bei den Geradflüglern und den meiſten Kä- fern bilden ſich die Eier in der gewöhnlichen Weiſe, indem ſich die Dotterhaut allmählig im Umfange des Dotters conſolidirt. An der Scheide befinden ſich meiſtens eigenthümliche Anhänge, gewöhnlich in Form birnförmiger Beutel, von welchen der eine, die Begattungs- taſche, bei dieſem Akte die männliche Ruthe aufnimmt, während der andere meiſt höher gelegene Behälter die Samenthierchen beherbergt, die nach der Befruchtung in dieſe Samentaſche hinüberwandern, in welcher ſie ſich Monate lang lebend erhalten. Beſonders bei den- jenigen Inſektenweibchen, die nach der Begattung überwintern und erſt im Frühjahre Eier legen, iſt dieſe Samentaſche, die nur ſelten fehlt, häufig in Geſtalt großer doppelter Spiralröhren entwickelt. Die Sa- menthierchen erhalten ſich in dieſen Taſchen Monate lang friſch und lebendig, ſo daß durch eine einmalige Begattung das Weibchen fähig wird, während ſeines ganzen Lebens befruchtete Eier zu legen. Außer dieſen beiden Taſchen finden ſich meiſt unmittelbar vor der Geſchlechts- öffnung in mannigfacher Weiſe ausgebildete Drüſen, welche offenbar die Stoffe abſondern, aus denen die äußeren Eiſchalen aufgebaut wer- den, und die man deßhalb mit dem Namen der Kittorgane be- zeichnet hat. Die männlichen Geſchlechtsorgane beſtehen aus zwei röh- rigen oder traubigen Hoden, deren Formen außerordentlich mannig- faltig ſind, und die zuletzt in zwei, oft vielfach gewundene Samen- gänge einmünden, die zuweilen mit ſeitlichen Samenblaſen beſetzt ſind. An der Stelle wo beide Samenleiter zu einem einzigen Samengange zuſammenmünden, ſenken ſich meiſtens zwei Drüſenſchläuche ein, deren Abſonderung offenbar dazu dient, die Menge der Samenflüſſigkeit zu vergrößern. Dieſe beſteht weſentlich aus haarförmigen Samenthier- chen, die im Waſſer ſogleich erſtarren und ſich oft in höchſt eigen- thümlicher Weiſe innerhalb der Samenleiter in Fäden, Federn oder Bündeln gruppiren. Bei einigen Inſekten werden dieſe Samenthier- gruppen noch beſonders von ſtarren Schläuchen eingeſchloſſen, welche vielleicht eine ähnliche Rolle ſpielen, wie die früher erwähnten Sa- menmaſchinen mancher niederen Thiere. Die Begattung iſt bei einer großen Zahl von Inſekten der einzige Zweck ihrer Exiſtenz im vollkommenen Zuſtande. Viele Arten nehmen durch- aus keine Nahrung während dieſes Abſchnittes ihres Lebens zu ſich; — bei

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/547>, abgerufen am 17.09.2024.