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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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[Abbildung] Fig. 630.

Anatomie einer weiblichen Heuschrecke.
Die Decke des Rückens ist weggenom-
men, die Speicheldrüsen, das Rückengefäß
und der rechte Eierstock nach rechts, Darm-
kanal und übrige Organe nach links ge-
zogen, so daß man das Nervensystem am
Platze sieht. a Fühlhörner. b Kropf. c
Kaumagen. d Magen. e Hinterer Theil
des Chylusmagens. f Harngefäße, abge-
schnitten. g Dickdarm. h Eierstöcke. i
Samentasche. k Kittdrüse. l Legeröhre.
m Speicheldrüsen. n Rückengefäß.

dem Blute eine Strömung von
hinten nach vorn gegen den Kopf
anweisen. Die einzelnen Kammern
sind durch dreieckige Muskelbündel
an die Hinterleibsringe befestigt,
und zeigen jederseits in ihrer vor-
deren Hälfte eine Längsspalte, durch
welche das Blut von außen nach
innen in das Herz eindringen kann.
Gewöhnlich hat das Herz acht Kam-
mern und somit sechszehn Seiten-
spalten, deren Klappen der ange-
deuteten Richtung gemäß angebracht
sind. Durch Brust und Kopf setzt
sich das Herz mittelst einer in der
Mittellinie gelegenen Körperader
fort, welche plötzlich mit einer oder
mehreren offenen Mündungen endigt.
Dieß ist der ganze Gefäßapparat,
welchen die Insekten besitzen. Be-
trachtet man bei einem solchen Thiere,
dessen Rückenhaut durchscheinend ge-
nug ist, z. B. bei der Seidenraupe,
das Herz in seiner Thätigkeit,
so sieht man, daß die Kammern
desselben sich wellenartig von hinten
nach vorn zusammenziehen, und sich
bei der Ausdehnung wieder füllen.
Das Blut kreiset im beständigen
Strome durch das Herz und ver-
theilt sich dann in den Zwischen-
räumen der Körperorgane, wo sich
wandungslose Kanäle finden, in denen es stets nach bestimmten Rich-
tungen läuft. Die ganze Blutmenge sammelt sich dann im Hinterleibe
in der Umgebung des Herzens an, das mithin förmlich im Blute
schwimmt, und bei der Ausdehnung sich mit dieser Flüssigkeit füllt, die
es durch seine Zusammenziehung weiter treibt. Man sieht also, daß
der ganze Körper gleichsam ein Reservoir für die Ernährungsflüssig-
keit bildet, dessen Inhalt durch eine angebrachte Saugspritze, das Herz,
in Thätigkeit versetzt wird. Das Blut selbst ist gewöhnlich vollkom-
men farblos und enthält nur sehr wenige meist ungefärbte Blutkügel-


[Abbildung] Fig. 630.

Anatomie einer weiblichen Heuſchrecke.
Die Decke des Rückens iſt weggenom-
men, die Speicheldrüſen, das Rückengefäß
und der rechte Eierſtock nach rechts, Darm-
kanal und übrige Organe nach links ge-
zogen, ſo daß man das Nervenſyſtem am
Platze ſieht. a Fühlhörner. b Kropf. c
Kaumagen. d Magen. e Hinterer Theil
des Chylusmagens. f Harngefäße, abge-
ſchnitten. g Dickdarm. h Eierſtöcke. i
Samentaſche. k Kittdrüſe. l Legeröhre.
m Speicheldrüſen. n Rückengefäß.

dem Blute eine Strömung von
hinten nach vorn gegen den Kopf
anweiſen. Die einzelnen Kammern
ſind durch dreieckige Muskelbündel
an die Hinterleibsringe befeſtigt,
und zeigen jederſeits in ihrer vor-
deren Hälfte eine Längsſpalte, durch
welche das Blut von außen nach
innen in das Herz eindringen kann.
Gewöhnlich hat das Herz acht Kam-
mern und ſomit ſechszehn Seiten-
ſpalten, deren Klappen der ange-
deuteten Richtung gemäß angebracht
ſind. Durch Bruſt und Kopf ſetzt
ſich das Herz mittelſt einer in der
Mittellinie gelegenen Körperader
fort, welche plötzlich mit einer oder
mehreren offenen Mündungen endigt.
Dieß iſt der ganze Gefäßapparat,
welchen die Inſekten beſitzen. Be-
trachtet man bei einem ſolchen Thiere,
deſſen Rückenhaut durchſcheinend ge-
nug iſt, z. B. bei der Seidenraupe,
das Herz in ſeiner Thätigkeit,
ſo ſieht man, daß die Kammern
deſſelben ſich wellenartig von hinten
nach vorn zuſammenziehen, und ſich
bei der Ausdehnung wieder füllen.
Das Blut kreiſet im beſtändigen
Strome durch das Herz und ver-
theilt ſich dann in den Zwiſchen-
räumen der Körperorgane, wo ſich
wandungsloſe Kanäle finden, in denen es ſtets nach beſtimmten Rich-
tungen läuft. Die ganze Blutmenge ſammelt ſich dann im Hinterleibe
in der Umgebung des Herzens an, das mithin förmlich im Blute
ſchwimmt, und bei der Ausdehnung ſich mit dieſer Flüſſigkeit füllt, die
es durch ſeine Zuſammenziehung weiter treibt. Man ſieht alſo, daß
der ganze Körper gleichſam ein Reſervoir für die Ernährungsflüſſig-
keit bildet, deſſen Inhalt durch eine angebrachte Saugſpritze, das Herz,
in Thätigkeit verſetzt wird. Das Blut ſelbſt iſt gewöhnlich vollkom-
men farblos und enthält nur ſehr wenige meiſt ungefärbte Blutkügel-

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[537/0543] [Abbildung Fig. 630. Anatomie einer weiblichen Heuſchrecke. Die Decke des Rückens iſt weggenom- men, die Speicheldrüſen, das Rückengefäß und der rechte Eierſtock nach rechts, Darm- kanal und übrige Organe nach links ge- zogen, ſo daß man das Nervenſyſtem am Platze ſieht. a Fühlhörner. b Kropf. c Kaumagen. d Magen. e Hinterer Theil des Chylusmagens. f Harngefäße, abge- ſchnitten. g Dickdarm. h Eierſtöcke. i Samentaſche. k Kittdrüſe. l Legeröhre. m Speicheldrüſen. n Rückengefäß.] dem Blute eine Strömung von hinten nach vorn gegen den Kopf anweiſen. Die einzelnen Kammern ſind durch dreieckige Muskelbündel an die Hinterleibsringe befeſtigt, und zeigen jederſeits in ihrer vor- deren Hälfte eine Längsſpalte, durch welche das Blut von außen nach innen in das Herz eindringen kann. Gewöhnlich hat das Herz acht Kam- mern und ſomit ſechszehn Seiten- ſpalten, deren Klappen der ange- deuteten Richtung gemäß angebracht ſind. Durch Bruſt und Kopf ſetzt ſich das Herz mittelſt einer in der Mittellinie gelegenen Körperader fort, welche plötzlich mit einer oder mehreren offenen Mündungen endigt. Dieß iſt der ganze Gefäßapparat, welchen die Inſekten beſitzen. Be- trachtet man bei einem ſolchen Thiere, deſſen Rückenhaut durchſcheinend ge- nug iſt, z. B. bei der Seidenraupe, das Herz in ſeiner Thätigkeit, ſo ſieht man, daß die Kammern deſſelben ſich wellenartig von hinten nach vorn zuſammenziehen, und ſich bei der Ausdehnung wieder füllen. Das Blut kreiſet im beſtändigen Strome durch das Herz und ver- theilt ſich dann in den Zwiſchen- räumen der Körperorgane, wo ſich wandungsloſe Kanäle finden, in denen es ſtets nach beſtimmten Rich- tungen läuft. Die ganze Blutmenge ſammelt ſich dann im Hinterleibe in der Umgebung des Herzens an, das mithin förmlich im Blute ſchwimmt, und bei der Ausdehnung ſich mit dieſer Flüſſigkeit füllt, die es durch ſeine Zuſammenziehung weiter treibt. Man ſieht alſo, daß der ganze Körper gleichſam ein Reſervoir für die Ernährungsflüſſig- keit bildet, deſſen Inhalt durch eine angebrachte Saugſpritze, das Herz, in Thätigkeit verſetzt wird. Das Blut ſelbſt iſt gewöhnlich vollkom- men farblos und enthält nur ſehr wenige meiſt ungefärbte Blutkügel-

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/543>, abgerufen am 15.08.2024.