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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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zudeuten versuchten, beziehen sich auf das Leben des Individuums und
auf die Erhaltung desselben als abgeschlossener organischer Körper.
Zu dem thierischen Leben gehört indeß nothwendigerweise noch eine
zweite Bedingung, die Erhaltung der Art durch Fortpflanzung
des Einzelwesens und somit die Erhaltung der ganzen thierischen
Schöpfung in ihrer Gesammtheit während des Laufes der Zeiten.
Jedem thierischen Organismus ist nur eine gewisse Zeit der Existenz
angewiesen; der Tod ist ein allgemeines Gesetz für alle, während die
Fortdauer in der Art durch Erzeugung von Nachkommenschaft ebenso
ein allgemeines Gesetz zu sein scheint. Auch für diese so äußerst wich-
tige Function begegnen wir dem allgemeinen Gesetze der Differenzirung.
In mannigfach wechselnder Weise tritt uns zuerst die geschlechtslose
Zeugung
der Nachkommenschaft entgegen. Die organische Grundsub-
stanst, welche den Körper bildet, ist, wie wir schon oben erwähnten,
befähigt, durch Theilung, durch Knospen, durch Sprossen, kurz in
sehr mannigfach verschiedener Weise sich und damit die Art zu ver-
vielfältigen. Nur langsam, fast wie im Kampfe, weicht diese geschlechts-
lose Zeugung zurück vor der Thätigkeit besonderer Organe, welche sich
in dem Körper entwickeln. Die Produkte dieser Fortpflanzungsorgane
sind es, welche zur Erzeugung neuer Wesen nothwendig sind. Zwei
Gegensätze, das männliche und weibliche Geschlecht treten her-
vor. Anfangs noch auf denselben Individuen vereinigt, trennen sie
sich bei den ausgebildeten Thieren, bei welchen dann jedes Individuum
einem bestimmten Geschlechte angehört. Die Vereinigung beider Ge-
schlechter, die Vereinigung der Produkte der beiderseitigen Fortpflan-
zungsorgane, des Eies und des Samens ist nun nöthig zur Bildung
des werdenden Geschöpfes. Anfangs unterscheiden sich die Geschlechter
nur durch den Inhalt der Organe, nicht durch die Form derselben;
später zeigen die Geschlechtsorgane Verschiedenheit der äußeren Bil-
dung, ohne daß die Individuen durch andere Kennzeichen ihr Geschlecht
verriethen; endlich drückt die Geschlechtsverschiedenheit der ganzen Or-
ganisation ihren Stempel so tief auf, daß schon in dem Aeußeren diese
Verschiedenheit erkannt werden kann, und oft so bedeutend wird, daß
die Individuen derselben Art, aber verschiedenen Geschlechtes nicht nur
in ganz verschiedene Klassen, sondern sogar in verschiedene Organi-
sationstypen eingereiht wurden.

Wenn die Grundform, von welcher aus sowohl das Pflanzen-
wie das Thierreich in entgegengesetzter Richtung sich entwickeln, beiden
so gemeinsam ist, daß kaum eine Scheidelinie erkannt werden kann, so
läßt sich erwarten, daß auch in der Ausbildung der einzelnen Form-

zudeuten verſuchten, beziehen ſich auf das Leben des Individuums und
auf die Erhaltung deſſelben als abgeſchloſſener organiſcher Körper.
Zu dem thieriſchen Leben gehört indeß nothwendigerweiſe noch eine
zweite Bedingung, die Erhaltung der Art durch Fortpflanzung
des Einzelweſens und ſomit die Erhaltung der ganzen thieriſchen
Schöpfung in ihrer Geſammtheit während des Laufes der Zeiten.
Jedem thieriſchen Organismus iſt nur eine gewiſſe Zeit der Exiſtenz
angewieſen; der Tod iſt ein allgemeines Geſetz für alle, während die
Fortdauer in der Art durch Erzeugung von Nachkommenſchaft ebenſo
ein allgemeines Geſetz zu ſein ſcheint. Auch für dieſe ſo äußerſt wich-
tige Function begegnen wir dem allgemeinen Geſetze der Differenzirung.
In mannigfach wechſelnder Weiſe tritt uns zuerſt die geſchlechtsloſe
Zeugung
der Nachkommenſchaft entgegen. Die organiſche Grundſub-
ſtanſt, welche den Körper bildet, iſt, wie wir ſchon oben erwähnten,
befähigt, durch Theilung, durch Knospen, durch Sproſſen, kurz in
ſehr mannigfach verſchiedener Weiſe ſich und damit die Art zu ver-
vielfältigen. Nur langſam, faſt wie im Kampfe, weicht dieſe geſchlechts-
loſe Zeugung zurück vor der Thätigkeit beſonderer Organe, welche ſich
in dem Körper entwickeln. Die Produkte dieſer Fortpflanzungsorgane
ſind es, welche zur Erzeugung neuer Weſen nothwendig ſind. Zwei
Gegenſätze, das männliche und weibliche Geſchlecht treten her-
vor. Anfangs noch auf denſelben Individuen vereinigt, trennen ſie
ſich bei den ausgebildeten Thieren, bei welchen dann jedes Individuum
einem beſtimmten Geſchlechte angehört. Die Vereinigung beider Ge-
ſchlechter, die Vereinigung der Produkte der beiderſeitigen Fortpflan-
zungsorgane, des Eies und des Samens iſt nun nöthig zur Bildung
des werdenden Geſchöpfes. Anfangs unterſcheiden ſich die Geſchlechter
nur durch den Inhalt der Organe, nicht durch die Form derſelben;
ſpäter zeigen die Geſchlechtsorgane Verſchiedenheit der äußeren Bil-
dung, ohne daß die Individuen durch andere Kennzeichen ihr Geſchlecht
verriethen; endlich drückt die Geſchlechtsverſchiedenheit der ganzen Or-
ganiſation ihren Stempel ſo tief auf, daß ſchon in dem Aeußeren dieſe
Verſchiedenheit erkannt werden kann, und oft ſo bedeutend wird, daß
die Individuen derſelben Art, aber verſchiedenen Geſchlechtes nicht nur
in ganz verſchiedene Klaſſen, ſondern ſogar in verſchiedene Organi-
ſationstypen eingereiht wurden.

Wenn die Grundform, von welcher aus ſowohl das Pflanzen-
wie das Thierreich in entgegengeſetzter Richtung ſich entwickeln, beiden
ſo gemeinſam iſt, daß kaum eine Scheidelinie erkannt werden kann, ſo
läßt ſich erwarten, daß auch in der Ausbildung der einzelnen Form-

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[47/0053] zudeuten verſuchten, beziehen ſich auf das Leben des Individuums und auf die Erhaltung deſſelben als abgeſchloſſener organiſcher Körper. Zu dem thieriſchen Leben gehört indeß nothwendigerweiſe noch eine zweite Bedingung, die Erhaltung der Art durch Fortpflanzung des Einzelweſens und ſomit die Erhaltung der ganzen thieriſchen Schöpfung in ihrer Geſammtheit während des Laufes der Zeiten. Jedem thieriſchen Organismus iſt nur eine gewiſſe Zeit der Exiſtenz angewieſen; der Tod iſt ein allgemeines Geſetz für alle, während die Fortdauer in der Art durch Erzeugung von Nachkommenſchaft ebenſo ein allgemeines Geſetz zu ſein ſcheint. Auch für dieſe ſo äußerſt wich- tige Function begegnen wir dem allgemeinen Geſetze der Differenzirung. In mannigfach wechſelnder Weiſe tritt uns zuerſt die geſchlechtsloſe Zeugung der Nachkommenſchaft entgegen. Die organiſche Grundſub- ſtanſt, welche den Körper bildet, iſt, wie wir ſchon oben erwähnten, befähigt, durch Theilung, durch Knospen, durch Sproſſen, kurz in ſehr mannigfach verſchiedener Weiſe ſich und damit die Art zu ver- vielfältigen. Nur langſam, faſt wie im Kampfe, weicht dieſe geſchlechts- loſe Zeugung zurück vor der Thätigkeit beſonderer Organe, welche ſich in dem Körper entwickeln. Die Produkte dieſer Fortpflanzungsorgane ſind es, welche zur Erzeugung neuer Weſen nothwendig ſind. Zwei Gegenſätze, das männliche und weibliche Geſchlecht treten her- vor. Anfangs noch auf denſelben Individuen vereinigt, trennen ſie ſich bei den ausgebildeten Thieren, bei welchen dann jedes Individuum einem beſtimmten Geſchlechte angehört. Die Vereinigung beider Ge- ſchlechter, die Vereinigung der Produkte der beiderſeitigen Fortpflan- zungsorgane, des Eies und des Samens iſt nun nöthig zur Bildung des werdenden Geſchöpfes. Anfangs unterſcheiden ſich die Geſchlechter nur durch den Inhalt der Organe, nicht durch die Form derſelben; ſpäter zeigen die Geſchlechtsorgane Verſchiedenheit der äußeren Bil- dung, ohne daß die Individuen durch andere Kennzeichen ihr Geſchlecht verriethen; endlich drückt die Geſchlechtsverſchiedenheit der ganzen Or- ganiſation ihren Stempel ſo tief auf, daß ſchon in dem Aeußeren dieſe Verſchiedenheit erkannt werden kann, und oft ſo bedeutend wird, daß die Individuen derſelben Art, aber verſchiedenen Geſchlechtes nicht nur in ganz verſchiedene Klaſſen, ſondern ſogar in verſchiedene Organi- ſationstypen eingereiht wurden. Wenn die Grundform, von welcher aus ſowohl das Pflanzen- wie das Thierreich in entgegengeſetzter Richtung ſich entwickeln, beiden ſo gemeinſam iſt, daß kaum eine Scheidelinie erkannt werden kann, ſo läßt ſich erwarten, daß auch in der Ausbildung der einzelnen Form-

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/53>, abgerufen am 05.12.2024.