Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Von Sinnesorganen hat man bis jetzt außer einfachen Augen keine
Spur entdecken können, obgleich man gewiß den Arachniden um so weniger
Geruch und Gehör abstreiten darf, als man namentlich hinsichtlich des letz-
teren bei der Zähmung von Spinnen die Beobachtung gemacht hat, daß sie
auf musikalische Zeichen herbeikamen und das ihnen bestimmte Futter in Em-
pfang nahmen. Die einfachen Augen der Arachniden bestehen aus
einer becherförmigen Ausbreitung der Sehnerven, die von einer dun-
kel gefärbten Pigmenthaut umgeben ist und nach innen einen kegel-
förmigen Glaskörper umhüllt, in dessen nach außen gerichteter Basis
die kugelförmige Linse steckt, welche von einer rundlichen Hornhaut
überwölbt wird. Die Zahl dieser Augen wechselt von zwei bis acht,
und meistens sitzen sie seitlich, oder noch häufiger in einer Gruppe
vorn auf der Kopfbrust, oder selbst mitten auf dem Rücken des unge-
gliederten Leibes auf. Gewöhnlich ist die Größe dieser Augen ebenso
verschieden, wie ihre Stellung und Richtung, so daß alle diese Ver-
schiedenheiten ganz vortreffliche feste Merkmale zur Unterscheidung der
Gattungen und Arten bilden.

Der Darmkanal der Arachniden beginnt gewöhnlich mit einem
dünnen, knieförmig gebogenen, anfangs hornigen, dann sehr muskulö-
sen und angeschwollenen Schlunde, der bei den Skorpionen und den
übrigen, krustenartigen Arachniden in einen geraden Darmschlauch sich
fortsetzt, welcher ohne weitere Besonderheiten in seinem Verlaufe zu
zeigen, am Ende des Hinterleibes sich in einen spaltenartigen After
öffnet. Bei allen übrigen Arachniden dagegen bildet der Magen ent-
weder einen mittleren Sack, oder gar einen hohlen Ring, von welchem
aus oft sehr lange Blindsäcke entspringen, die bald auf die Kopfbrust
und den Leib beschränkt sind, oft aber auch weit in die Beine und
Kiefertaster hinein selbst bis in die Nähe des Klauengliedes sich er-
strecken. Von diesem vielfach verzweigten Magen aus entspringt nach
hinten ein Darmkanal, der meistens unmittelbar vor dem After eine
kloakenförmige Aussackung besitzt. Speicheldrüsen kommen fast überall
vor; die Leber erscheint bei den niederen Typen nur als körniger
Ueberzug über den Darm, während sie bei den höheren eine ansehn-
liche lappige Masse bildet, die aus kurzen Blindsäcken besteht. Die
Harnorgane existiren in Form dünner, meist unverästelter Röhrchen,
die unter dem Magen in den Darm einmünden.

Besondere Athemorgane fehlen mehreren niederstehenden Ara-
chniden durchaus, während bei den höheren bald Luftröhren, bald aus

Von Sinnesorganen hat man bis jetzt außer einfachen Augen keine
Spur entdecken können, obgleich man gewiß den Arachniden um ſo weniger
Geruch und Gehör abſtreiten darf, als man namentlich hinſichtlich des letz-
teren bei der Zähmung von Spinnen die Beobachtung gemacht hat, daß ſie
auf muſikaliſche Zeichen herbeikamen und das ihnen beſtimmte Futter in Em-
pfang nahmen. Die einfachen Augen der Arachniden beſtehen aus
einer becherförmigen Ausbreitung der Sehnerven, die von einer dun-
kel gefärbten Pigmenthaut umgeben iſt und nach innen einen kegel-
förmigen Glaskörper umhüllt, in deſſen nach außen gerichteter Baſis
die kugelförmige Linſe ſteckt, welche von einer rundlichen Hornhaut
überwölbt wird. Die Zahl dieſer Augen wechſelt von zwei bis acht,
und meiſtens ſitzen ſie ſeitlich, oder noch häufiger in einer Gruppe
vorn auf der Kopfbruſt, oder ſelbſt mitten auf dem Rücken des unge-
gliederten Leibes auf. Gewöhnlich iſt die Größe dieſer Augen ebenſo
verſchieden, wie ihre Stellung und Richtung, ſo daß alle dieſe Ver-
ſchiedenheiten ganz vortreffliche feſte Merkmale zur Unterſcheidung der
Gattungen und Arten bilden.

Der Darmkanal der Arachniden beginnt gewöhnlich mit einem
dünnen, knieförmig gebogenen, anfangs hornigen, dann ſehr muskulö-
ſen und angeſchwollenen Schlunde, der bei den Skorpionen und den
übrigen, kruſtenartigen Arachniden in einen geraden Darmſchlauch ſich
fortſetzt, welcher ohne weitere Beſonderheiten in ſeinem Verlaufe zu
zeigen, am Ende des Hinterleibes ſich in einen ſpaltenartigen After
öffnet. Bei allen übrigen Arachniden dagegen bildet der Magen ent-
weder einen mittleren Sack, oder gar einen hohlen Ring, von welchem
aus oft ſehr lange Blindſäcke entſpringen, die bald auf die Kopfbruſt
und den Leib beſchränkt ſind, oft aber auch weit in die Beine und
Kiefertaſter hinein ſelbſt bis in die Nähe des Klauengliedes ſich er-
ſtrecken. Von dieſem vielfach verzweigten Magen aus entſpringt nach
hinten ein Darmkanal, der meiſtens unmittelbar vor dem After eine
kloakenförmige Ausſackung beſitzt. Speicheldrüſen kommen faſt überall
vor; die Leber erſcheint bei den niederen Typen nur als körniger
Ueberzug über den Darm, während ſie bei den höheren eine anſehn-
liche lappige Maſſe bildet, die aus kurzen Blindſäcken beſteht. Die
Harnorgane exiſtiren in Form dünner, meiſt unveräſtelter Röhrchen,
die unter dem Magen in den Darm einmünden.

Beſondere Athemorgane fehlen mehreren niederſtehenden Ara-
chniden durchaus, während bei den höheren bald Luftröhren, bald aus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0496" n="490"/>
          <p>Von <hi rendition="#g">Sinnesorganen</hi> hat man bis jetzt außer einfachen Augen keine<lb/>
Spur entdecken können, obgleich man gewiß den Arachniden um &#x017F;o weniger<lb/>
Geruch und Gehör ab&#x017F;treiten darf, als man namentlich hin&#x017F;ichtlich des letz-<lb/>
teren bei der Zähmung von Spinnen die Beobachtung gemacht hat, daß &#x017F;ie<lb/>
auf mu&#x017F;ikali&#x017F;che Zeichen herbeikamen und das ihnen be&#x017F;timmte Futter in Em-<lb/>
pfang nahmen. Die einfachen Augen der Arachniden be&#x017F;tehen aus<lb/>
einer becherförmigen Ausbreitung der Sehnerven, die von einer dun-<lb/>
kel gefärbten Pigmenthaut umgeben i&#x017F;t und nach innen einen kegel-<lb/>
förmigen Glaskörper umhüllt, in de&#x017F;&#x017F;en nach außen gerichteter Ba&#x017F;is<lb/>
die kugelförmige Lin&#x017F;e &#x017F;teckt, welche von einer rundlichen Hornhaut<lb/>
überwölbt wird. Die Zahl die&#x017F;er Augen wech&#x017F;elt von zwei bis acht,<lb/>
und mei&#x017F;tens &#x017F;itzen &#x017F;ie &#x017F;eitlich, oder noch häufiger in einer Gruppe<lb/>
vorn auf der Kopfbru&#x017F;t, oder &#x017F;elb&#x017F;t mitten auf dem Rücken des unge-<lb/>
gliederten Leibes auf. Gewöhnlich i&#x017F;t die Größe die&#x017F;er Augen eben&#x017F;o<lb/>
ver&#x017F;chieden, wie ihre Stellung und Richtung, &#x017F;o daß alle die&#x017F;e Ver-<lb/>
&#x017F;chiedenheiten ganz vortreffliche fe&#x017F;te Merkmale zur Unter&#x017F;cheidung der<lb/>
Gattungen und Arten bilden.</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#g">Darmkanal</hi> der Arachniden beginnt gewöhnlich mit einem<lb/>
dünnen, knieförmig gebogenen, anfangs hornigen, dann &#x017F;ehr muskulö-<lb/>
&#x017F;en und ange&#x017F;chwollenen Schlunde, der bei den Skorpionen und den<lb/>
übrigen, kru&#x017F;tenartigen Arachniden in einen geraden Darm&#x017F;chlauch &#x017F;ich<lb/>
fort&#x017F;etzt, welcher ohne weitere Be&#x017F;onderheiten in &#x017F;einem Verlaufe zu<lb/>
zeigen, am Ende des Hinterleibes &#x017F;ich in einen &#x017F;paltenartigen After<lb/>
öffnet. Bei allen übrigen Arachniden dagegen bildet der Magen ent-<lb/>
weder einen mittleren Sack, oder gar einen hohlen Ring, von welchem<lb/>
aus oft &#x017F;ehr lange Blind&#x017F;äcke ent&#x017F;pringen, die bald auf die Kopfbru&#x017F;t<lb/>
und den Leib be&#x017F;chränkt &#x017F;ind, oft aber auch weit in die Beine und<lb/>
Kieferta&#x017F;ter hinein &#x017F;elb&#x017F;t bis in die Nähe des Klauengliedes &#x017F;ich er-<lb/>
&#x017F;trecken. Von die&#x017F;em vielfach verzweigten Magen aus ent&#x017F;pringt nach<lb/>
hinten ein Darmkanal, der mei&#x017F;tens unmittelbar vor dem After eine<lb/>
kloakenförmige Aus&#x017F;ackung be&#x017F;itzt. Speicheldrü&#x017F;en kommen fa&#x017F;t überall<lb/>
vor; die Leber er&#x017F;cheint bei den niederen Typen nur als körniger<lb/>
Ueberzug über den Darm, während &#x017F;ie bei den höheren eine an&#x017F;ehn-<lb/>
liche lappige Ma&#x017F;&#x017F;e bildet, die aus kurzen Blind&#x017F;äcken be&#x017F;teht. Die<lb/>
Harnorgane exi&#x017F;tiren in Form dünner, mei&#x017F;t unverä&#x017F;telter Röhrchen,<lb/>
die unter dem Magen in den Darm einmünden.</p><lb/>
          <p>Be&#x017F;ondere <hi rendition="#g">Athemorgane</hi> fehlen mehreren nieder&#x017F;tehenden Ara-<lb/>
chniden durchaus, während bei den höheren bald Luftröhren, bald aus<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[490/0496] Von Sinnesorganen hat man bis jetzt außer einfachen Augen keine Spur entdecken können, obgleich man gewiß den Arachniden um ſo weniger Geruch und Gehör abſtreiten darf, als man namentlich hinſichtlich des letz- teren bei der Zähmung von Spinnen die Beobachtung gemacht hat, daß ſie auf muſikaliſche Zeichen herbeikamen und das ihnen beſtimmte Futter in Em- pfang nahmen. Die einfachen Augen der Arachniden beſtehen aus einer becherförmigen Ausbreitung der Sehnerven, die von einer dun- kel gefärbten Pigmenthaut umgeben iſt und nach innen einen kegel- förmigen Glaskörper umhüllt, in deſſen nach außen gerichteter Baſis die kugelförmige Linſe ſteckt, welche von einer rundlichen Hornhaut überwölbt wird. Die Zahl dieſer Augen wechſelt von zwei bis acht, und meiſtens ſitzen ſie ſeitlich, oder noch häufiger in einer Gruppe vorn auf der Kopfbruſt, oder ſelbſt mitten auf dem Rücken des unge- gliederten Leibes auf. Gewöhnlich iſt die Größe dieſer Augen ebenſo verſchieden, wie ihre Stellung und Richtung, ſo daß alle dieſe Ver- ſchiedenheiten ganz vortreffliche feſte Merkmale zur Unterſcheidung der Gattungen und Arten bilden. Der Darmkanal der Arachniden beginnt gewöhnlich mit einem dünnen, knieförmig gebogenen, anfangs hornigen, dann ſehr muskulö- ſen und angeſchwollenen Schlunde, der bei den Skorpionen und den übrigen, kruſtenartigen Arachniden in einen geraden Darmſchlauch ſich fortſetzt, welcher ohne weitere Beſonderheiten in ſeinem Verlaufe zu zeigen, am Ende des Hinterleibes ſich in einen ſpaltenartigen After öffnet. Bei allen übrigen Arachniden dagegen bildet der Magen ent- weder einen mittleren Sack, oder gar einen hohlen Ring, von welchem aus oft ſehr lange Blindſäcke entſpringen, die bald auf die Kopfbruſt und den Leib beſchränkt ſind, oft aber auch weit in die Beine und Kiefertaſter hinein ſelbſt bis in die Nähe des Klauengliedes ſich er- ſtrecken. Von dieſem vielfach verzweigten Magen aus entſpringt nach hinten ein Darmkanal, der meiſtens unmittelbar vor dem After eine kloakenförmige Ausſackung beſitzt. Speicheldrüſen kommen faſt überall vor; die Leber erſcheint bei den niederen Typen nur als körniger Ueberzug über den Darm, während ſie bei den höheren eine anſehn- liche lappige Maſſe bildet, die aus kurzen Blindſäcken beſteht. Die Harnorgane exiſtiren in Form dünner, meiſt unveräſtelter Röhrchen, die unter dem Magen in den Darm einmünden. Beſondere Athemorgane fehlen mehreren niederſtehenden Ara- chniden durchaus, während bei den höheren bald Luftröhren, bald aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/496
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/496>, abgerufen am 26.11.2024.