rischen Organismus. Nicht minder findet dieselbe Erscheinung statt in dem Bereiche derjenigen Organe, welche die Empfindung und Bewegung vermitteln, also den eigentlichen thierischen, oder ani- malen Functionen vorstehen. Die Hautoberfläche ist Anfangs das gemeinschaftliche Organ für Empfindung und Bewegung zugleich. Die niedern Thiere tasten mit jedem Punkte ihrer Oberfläche und jede Stelle derselben dient zugleich als Bewegungsorgan. Nach und nach aber treten besondere Tastorgane hervor, die an einzelnen Stellen nur besonders ausgebildet sind, während die übrige Hautoberfläche, mehr und mehr differenzirt, sich zum Schutzorgan des ganzen Körpers und zum Stützpunkt der Bewegung ausbildet. Dort entstehen Anhäufungen anorganischer Massen, die in mehr oder minder engem Zusammen- hange mit dem Hautgewebe stehen und schützende Röhren, Schalen, Schilder, Schuppen und Panzer bilden. In den niederen Stufen, wie bei den Korallen, den Polypen und den Schalen der Weichthiere zeigen diese anorganischen Schutzbildungen im Innern ihrer Massen mehr oder minder krystallinische Struktur, während da, wo sie als Knochen- Zahn- oder Emailsubstanz auftreten, eine organische Masse ihre Haupt- grundlage bildet. Anderwärts sind es feste organische Bildungen, aus Holzfaser, Chitin*), oder Hornsubstanz gewebt, welche der äußern Haut ihre Festigkeit verleihen und sie fast unzerstörbar für schwächere chemische Agentien machen. Eigenthümliche Angriffsorgane, theilweise auch zur activen Vertheidigung bestimmt, entwickeln sich in Gestalt von Stacheln, Haken, Giftbläschen u. s. w. -- kurz eine Mannigfaltigkeit der äußeren Bildungen tritt auf, welche besonders von der beschrei- benden Zoologie mit großer Ausführlichkeit in das Bereich ihrer Be- trachtungen gezogen werden muß. Die größere oder geringere Härte, welche die Haut an vielen Stellen besitzt, befähigt sie, passives Bewe- gungsorgan zu werden, indem die activ bewegenden Theile, die Mus- keln, sich an ihrer inneren Fläche festsetzen und so feste Stützpunkte für ihre Wirksamkeit finden. Wenn die Hautoberfläche noch wie bei vielen höhern Thieren mehreren Functionen zugleich vorsteht, wie der Ab- sonderung, dem Tastgefühl, dem Schutze gegen äußere Einflüsse, so sind diese stets an verschiedene streng individualisirte Theile des Hautgewebes gebunden.
Die Bewegung, welche bei allen Thieren willkührlich ist (es ist damit nicht ausgeschlossen, daß auch unwillkürliche Bewegungen vor- kommen,) und bei den niederen Stufen als Function der gesammten
*) Ein eigenthümlicher unlöslicher Stoff, der bei den Gliederthieren vorkömmt.
riſchen Organismus. Nicht minder findet dieſelbe Erſcheinung ſtatt in dem Bereiche derjenigen Organe, welche die Empfindung und Bewegung vermitteln, alſo den eigentlichen thieriſchen, oder ani- malen Functionen vorſtehen. Die Hautoberfläche iſt Anfangs das gemeinſchaftliche Organ für Empfindung und Bewegung zugleich. Die niedern Thiere taſten mit jedem Punkte ihrer Oberfläche und jede Stelle derſelben dient zugleich als Bewegungsorgan. Nach und nach aber treten beſondere Taſtorgane hervor, die an einzelnen Stellen nur beſonders ausgebildet ſind, während die übrige Hautoberfläche, mehr und mehr differenzirt, ſich zum Schutzorgan des ganzen Körpers und zum Stützpunkt der Bewegung ausbildet. Dort entſtehen Anhäufungen anorganiſcher Maſſen, die in mehr oder minder engem Zuſammen- hange mit dem Hautgewebe ſtehen und ſchützende Röhren, Schalen, Schilder, Schuppen und Panzer bilden. In den niederen Stufen, wie bei den Korallen, den Polypen und den Schalen der Weichthiere zeigen dieſe anorganiſchen Schutzbildungen im Innern ihrer Maſſen mehr oder minder kryſtalliniſche Struktur, während da, wo ſie als Knochen- Zahn- oder Emailſubſtanz auftreten, eine organiſche Maſſe ihre Haupt- grundlage bildet. Anderwärts ſind es feſte organiſche Bildungen, aus Holzfaſer, Chitin*), oder Hornſubſtanz gewebt, welche der äußern Haut ihre Feſtigkeit verleihen und ſie faſt unzerſtörbar für ſchwächere chemiſche Agentien machen. Eigenthümliche Angriffsorgane, theilweiſe auch zur activen Vertheidigung beſtimmt, entwickeln ſich in Geſtalt von Stacheln, Haken, Giftbläschen u. ſ. w. — kurz eine Mannigfaltigkeit der äußeren Bildungen tritt auf, welche beſonders von der beſchrei- benden Zoologie mit großer Ausführlichkeit in das Bereich ihrer Be- trachtungen gezogen werden muß. Die größere oder geringere Härte, welche die Haut an vielen Stellen beſitzt, befähigt ſie, paſſives Bewe- gungsorgan zu werden, indem die activ bewegenden Theile, die Mus- keln, ſich an ihrer inneren Fläche feſtſetzen und ſo feſte Stützpunkte für ihre Wirkſamkeit finden. Wenn die Hautoberfläche noch wie bei vielen höhern Thieren mehreren Functionen zugleich vorſteht, wie der Ab- ſonderung, dem Taſtgefühl, dem Schutze gegen äußere Einflüſſe, ſo ſind dieſe ſtets an verſchiedene ſtreng individualiſirte Theile des Hautgewebes gebunden.
Die Bewegung, welche bei allen Thieren willkührlich iſt (es iſt damit nicht ausgeſchloſſen, daß auch unwillkürliche Bewegungen vor- kommen,) und bei den niederen Stufen als Function der geſammten
*) Ein eigenthümlicher unlöslicher Stoff, der bei den Gliederthieren vorkömmt.
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riſchen Organismus. Nicht minder findet dieſelbe Erſcheinung ſtatt
in dem Bereiche derjenigen Organe, welche die Empfindung und
Bewegung vermitteln, alſo den eigentlichen thieriſchen, oder ani-
malen Functionen vorſtehen. Die Hautoberfläche iſt Anfangs
das gemeinſchaftliche Organ für Empfindung und Bewegung zugleich.
Die niedern Thiere taſten mit jedem Punkte ihrer Oberfläche und jede
Stelle derſelben dient zugleich als Bewegungsorgan. Nach und nach
aber treten beſondere Taſtorgane hervor, die an einzelnen Stellen nur
beſonders ausgebildet ſind, während die übrige Hautoberfläche, mehr
und mehr differenzirt, ſich zum Schutzorgan des ganzen Körpers und
zum Stützpunkt der Bewegung ausbildet. Dort entſtehen Anhäufungen
anorganiſcher Maſſen, die in mehr oder minder engem Zuſammen-
hange mit dem Hautgewebe ſtehen und ſchützende Röhren, Schalen,
Schilder, Schuppen und Panzer bilden. In den niederen Stufen, wie
bei den Korallen, den Polypen und den Schalen der Weichthiere zeigen
dieſe anorganiſchen Schutzbildungen im Innern ihrer Maſſen mehr
oder minder kryſtalliniſche Struktur, während da, wo ſie als Knochen-
Zahn- oder Emailſubſtanz auftreten, eine organiſche Maſſe ihre Haupt-
grundlage bildet. Anderwärts ſind es feſte organiſche Bildungen, aus
Holzfaſer, Chitin *), oder Hornſubſtanz gewebt, welche der äußern
Haut ihre Feſtigkeit verleihen und ſie faſt unzerſtörbar für ſchwächere
chemiſche Agentien machen. Eigenthümliche Angriffsorgane, theilweiſe
auch zur activen Vertheidigung beſtimmt, entwickeln ſich in Geſtalt von
Stacheln, Haken, Giftbläschen u. ſ. w. — kurz eine Mannigfaltigkeit
der äußeren Bildungen tritt auf, welche beſonders von der beſchrei-
benden Zoologie mit großer Ausführlichkeit in das Bereich ihrer Be-
trachtungen gezogen werden muß. Die größere oder geringere Härte,
welche die Haut an vielen Stellen beſitzt, befähigt ſie, paſſives Bewe-
gungsorgan zu werden, indem die activ bewegenden Theile, die Mus-
keln, ſich an ihrer inneren Fläche feſtſetzen und ſo feſte Stützpunkte für
ihre Wirkſamkeit finden. Wenn die Hautoberfläche noch wie bei vielen
höhern Thieren mehreren Functionen zugleich vorſteht, wie der Ab-
ſonderung, dem Taſtgefühl, dem Schutze gegen äußere Einflüſſe, ſo
ſind dieſe ſtets an verſchiedene ſtreng individualiſirte Theile des
Hautgewebes gebunden.
Die Bewegung, welche bei allen Thieren willkührlich iſt (es iſt
damit nicht ausgeſchloſſen, daß auch unwillkürliche Bewegungen vor-
kommen,) und bei den niederen Stufen als Function der geſammten
*) Ein eigenthümlicher unlöslicher Stoff, der bei den Gliederthieren vorkömmt.
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/49>, abgerufen am 04.12.2024.
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