Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

umgebogen, ungleich und einige Paare derselben oft zu höchst sonder-
baren Greiforganen mit einschlagbaren Hornklingen ausgebildet. Der
Hinterleib bildet eine Schwimmflosse, die gewöhnlich aus mehreren
seitlichen Blättern zusammengesetzt ist. Die Thiere dieser Familie
schwimmen im Allgemeinen gut, können aber nicht springen und heften
sich gewöhnlich an Quallen und ähnliche gallertartige Seethiere an,
in deren Inneres sie eindringen, um die Körpersubstanz zu verzeh-
ren. Hyperia; Tyro; Lestrigon; Phronimus; Typhis.

Die Familie der Flohkrebse (Gammarida) kommt sowohl im süßen
Wasser, als besonders häufig im Meere an dem Strande vor, wo sie
zu Tausenden in Schwärmen umher hüpfen, oder mit ihren langen
Fühlern den Schlamm aufklopfen, um die darin verborgenen Würmer
aufzusuchen. Der Kopf dieser Thierchen ist weit kleiner, als in der
vorigen Familie, zugerundet und mit zwei Paaren gewaltig großer
Fühler besetzt, die unter einander stehen. Die Kaufüße sind sehr groß,
die Unterlippe bedeutend entwickelt und an ihrer Seite zwei lange
geißelförmige Taster angebracht. Die Brust hat stets sieben Ringe
und die zwei vorderen Fußpaare sind gewöhnlich am stärksten und
zum Greifen der Beute oder zum Aufwühlen des Bodens geeignet;
die Seitenstücke der Rückenschilde steigen gewöhnlich sehr tief herab
und bilden so eine Art tiefer Rinne, in welcher sich die Füße fast nur
von hinten nach vorn bewegen können. Je nach der Organisation
des Hinterleibes hat man zwei Gruppen unterschieden; bei der einen
(Erichthonius, Corophia) ist der Hinterleib nur mäßig gebogen und
die letzten falschen Fußpaare gehen in kurze Blätter aus, die eine Art
Flosse darstellen; die Thiere dieser Gruppe springen nicht, sondern
laufen nur mit großer Schnelligkeit, oder wühlen auch im Sande;
bei der Gruppe der eigentlichen Flohkrebse hingegen (Talitrus, Orchestia,
Gammarus, Leucothoe
) ist der Hinterleib stark gebogen, seitlich zusam-
mengedrückt und die hinteren Afterfüße in lange Springborsten umge-
wandelt. Eine Gattung dieser Gruppe, die stets auf der Seite
schwimmt, kommt in unseren süßen Gewässern vor und soll, in Menge
genossen, die röthliche Färbung des Fleisches der Forellen hervor-
bringen.

Die letzte Ordnung dieser Unterklasse, welche zugleich die höchst
organisirten Krustenthiere enthält, die sich am nächsten den Tausend-
füßen anschließen, ist die Ordnung der Asseln (Isopoda), in der

umgebogen, ungleich und einige Paare derſelben oft zu höchſt ſonder-
baren Greiforganen mit einſchlagbaren Hornklingen ausgebildet. Der
Hinterleib bildet eine Schwimmfloſſe, die gewöhnlich aus mehreren
ſeitlichen Blättern zuſammengeſetzt iſt. Die Thiere dieſer Familie
ſchwimmen im Allgemeinen gut, können aber nicht ſpringen und heften
ſich gewöhnlich an Quallen und ähnliche gallertartige Seethiere an,
in deren Inneres ſie eindringen, um die Körperſubſtanz zu verzeh-
ren. Hyperia; Tyro; Lestrigon; Phronimus; Typhis.

Die Familie der Flohkrebſe (Gammarida) kommt ſowohl im ſüßen
Waſſer, als beſonders häufig im Meere an dem Strande vor, wo ſie
zu Tauſenden in Schwärmen umher hüpfen, oder mit ihren langen
Fühlern den Schlamm aufklopfen, um die darin verborgenen Würmer
aufzuſuchen. Der Kopf dieſer Thierchen iſt weit kleiner, als in der
vorigen Familie, zugerundet und mit zwei Paaren gewaltig großer
Fühler beſetzt, die unter einander ſtehen. Die Kaufüße ſind ſehr groß,
die Unterlippe bedeutend entwickelt und an ihrer Seite zwei lange
geißelförmige Taſter angebracht. Die Bruſt hat ſtets ſieben Ringe
und die zwei vorderen Fußpaare ſind gewöhnlich am ſtärkſten und
zum Greifen der Beute oder zum Aufwühlen des Bodens geeignet;
die Seitenſtücke der Rückenſchilde ſteigen gewöhnlich ſehr tief herab
und bilden ſo eine Art tiefer Rinne, in welcher ſich die Füße faſt nur
von hinten nach vorn bewegen können. Je nach der Organiſation
des Hinterleibes hat man zwei Gruppen unterſchieden; bei der einen
(Erichthonius, Corophia) iſt der Hinterleib nur mäßig gebogen und
die letzten falſchen Fußpaare gehen in kurze Blätter aus, die eine Art
Floſſe darſtellen; die Thiere dieſer Gruppe ſpringen nicht, ſondern
laufen nur mit großer Schnelligkeit, oder wühlen auch im Sande;
bei der Gruppe der eigentlichen Flohkrebſe hingegen (Talitrus, Orchestia,
Gammarus, Leucothoë
) iſt der Hinterleib ſtark gebogen, ſeitlich zuſam-
mengedrückt und die hinteren Afterfüße in lange Springborſten umge-
wandelt. Eine Gattung dieſer Gruppe, die ſtets auf der Seite
ſchwimmt, kommt in unſeren ſüßen Gewäſſern vor und ſoll, in Menge
genoſſen, die röthliche Färbung des Fleiſches der Forellen hervor-
bringen.

Die letzte Ordnung dieſer Unterklaſſe, welche zugleich die höchſt
organiſirten Kruſtenthiere enthält, die ſich am nächſten den Tauſend-
füßen anſchließen, iſt die Ordnung der Aſſeln (Isopoda), in der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0483" n="477"/>
umgebogen, ungleich und einige Paare der&#x017F;elben oft zu höch&#x017F;t &#x017F;onder-<lb/>
baren Greiforganen mit ein&#x017F;chlagbaren Hornklingen ausgebildet. Der<lb/>
Hinterleib bildet eine Schwimmflo&#x017F;&#x017F;e, die gewöhnlich aus mehreren<lb/>
&#x017F;eitlichen Blättern zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt i&#x017F;t. Die Thiere die&#x017F;er Familie<lb/>
&#x017F;chwimmen im Allgemeinen gut, können aber nicht &#x017F;pringen und heften<lb/>
&#x017F;ich gewöhnlich an Quallen und ähnliche gallertartige Seethiere an,<lb/>
in deren Inneres &#x017F;ie eindringen, um die Körper&#x017F;ub&#x017F;tanz zu verzeh-<lb/>
ren. <hi rendition="#aq">Hyperia; Tyro; Lestrigon; Phronimus; Typhis</hi>.</p><lb/>
            <p>Die Familie der <hi rendition="#b">Flohkreb&#x017F;e</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Gammarida</hi></hi>) kommt &#x017F;owohl im &#x017F;üßen<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er, als be&#x017F;onders häufig im Meere an dem Strande vor, wo &#x017F;ie<lb/>
zu Tau&#x017F;enden in Schwärmen umher hüpfen, oder mit ihren langen<lb/>
Fühlern den Schlamm aufklopfen, um die darin verborgenen Würmer<lb/>
aufzu&#x017F;uchen. Der Kopf die&#x017F;er Thierchen i&#x017F;t weit kleiner, als in der<lb/>
vorigen Familie, zugerundet und mit zwei Paaren gewaltig großer<lb/>
Fühler be&#x017F;etzt, die unter einander &#x017F;tehen. Die Kaufüße &#x017F;ind &#x017F;ehr groß,<lb/>
die Unterlippe bedeutend entwickelt und an ihrer Seite zwei lange<lb/>
geißelförmige Ta&#x017F;ter angebracht. Die Bru&#x017F;t hat &#x017F;tets &#x017F;ieben Ringe<lb/>
und die zwei vorderen Fußpaare &#x017F;ind gewöhnlich am &#x017F;tärk&#x017F;ten und<lb/>
zum Greifen der Beute oder zum Aufwühlen des Bodens geeignet;<lb/>
die Seiten&#x017F;tücke der Rücken&#x017F;childe &#x017F;teigen gewöhnlich &#x017F;ehr tief herab<lb/>
und bilden &#x017F;o eine Art tiefer Rinne, in welcher &#x017F;ich die Füße fa&#x017F;t nur<lb/>
von hinten nach vorn bewegen können. Je nach der Organi&#x017F;ation<lb/>
des Hinterleibes hat man zwei Gruppen unter&#x017F;chieden; bei der einen<lb/>
(<hi rendition="#aq">Erichthonius, Corophia</hi>) i&#x017F;t der Hinterleib nur mäßig gebogen und<lb/>
die letzten fal&#x017F;chen Fußpaare gehen in kurze Blätter aus, die eine Art<lb/>
Flo&#x017F;&#x017F;e dar&#x017F;tellen; die Thiere die&#x017F;er Gruppe &#x017F;pringen nicht, &#x017F;ondern<lb/>
laufen nur mit großer Schnelligkeit, oder wühlen auch im Sande;<lb/>
bei der Gruppe der eigentlichen Flohkreb&#x017F;e hingegen (<hi rendition="#aq">Talitrus, Orchestia,<lb/>
Gammarus, Leucothoë</hi>) i&#x017F;t der Hinterleib &#x017F;tark gebogen, &#x017F;eitlich zu&#x017F;am-<lb/>
mengedrückt und die hinteren Afterfüße in lange Springbor&#x017F;ten umge-<lb/>
wandelt. Eine Gattung die&#x017F;er Gruppe, die &#x017F;tets auf der Seite<lb/>
&#x017F;chwimmt, kommt in un&#x017F;eren &#x017F;üßen Gewä&#x017F;&#x017F;ern vor und &#x017F;oll, in Menge<lb/>
geno&#x017F;&#x017F;en, die röthliche Färbung des Flei&#x017F;ches der Forellen hervor-<lb/>
bringen.</p><lb/>
            <p>Die letzte Ordnung die&#x017F;er Unterkla&#x017F;&#x017F;e, welche zugleich die höch&#x017F;t<lb/>
organi&#x017F;irten Kru&#x017F;tenthiere enthält, die &#x017F;ich am näch&#x017F;ten den Tau&#x017F;end-<lb/>
füßen an&#x017F;chließen, i&#x017F;t die Ordnung der <hi rendition="#b">A&#x017F;&#x017F;eln (<hi rendition="#aq">Isopoda</hi>)</hi>, in der<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[477/0483] umgebogen, ungleich und einige Paare derſelben oft zu höchſt ſonder- baren Greiforganen mit einſchlagbaren Hornklingen ausgebildet. Der Hinterleib bildet eine Schwimmfloſſe, die gewöhnlich aus mehreren ſeitlichen Blättern zuſammengeſetzt iſt. Die Thiere dieſer Familie ſchwimmen im Allgemeinen gut, können aber nicht ſpringen und heften ſich gewöhnlich an Quallen und ähnliche gallertartige Seethiere an, in deren Inneres ſie eindringen, um die Körperſubſtanz zu verzeh- ren. Hyperia; Tyro; Lestrigon; Phronimus; Typhis. Die Familie der Flohkrebſe (Gammarida) kommt ſowohl im ſüßen Waſſer, als beſonders häufig im Meere an dem Strande vor, wo ſie zu Tauſenden in Schwärmen umher hüpfen, oder mit ihren langen Fühlern den Schlamm aufklopfen, um die darin verborgenen Würmer aufzuſuchen. Der Kopf dieſer Thierchen iſt weit kleiner, als in der vorigen Familie, zugerundet und mit zwei Paaren gewaltig großer Fühler beſetzt, die unter einander ſtehen. Die Kaufüße ſind ſehr groß, die Unterlippe bedeutend entwickelt und an ihrer Seite zwei lange geißelförmige Taſter angebracht. Die Bruſt hat ſtets ſieben Ringe und die zwei vorderen Fußpaare ſind gewöhnlich am ſtärkſten und zum Greifen der Beute oder zum Aufwühlen des Bodens geeignet; die Seitenſtücke der Rückenſchilde ſteigen gewöhnlich ſehr tief herab und bilden ſo eine Art tiefer Rinne, in welcher ſich die Füße faſt nur von hinten nach vorn bewegen können. Je nach der Organiſation des Hinterleibes hat man zwei Gruppen unterſchieden; bei der einen (Erichthonius, Corophia) iſt der Hinterleib nur mäßig gebogen und die letzten falſchen Fußpaare gehen in kurze Blätter aus, die eine Art Floſſe darſtellen; die Thiere dieſer Gruppe ſpringen nicht, ſondern laufen nur mit großer Schnelligkeit, oder wühlen auch im Sande; bei der Gruppe der eigentlichen Flohkrebſe hingegen (Talitrus, Orchestia, Gammarus, Leucothoë) iſt der Hinterleib ſtark gebogen, ſeitlich zuſam- mengedrückt und die hinteren Afterfüße in lange Springborſten umge- wandelt. Eine Gattung dieſer Gruppe, die ſtets auf der Seite ſchwimmt, kommt in unſeren ſüßen Gewäſſern vor und ſoll, in Menge genoſſen, die röthliche Färbung des Fleiſches der Forellen hervor- bringen. Die letzte Ordnung dieſer Unterklaſſe, welche zugleich die höchſt organiſirten Kruſtenthiere enthält, die ſich am nächſten den Tauſend- füßen anſchließen, iſt die Ordnung der Aſſeln (Isopoda), in der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/483
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/483>, abgerufen am 23.12.2024.