den Muschelthieren mit zur Aufnahme der Eier bestimmt sind. Jeden- falls ist die Thätigkeit dieser Kiemenorgane nur eine sehr geringe zu nennen, da viele Rankenfüßer sich an dem Meeresstrande sogar über der gewöhnlichen Fluthgrenze ansiedeln, wo sie außer bei Stürmen und Regen oft wochenlang vom Wasser nicht berührt werden. Das Nervensystem der Rankenfüßer ist übereinstimmend mit dem gewöhn- lichen Typus der Gliederthiere aus einer Reihe von Knoten gebildet, welche auf der Bauchseite zwischen den Rankenfüßen hinlaufen und durch doppelte Verbindungsstränge vereinigt werden. Da ein eigent- licher Kopf gar nicht entwickelt ist und besondere Sinnes- und Tast- werkzeuge fehlen, so fehlt auch ein besonderer Hirnknoten, und die dem Munde zunächst gelegenen Knoten des Bauchmarkes sind nur durch eine einfache Fadenbrücke über den Schlund herüber mit einan- der verbunden.
Alle Rankenfüßer sind Zwitter, in der Weise, daß vollständig ausgebildete männliche und weibliche Organe sich auf denselben Indi- viduen ausgebildet finden. Die Eierstöcke liegen stets zwischen dem Körper und dem Mantel, und zwar bei den gestielten Gattungen in der Höhle des Fußes selbst, bei den ungestielten zwischen den Lamellen des Mantels als einzelne Blindschläuche. Nach der Befruchtung ge- langen die Eier in die Höhle des Mantels und werden dort so weit ausgebrütet, bis die Embryonen die Eischale durchbrochen haben und fähig sind, sich selbstständig fortzubewegen, in welchem Zustande sie dann bei den Athembewegungen in Haufen ausgeworfen werden. Die männlichen Geschlechtstheile liegen in Gestalt knäuelförmiger, verästelter Hodenschläuche zu beiden Seiten des Darmkanales und setzen sich in gewundene Samenleiter fort, welche sich in der Nähe des Afters vereinigen, und dann als gemeinschaftlicher Samengang den schwanzförmigen gegliederten Anhang durchlaufen, um sich an der Spitze desselben zu öffnen. Offenbar befruchten die Rankenfüßer ihre Eier selbst, indem sie diesen gegliederten Anhang in die Höhle des Mantels zurückbiegen.
Obgleich die Entwickelungsgeschichte der Rankenfüßer noch nicht vollständig bekannt ist, so sind doch die Embryonen derselben und ihre Metamorphosen so weit untersucht, um mit Sicherheit ihre äußerst nahe Beziehung zu den übrigen Krebsen dieser Unterklasse darzuthun.
den Muſchelthieren mit zur Aufnahme der Eier beſtimmt ſind. Jeden- falls iſt die Thätigkeit dieſer Kiemenorgane nur eine ſehr geringe zu nennen, da viele Rankenfüßer ſich an dem Meeresſtrande ſogar über der gewöhnlichen Fluthgrenze anſiedeln, wo ſie außer bei Stürmen und Regen oft wochenlang vom Waſſer nicht berührt werden. Das Nervenſyſtem der Rankenfüßer iſt übereinſtimmend mit dem gewöhn- lichen Typus der Gliederthiere aus einer Reihe von Knoten gebildet, welche auf der Bauchſeite zwiſchen den Rankenfüßen hinlaufen und durch doppelte Verbindungsſtränge vereinigt werden. Da ein eigent- licher Kopf gar nicht entwickelt iſt und beſondere Sinnes- und Taſt- werkzeuge fehlen, ſo fehlt auch ein beſonderer Hirnknoten, und die dem Munde zunächſt gelegenen Knoten des Bauchmarkes ſind nur durch eine einfache Fadenbrücke über den Schlund herüber mit einan- der verbunden.
Alle Rankenfüßer ſind Zwitter, in der Weiſe, daß vollſtändig ausgebildete männliche und weibliche Organe ſich auf denſelben Indi- viduen ausgebildet finden. Die Eierſtöcke liegen ſtets zwiſchen dem Körper und dem Mantel, und zwar bei den geſtielten Gattungen in der Höhle des Fußes ſelbſt, bei den ungeſtielten zwiſchen den Lamellen des Mantels als einzelne Blindſchläuche. Nach der Befruchtung ge- langen die Eier in die Höhle des Mantels und werden dort ſo weit ausgebrütet, bis die Embryonen die Eiſchale durchbrochen haben und fähig ſind, ſich ſelbſtſtändig fortzubewegen, in welchem Zuſtande ſie dann bei den Athembewegungen in Haufen ausgeworfen werden. Die männlichen Geſchlechtstheile liegen in Geſtalt knäuelförmiger, veräſtelter Hodenſchläuche zu beiden Seiten des Darmkanales und ſetzen ſich in gewundene Samenleiter fort, welche ſich in der Nähe des Afters vereinigen, und dann als gemeinſchaftlicher Samengang den ſchwanzförmigen gegliederten Anhang durchlaufen, um ſich an der Spitze desſelben zu öffnen. Offenbar befruchten die Rankenfüßer ihre Eier ſelbſt, indem ſie dieſen gegliederten Anhang in die Höhle des Mantels zurückbiegen.
Obgleich die Entwickelungsgeſchichte der Rankenfüßer noch nicht vollſtändig bekannt iſt, ſo ſind doch die Embryonen derſelben und ihre Metamorphoſen ſo weit unterſucht, um mit Sicherheit ihre äußerſt nahe Beziehung zu den übrigen Krebſen dieſer Unterklaſſe darzuthun.
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den Muſchelthieren mit zur Aufnahme der Eier beſtimmt ſind. Jeden-
falls iſt die Thätigkeit dieſer Kiemenorgane nur eine ſehr geringe zu
nennen, da viele Rankenfüßer ſich an dem Meeresſtrande ſogar über
der gewöhnlichen Fluthgrenze anſiedeln, wo ſie außer bei Stürmen
und Regen oft wochenlang vom Waſſer nicht berührt werden. Das
Nervenſyſtem der Rankenfüßer iſt übereinſtimmend mit dem gewöhn-
lichen Typus der Gliederthiere aus einer Reihe von Knoten gebildet,
welche auf der Bauchſeite zwiſchen den Rankenfüßen hinlaufen und
durch doppelte Verbindungsſtränge vereinigt werden. Da ein eigent-
licher Kopf gar nicht entwickelt iſt und beſondere Sinnes- und Taſt-
werkzeuge fehlen, ſo fehlt auch ein beſonderer Hirnknoten, und die
dem Munde zunächſt gelegenen Knoten des Bauchmarkes ſind nur
durch eine einfache Fadenbrücke über den Schlund herüber mit einan-
der verbunden.
Alle Rankenfüßer ſind Zwitter, in der Weiſe, daß vollſtändig
ausgebildete männliche und weibliche Organe ſich auf denſelben Indi-
viduen ausgebildet finden. Die Eierſtöcke liegen ſtets zwiſchen dem
Körper und dem Mantel, und zwar bei den geſtielten Gattungen in
der Höhle des Fußes ſelbſt, bei den ungeſtielten zwiſchen den Lamellen
des Mantels als einzelne Blindſchläuche. Nach der Befruchtung ge-
langen die Eier in die Höhle des Mantels und werden dort ſo weit
ausgebrütet, bis die Embryonen die Eiſchale durchbrochen haben und
fähig ſind, ſich ſelbſtſtändig fortzubewegen, in welchem Zuſtande ſie
dann bei den Athembewegungen in Haufen ausgeworfen werden. Die
männlichen Geſchlechtstheile liegen in Geſtalt knäuelförmiger,
veräſtelter Hodenſchläuche zu beiden Seiten des Darmkanales und
ſetzen ſich in gewundene Samenleiter fort, welche ſich in der Nähe
des Afters vereinigen, und dann als gemeinſchaftlicher Samengang
den ſchwanzförmigen gegliederten Anhang durchlaufen, um ſich an der
Spitze desſelben zu öffnen. Offenbar befruchten die Rankenfüßer ihre
Eier ſelbſt, indem ſie dieſen gegliederten Anhang in die Höhle des
Mantels zurückbiegen.
Obgleich die Entwickelungsgeſchichte der Rankenfüßer noch nicht
vollſtändig bekannt iſt, ſo ſind doch die Embryonen derſelben und ihre
Metamorphoſen ſo weit unterſucht, um mit Sicherheit ihre äußerſt
nahe Beziehung zu den übrigen Krebſen dieſer Unterklaſſe darzuthun.
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/431>, abgerufen am 24.11.2024.
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