aufbauen. Die weitere Ausbildung dieser formlosen, körnigen Grundsub- stanz geht sowohl bei den Embryonen, wie bei den Thieren im erwach- senen Zustande in gleicher Weise vor sich. Es entstehen bestimmte Elementarformen, Bläschen von mehr oder minder kuglicher Gestalt, Zellen von mancherlei Beschaffenheit, in welchen eine deutlichere Son- derung zwischen äußerer Hülle und eingeschlossenem Inhalt Statt ge- funden hat, und deren Zusammenhäufung den Thierkörper bildet. Erst später entwickeln sich aus diesen Zellen, aus ihrem Inhalte und der form- losen Substanz, die sie umgibt, die einzelnen Gewebtheile hervor, deren Mannigfaltigkeit den Thierleib und seine vielfachen Organe auf ihrer höheren Stufe zusammensetzt. Wir kommen in den folgenden Blättern auf diese Ausbildung der Gewebe zurück. Hier sei nur so viel bemerkt, daß die Abhängigkeit eines Theiles vom ganzen Thierleibe um so größer, die Verbindung desselben mit dem übrigen Organismus um so nöthiger ist, je weiter diese Ausbildung der Gewebe fortgeschritten und damit auch die Sonderung der einzelnen Organe und ihrer Func- tionen gediehen ist. Bedenkt man, daß die Sarkode alle Functionen des Thieres, Empfindung und Bewegung, Einnahme und Austausch von Stoffen im Keime in sich vereinigt, so wird es begreiflich, daß auch jeder Theil derselben mit diesen Functionen ausgerüstet als selbst- ständiger Organismus auftreten kann. Je mehr aber die Trennung der Functionen eintritt, desto weniger ist dies ferner möglich.
Daher denn auch die erstaunliche Wiedererzeugungskraft der niederen Thiere, die so weit geht, daß bei vielen jedes Stück des Organismus sich zu einem selbstständigen Thiere ausbilden kann. Im normalen Leben des Thieres tritt diese Eigenschaft als geschlechtslose Zeugung durch Theilung, Knospung, Sprossung auf; der Thierleib, welcher entweder nur aus Sarkode oder aus Zellen mit sehr wenig differenzirten Organen besteht, theilt sich freiwillig in mehre selbst- ständige Wesen oder treibt an irgend einer Stelle Sarkode gleichsam als Ueberwucherung hervor, welche sich nach und nach zu einem selbst- ständigen Thiere ausbildet. Als letzter Rest dieser Fähigkeit bleibt auch bei den höchsten Thieren die Thätigkeit des Eierstockes, als eines Organes, welches die Eier, d. h. die aus formloser Körnchensubstanz, aus Sarkode, bestehenden Keime der neuen Wesen allein hervorzubrin- gen im Stande ist.
Bei abnormen Zuständen tritt uns dieselbe Erscheinung entgegen und in um so ausgebildeterem Maße, je tiefer das Thier in Hinsicht seiner Gewebs- und Organ-Entfaltung steht. Der zerschnittene Arm- polyp wächst zu zwei selbstständigen Thieren aus; jede seiner Hälften
aufbauen. Die weitere Ausbildung dieſer formloſen, körnigen Grundſub- ſtanz geht ſowohl bei den Embryonen, wie bei den Thieren im erwach- ſenen Zuſtande in gleicher Weiſe vor ſich. Es entſtehen beſtimmte Elementarformen, Bläschen von mehr oder minder kuglicher Geſtalt, Zellen von mancherlei Beſchaffenheit, in welchen eine deutlichere Son- derung zwiſchen äußerer Hülle und eingeſchloſſenem Inhalt Statt ge- funden hat, und deren Zuſammenhäufung den Thierkörper bildet. Erſt ſpäter entwickeln ſich aus dieſen Zellen, aus ihrem Inhalte und der form- loſen Subſtanz, die ſie umgibt, die einzelnen Gewebtheile hervor, deren Mannigfaltigkeit den Thierleib und ſeine vielfachen Organe auf ihrer höheren Stufe zuſammenſetzt. Wir kommen in den folgenden Blättern auf dieſe Ausbildung der Gewebe zurück. Hier ſei nur ſo viel bemerkt, daß die Abhängigkeit eines Theiles vom ganzen Thierleibe um ſo größer, die Verbindung deſſelben mit dem übrigen Organismus um ſo nöthiger iſt, je weiter dieſe Ausbildung der Gewebe fortgeſchritten und damit auch die Sonderung der einzelnen Organe und ihrer Func- tionen gediehen iſt. Bedenkt man, daß die Sarkode alle Functionen des Thieres, Empfindung und Bewegung, Einnahme und Austauſch von Stoffen im Keime in ſich vereinigt, ſo wird es begreiflich, daß auch jeder Theil derſelben mit dieſen Functionen ausgerüſtet als ſelbſt- ſtändiger Organismus auftreten kann. Je mehr aber die Trennung der Functionen eintritt, deſto weniger iſt dies ferner möglich.
Daher denn auch die erſtaunliche Wiedererzeugungskraft der niederen Thiere, die ſo weit geht, daß bei vielen jedes Stück des Organismus ſich zu einem ſelbſtſtändigen Thiere ausbilden kann. Im normalen Leben des Thieres tritt dieſe Eigenſchaft als geſchlechtsloſe Zeugung durch Theilung, Knospung, Sproſſung auf; der Thierleib, welcher entweder nur aus Sarkode oder aus Zellen mit ſehr wenig differenzirten Organen beſteht, theilt ſich freiwillig in mehre ſelbſt- ſtändige Weſen oder treibt an irgend einer Stelle Sarkode gleichſam als Ueberwucherung hervor, welche ſich nach und nach zu einem ſelbſt- ſtändigen Thiere ausbildet. Als letzter Reſt dieſer Fähigkeit bleibt auch bei den höchſten Thieren die Thätigkeit des Eierſtockes, als eines Organes, welches die Eier, d. h. die aus formloſer Körnchenſubſtanz, aus Sarkode, beſtehenden Keime der neuen Weſen allein hervorzubrin- gen im Stande iſt.
Bei abnormen Zuſtänden tritt uns dieſelbe Erſcheinung entgegen und in um ſo ausgebildeterem Maße, je tiefer das Thier in Hinſicht ſeiner Gewebs- und Organ-Entfaltung ſteht. Der zerſchnittene Arm- polyp wächſt zu zwei ſelbſtſtändigen Thieren aus; jede ſeiner Hälften
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aufbauen. Die weitere Ausbildung dieſer formloſen, körnigen Grundſub-
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ſenen Zuſtande in gleicher Weiſe vor ſich. Es entſtehen beſtimmte
Elementarformen, Bläschen von mehr oder minder kuglicher Geſtalt,
Zellen von mancherlei Beſchaffenheit, in welchen eine deutlichere Son-
derung zwiſchen äußerer Hülle und eingeſchloſſenem Inhalt Statt ge-
funden hat, und deren Zuſammenhäufung den Thierkörper bildet. Erſt
ſpäter entwickeln ſich aus dieſen Zellen, aus ihrem Inhalte und der form-
loſen Subſtanz, die ſie umgibt, die einzelnen Gewebtheile hervor, deren
Mannigfaltigkeit den Thierleib und ſeine vielfachen Organe auf ihrer
höheren Stufe zuſammenſetzt. Wir kommen in den folgenden Blättern
auf dieſe Ausbildung der Gewebe zurück. Hier ſei nur ſo viel bemerkt,
daß die Abhängigkeit eines Theiles vom ganzen Thierleibe um ſo
größer, die Verbindung deſſelben mit dem übrigen Organismus um
ſo nöthiger iſt, je weiter dieſe Ausbildung der Gewebe fortgeſchritten
und damit auch die Sonderung der einzelnen Organe und ihrer Func-
tionen gediehen iſt. Bedenkt man, daß die Sarkode alle Functionen
des Thieres, Empfindung und Bewegung, Einnahme und Austauſch
von Stoffen im Keime in ſich vereinigt, ſo wird es begreiflich, daß
auch jeder Theil derſelben mit dieſen Functionen ausgerüſtet als ſelbſt-
ſtändiger Organismus auftreten kann. Je mehr aber die Trennung
der Functionen eintritt, deſto weniger iſt dies ferner möglich.
Daher denn auch die erſtaunliche Wiedererzeugungskraft
der niederen Thiere, die ſo weit geht, daß bei vielen jedes Stück des
Organismus ſich zu einem ſelbſtſtändigen Thiere ausbilden kann. Im
normalen Leben des Thieres tritt dieſe Eigenſchaft als geſchlechtsloſe
Zeugung durch Theilung, Knospung, Sproſſung auf; der Thierleib,
welcher entweder nur aus Sarkode oder aus Zellen mit ſehr wenig
differenzirten Organen beſteht, theilt ſich freiwillig in mehre ſelbſt-
ſtändige Weſen oder treibt an irgend einer Stelle Sarkode gleichſam
als Ueberwucherung hervor, welche ſich nach und nach zu einem ſelbſt-
ſtändigen Thiere ausbildet. Als letzter Reſt dieſer Fähigkeit bleibt
auch bei den höchſten Thieren die Thätigkeit des Eierſtockes, als eines
Organes, welches die Eier, d. h. die aus formloſer Körnchenſubſtanz,
aus Sarkode, beſtehenden Keime der neuen Weſen allein hervorzubrin-
gen im Stande iſt.
Bei abnormen Zuſtänden tritt uns dieſelbe Erſcheinung entgegen
und in um ſo ausgebildeterem Maße, je tiefer das Thier in Hinſicht
ſeiner Gewebs- und Organ-Entfaltung ſteht. Der zerſchnittene Arm-
polyp wächſt zu zwei ſelbſtſtändigen Thieren aus; jede ſeiner Hälften
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/43>, abgerufen am 04.12.2024.
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