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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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gane hervorgerufen, deren Einreihung unter allgemein leitende Normen
nur schwer zu finden ist. Wir können hier nur einzelne Andeutungen
in dieser Beziehung geben.

Nur bei der höchsten Entfaltung des Typus der Gliederthiere
finden sich auch an der Rückenfläche des Körpers, an der oberen
Hälfte der Körperringe gegliederte Anhänge, welche zu der Bewegung in
der Luft dienen und mit dem Namen der Flügel bezeichnet werden.
Die Insekten sind die einzige Klasse, bei welcher diese Art Rücken-
ständiger Anhänge zur Entwicklung kommt, und auch bei ihnen nur
in Folge der Metamorphose nach längerem oder kürzerem selbstständi-
gem Leben, weßhalb auch die verwandlungslosen Insekten niemals
Flügel erhalten und alle Insekten derselben bei dem Ausschlüpfen aus
dem Eie gänzlich entbehren. Alle übrigen Anhänge gehören der unte-
ren Fläche, der Bauchfläche des Körpers, an welcher das Nervensystem
liegt, an, und selbst für diejenigen Anhänge, welche oft auf die obere
Fläche des Körpers rücken, wie namentlich für die Fühler, gilt dies
Gesetz, denn bei dem Embryo liegen dieselben stets deutlich an der
Unterfläche und werden erst durch spätere Umbildung auf die Stirn
oder selbst auf den Scheitel des Kopfes geschoben.

Das gegenseitige Verhältniß dieser unteren gegliederten Anhänge
zu einander bei den verschiedenen Klassen und Ordnungen zu bestim-
men, hält schon um deßwillen sehr schwer, weil ihre Zahl, Form,
Bestimmung und Lage ausnehmend wechselt und häufig bei den ein-
zelnen hervorragenden Bildungstypen die Zwischenstufen der Abän-
derungen fehlen, durch welche geleitet, man mit Sicherheit von der
einen Form zum Verständniß der andern vorschreiten könnte. Be-
trachtet man z. B. ein vollkommenes Insekt, eine Heuschrecke, einen
Käfer, so scheinen die Anhänge scharf getrennt in Form, Lage und
Bestimmung. Vorn an dem Kopfe die Fühler zur Aufnahme von
Sinneseindrücken, sei es zum Tasten, zum Kriechen oder Hören be-
stimmt und darnach gebaut; dann, im Kreise um den Mund, verschie-
dene Kauwerkzeuge, theils zum Zerkleinern oder Betasten der Nahrungs-
mittel, zum Fangen und Durchbohren der Beute, theils zum Schließen
des Mundes bestimmt; dahinter, von den Brustringen abhängig, die
Beine, reine Bewegungswerkzeuge und nur zu diesem Zwecke ausge-
bildet. Welcher Abstand von hier zu einem Krebse, wo die Zahl der
Fühler, der Kiefer, der Beine sich vermehrt und man kaum mehr weiß,
welcher Bestimmung den Vorzug zu geben, indem derselbe Anhang, den
wir hier als Bein und reines Bewegungswerkzeug erkennen, dort als
Kauwerkzeug, hier als Greiforgan, an einem dritten Thiere als Kie-

gane hervorgerufen, deren Einreihung unter allgemein leitende Normen
nur ſchwer zu finden iſt. Wir können hier nur einzelne Andeutungen
in dieſer Beziehung geben.

Nur bei der höchſten Entfaltung des Typus der Gliederthiere
finden ſich auch an der Rückenfläche des Körpers, an der oberen
Hälfte der Körperringe gegliederte Anhänge, welche zu der Bewegung in
der Luft dienen und mit dem Namen der Flügel bezeichnet werden.
Die Inſekten ſind die einzige Klaſſe, bei welcher dieſe Art Rücken-
ſtändiger Anhänge zur Entwicklung kommt, und auch bei ihnen nur
in Folge der Metamorphoſe nach längerem oder kürzerem ſelbſtſtändi-
gem Leben, weßhalb auch die verwandlungsloſen Inſekten niemals
Flügel erhalten und alle Inſekten derſelben bei dem Ausſchlüpfen aus
dem Eie gänzlich entbehren. Alle übrigen Anhänge gehören der unte-
ren Fläche, der Bauchfläche des Körpers, an welcher das Nervenſyſtem
liegt, an, und ſelbſt für diejenigen Anhänge, welche oft auf die obere
Fläche des Körpers rücken, wie namentlich für die Fühler, gilt dies
Geſetz, denn bei dem Embryo liegen dieſelben ſtets deutlich an der
Unterfläche und werden erſt durch ſpätere Umbildung auf die Stirn
oder ſelbſt auf den Scheitel des Kopfes geſchoben.

Das gegenſeitige Verhältniß dieſer unteren gegliederten Anhänge
zu einander bei den verſchiedenen Klaſſen und Ordnungen zu beſtim-
men, hält ſchon um deßwillen ſehr ſchwer, weil ihre Zahl, Form,
Beſtimmung und Lage ausnehmend wechſelt und häufig bei den ein-
zelnen hervorragenden Bildungstypen die Zwiſchenſtufen der Abän-
derungen fehlen, durch welche geleitet, man mit Sicherheit von der
einen Form zum Verſtändniß der andern vorſchreiten könnte. Be-
trachtet man z. B. ein vollkommenes Inſekt, eine Heuſchrecke, einen
Käfer, ſo ſcheinen die Anhänge ſcharf getrennt in Form, Lage und
Beſtimmung. Vorn an dem Kopfe die Fühler zur Aufnahme von
Sinneseindrücken, ſei es zum Taſten, zum Kriechen oder Hören be-
ſtimmt und darnach gebaut; dann, im Kreiſe um den Mund, verſchie-
dene Kauwerkzeuge, theils zum Zerkleinern oder Betaſten der Nahrungs-
mittel, zum Fangen und Durchbohren der Beute, theils zum Schließen
des Mundes beſtimmt; dahinter, von den Bruſtringen abhängig, die
Beine, reine Bewegungswerkzeuge und nur zu dieſem Zwecke ausge-
bildet. Welcher Abſtand von hier zu einem Krebſe, wo die Zahl der
Fühler, der Kiefer, der Beine ſich vermehrt und man kaum mehr weiß,
welcher Beſtimmung den Vorzug zu geben, indem derſelbe Anhang, den
wir hier als Bein und reines Bewegungswerkzeug erkennen, dort als
Kauwerkzeug, hier als Greiforgan, an einem dritten Thiere als Kie-

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[397/0403] gane hervorgerufen, deren Einreihung unter allgemein leitende Normen nur ſchwer zu finden iſt. Wir können hier nur einzelne Andeutungen in dieſer Beziehung geben. Nur bei der höchſten Entfaltung des Typus der Gliederthiere finden ſich auch an der Rückenfläche des Körpers, an der oberen Hälfte der Körperringe gegliederte Anhänge, welche zu der Bewegung in der Luft dienen und mit dem Namen der Flügel bezeichnet werden. Die Inſekten ſind die einzige Klaſſe, bei welcher dieſe Art Rücken- ſtändiger Anhänge zur Entwicklung kommt, und auch bei ihnen nur in Folge der Metamorphoſe nach längerem oder kürzerem ſelbſtſtändi- gem Leben, weßhalb auch die verwandlungsloſen Inſekten niemals Flügel erhalten und alle Inſekten derſelben bei dem Ausſchlüpfen aus dem Eie gänzlich entbehren. Alle übrigen Anhänge gehören der unte- ren Fläche, der Bauchfläche des Körpers, an welcher das Nervenſyſtem liegt, an, und ſelbſt für diejenigen Anhänge, welche oft auf die obere Fläche des Körpers rücken, wie namentlich für die Fühler, gilt dies Geſetz, denn bei dem Embryo liegen dieſelben ſtets deutlich an der Unterfläche und werden erſt durch ſpätere Umbildung auf die Stirn oder ſelbſt auf den Scheitel des Kopfes geſchoben. Das gegenſeitige Verhältniß dieſer unteren gegliederten Anhänge zu einander bei den verſchiedenen Klaſſen und Ordnungen zu beſtim- men, hält ſchon um deßwillen ſehr ſchwer, weil ihre Zahl, Form, Beſtimmung und Lage ausnehmend wechſelt und häufig bei den ein- zelnen hervorragenden Bildungstypen die Zwiſchenſtufen der Abän- derungen fehlen, durch welche geleitet, man mit Sicherheit von der einen Form zum Verſtändniß der andern vorſchreiten könnte. Be- trachtet man z. B. ein vollkommenes Inſekt, eine Heuſchrecke, einen Käfer, ſo ſcheinen die Anhänge ſcharf getrennt in Form, Lage und Beſtimmung. Vorn an dem Kopfe die Fühler zur Aufnahme von Sinneseindrücken, ſei es zum Taſten, zum Kriechen oder Hören be- ſtimmt und darnach gebaut; dann, im Kreiſe um den Mund, verſchie- dene Kauwerkzeuge, theils zum Zerkleinern oder Betaſten der Nahrungs- mittel, zum Fangen und Durchbohren der Beute, theils zum Schließen des Mundes beſtimmt; dahinter, von den Bruſtringen abhängig, die Beine, reine Bewegungswerkzeuge und nur zu dieſem Zwecke ausge- bildet. Welcher Abſtand von hier zu einem Krebſe, wo die Zahl der Fühler, der Kiefer, der Beine ſich vermehrt und man kaum mehr weiß, welcher Beſtimmung den Vorzug zu geben, indem derſelbe Anhang, den wir hier als Bein und reines Bewegungswerkzeug erkennen, dort als Kauwerkzeug, hier als Greiforgan, an einem dritten Thiere als Kie-

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/403>, abgerufen am 23.12.2024.