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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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an relativer Zahl in den einzelnen Formationen zugenommen, aber
ohne daß deßhalb die Familien und Gattungen wesentliche Verände-
rungen erlitten hätten. In den Uebergangsgebirgen kommen wenig-
stens eben so viel Arten noch lebender Gattungen vor, als solche, die
untergegangenen Gattungen angehören und auffallend verschiedene Typen
finden sich kaum, mit Ausnahme der Gattung Bellerophon, die aus
symmetrischen, in einer Ebene aufgerollten Schalen besteht, deren letzte
Windung sehr weit ist, einen halbmondförmigen, schneidenden Mund-
rand hat, der in der Mitte geschlitzt ist und dessen Schlitz sich als
Kiel auf der äußeren Seite der Schale fortsetzt. Man hat diese Scha-
len bald in die Nähe der Blasenschnecken, meist aber zu den Flossen-
füßern in die Nachbarschaft der Atlanten gestellt, mit denen sie auch
in der That die meiste Aehnlichkeit haben. Die Rückenkiemer sind nur
durch die Blasenschnecken (Bulla) und zwar erst von den jurassischen
Schichten an repräsentirt; eine Erscheinung, die nicht auffallen kann,
da sie meistens nackt find. Unter den Halskiemern erscheinen die
Schüsselschnecken (Patellida) schon in dem Uebergangsgebirge, eben so
wie die Zahnschnecken (Dentalium), die Mützenschnecken (Capulida), die
Napfschnecken (Sigaretida), die Strandschnecken (Litorina, Turritella),
die Nadelschnecken (Cerithida), die Tritonshörner (Buccinida), die
Mondschnecken (Neritida), die Kreiselschnecken (Trochida), die See-
ohren (Haliotida), während die Flügelschnecken (Strombida), die Ke-
gelschnecken (Conida) erst im Jura, die Faltenschnecken (Volutida) in
der Kreide, die Eischnecken (Ovulida), Thurmschnecken (Pleurotomida),
Spindelschnecken (Fusida) und Felsenschnecken (Muricida) erst in der
Tertiärzeit zu voller Entwickelung gelangen. Die Lungenschnecken,
welche fast alle dem süßen Wasser oder dem festen Lande angehören,
beginnen erst in der bekannten Wälderformation, jener lokalen Süß-
wasserbildung der unteren Kreide, sind aber dann in allen Süßwasser-
ablagerungen zahlreich vertreten.



an relativer Zahl in den einzelnen Formationen zugenommen, aber
ohne daß deßhalb die Familien und Gattungen weſentliche Verände-
rungen erlitten hätten. In den Uebergangsgebirgen kommen wenig-
ſtens eben ſo viel Arten noch lebender Gattungen vor, als ſolche, die
untergegangenen Gattungen angehören und auffallend verſchiedene Typen
finden ſich kaum, mit Ausnahme der Gattung Bellerophon, die aus
ſymmetriſchen, in einer Ebene aufgerollten Schalen beſteht, deren letzte
Windung ſehr weit iſt, einen halbmondförmigen, ſchneidenden Mund-
rand hat, der in der Mitte geſchlitzt iſt und deſſen Schlitz ſich als
Kiel auf der äußeren Seite der Schale fortſetzt. Man hat dieſe Scha-
len bald in die Nähe der Blaſenſchnecken, meiſt aber zu den Floſſen-
füßern in die Nachbarſchaft der Atlanten geſtellt, mit denen ſie auch
in der That die meiſte Aehnlichkeit haben. Die Rückenkiemer ſind nur
durch die Blaſenſchnecken (Bulla) und zwar erſt von den juraſſiſchen
Schichten an repräſentirt; eine Erſcheinung, die nicht auffallen kann,
da ſie meiſtens nackt find. Unter den Halskiemern erſcheinen die
Schüſſelſchnecken (Patellida) ſchon in dem Uebergangsgebirge, eben ſo
wie die Zahnſchnecken (Dentalium), die Mützenſchnecken (Capulida), die
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die Nadelſchnecken (Cerithida), die Tritonshörner (Buccinida), die
Mondſchnecken (Neritida), die Kreiſelſchnecken (Trochida), die See-
ohren (Haliotida), während die Flügelſchnecken (Strombida), die Ke-
gelſchnecken (Conida) erſt im Jura, die Faltenſchnecken (Volutida) in
der Kreide, die Eiſchnecken (Ovulida), Thurmſchnecken (Pleurotomida),
Spindelſchnecken (Fusida) und Felſenſchnecken (Muricida) erſt in der
Tertiärzeit zu voller Entwickelung gelangen. Die Lungenſchnecken,
welche faſt alle dem ſüßen Waſſer oder dem feſten Lande angehören,
beginnen erſt in der bekannten Wälderformation, jener lokalen Süß-
waſſerbildung der unteren Kreide, ſind aber dann in allen Süßwaſſer-
ablagerungen zahlreich vertreten.



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[360/0366] an relativer Zahl in den einzelnen Formationen zugenommen, aber ohne daß deßhalb die Familien und Gattungen weſentliche Verände- rungen erlitten hätten. In den Uebergangsgebirgen kommen wenig- ſtens eben ſo viel Arten noch lebender Gattungen vor, als ſolche, die untergegangenen Gattungen angehören und auffallend verſchiedene Typen finden ſich kaum, mit Ausnahme der Gattung Bellerophon, die aus ſymmetriſchen, in einer Ebene aufgerollten Schalen beſteht, deren letzte Windung ſehr weit iſt, einen halbmondförmigen, ſchneidenden Mund- rand hat, der in der Mitte geſchlitzt iſt und deſſen Schlitz ſich als Kiel auf der äußeren Seite der Schale fortſetzt. Man hat dieſe Scha- len bald in die Nähe der Blaſenſchnecken, meiſt aber zu den Floſſen- füßern in die Nachbarſchaft der Atlanten geſtellt, mit denen ſie auch in der That die meiſte Aehnlichkeit haben. Die Rückenkiemer ſind nur durch die Blaſenſchnecken (Bulla) und zwar erſt von den juraſſiſchen Schichten an repräſentirt; eine Erſcheinung, die nicht auffallen kann, da ſie meiſtens nackt find. Unter den Halskiemern erſcheinen die Schüſſelſchnecken (Patellida) ſchon in dem Uebergangsgebirge, eben ſo wie die Zahnſchnecken (Dentalium), die Mützenſchnecken (Capulida), die Napfſchnecken (Sigaretida), die Strandſchnecken (Litorina, Turritella), die Nadelſchnecken (Cerithida), die Tritonshörner (Buccinida), die Mondſchnecken (Neritida), die Kreiſelſchnecken (Trochida), die See- ohren (Haliotida), während die Flügelſchnecken (Strombida), die Ke- gelſchnecken (Conida) erſt im Jura, die Faltenſchnecken (Volutida) in der Kreide, die Eiſchnecken (Ovulida), Thurmſchnecken (Pleurotomida), Spindelſchnecken (Fusida) und Felſenſchnecken (Muricida) erſt in der Tertiärzeit zu voller Entwickelung gelangen. Die Lungenſchnecken, welche faſt alle dem ſüßen Waſſer oder dem feſten Lande angehören, beginnen erſt in der bekannten Wälderformation, jener lokalen Süß- waſſerbildung der unteren Kreide, ſind aber dann in allen Süßwaſſer- ablagerungen zahlreich vertreten.

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/366>, abgerufen am 23.12.2024.