ausgezogen und zuweilen sondert er auf seiner ganzen Oberfläche eine dünne Kalklage ab, die eine Röhre bildet, in welcher das Thier steckt. Die Schalen dieser sämmtlichen Thiere sind sehr dünn, gerippt und haben meistens kein deutliches Schloß; sie klaffen nach allen Seiten hin und bei vielen Gattungen erscheinen sie nur als unbedeutende An- hängsel des Thieres oder der Kalkröhre, von welcher dasselbe einge- schlossen ist.
[Abbildung]
Fig. 326.
Der Pfahlwurm (Teredo navalis).
Die Familie der Bohrmuscheln(Teredida) besitzt stets zwei sehr deutliche, unregelmäßige, gleiche Schalen, die an dem Schlosse durch einen löffelförmigen Fortsatz miteinander vereinigt sind. Der wurmförmige Mantel ist frei, ebenso die Schalen, und wenn die Thiere eine Kalkröhre bilden, so kleidet dieselbe die Gallerie, welche sie bohren, aus, ohne dem Mantel selbst anzuhängen. Bei den eigentlichen Bohrmuscheln(Pholas) ist die Schale noch ziemlich groß und in einer ziemlichen Strecke am Schlosse durch einen löffelförmigen Fortsatz verbun- den. Der Fuß ist kurz, dick und rund, die hintere Röhre einfach, aber durch eine innere Scheidewand ge- theilt. Die Bohrmuscheln bohren sich in einer gewissen Tiefe unter dem Wasserspiegel, am liebsten in kalkige senkrechte Felsmassen wagerecht ein, verschmähen aber auch Ko- rallen und selbst Schlamm nicht. Ihre Galerieen sind äußerst glatt, gleichsam polirt und bieten besonders an steini- gen und felsigen Ufern durch die constante Höhe unter dem Wasserspiegel, in welcher sie sich einbohren, ein ganz vortreffliches Kennzeichen für alte Strandlinien und frühere Höhe des Meeresspiegels. Bei den Bohr- muscheln stehen die eigenthümlichen Kieselkrystalle, welche ihnen zum Bohren und Abschleifen der Felsen dienen, besonders auf dem runden zapfenförmigen Fuße, wäh- rend sie bei den Pfahlwürmern über den ganzen Man- tel, besonders aber über dessen vorderen Wulst, der von dem Pfahlwurme bedeutend aufgebläht werden kann, zerstreut sind.
Die Pfahlwürmer(Teredo), welche ebenfalls zu dieser Familie gehören, sind bekannt durch die unge- heueren Verheerungen, die sie in Häfen und Werften an dem unter Wasser befindlichen Holze anrichten. Das Thier hat etwa die Dicke und Länge eines Regenwurmes und endet nach hinten in zwei lange,
ausgezogen und zuweilen ſondert er auf ſeiner ganzen Oberfläche eine dünne Kalklage ab, die eine Röhre bildet, in welcher das Thier ſteckt. Die Schalen dieſer ſämmtlichen Thiere ſind ſehr dünn, gerippt und haben meiſtens kein deutliches Schloß; ſie klaffen nach allen Seiten hin und bei vielen Gattungen erſcheinen ſie nur als unbedeutende An- hängſel des Thieres oder der Kalkröhre, von welcher daſſelbe einge- ſchloſſen iſt.
[Abbildung]
Fig. 326.
Der Pfahlwurm (Teredo navalis).
Die Familie der Bohrmuſcheln(Teredida) beſitzt ſtets zwei ſehr deutliche, unregelmäßige, gleiche Schalen, die an dem Schloſſe durch einen löffelförmigen Fortſatz miteinander vereinigt ſind. Der wurmförmige Mantel iſt frei, ebenſo die Schalen, und wenn die Thiere eine Kalkröhre bilden, ſo kleidet dieſelbe die Gallerie, welche ſie bohren, aus, ohne dem Mantel ſelbſt anzuhängen. Bei den eigentlichen Bohrmuſcheln(Pholas) iſt die Schale noch ziemlich groß und in einer ziemlichen Strecke am Schloſſe durch einen löffelförmigen Fortſatz verbun- den. Der Fuß iſt kurz, dick und rund, die hintere Röhre einfach, aber durch eine innere Scheidewand ge- theilt. Die Bohrmuſcheln bohren ſich in einer gewiſſen Tiefe unter dem Waſſerſpiegel, am liebſten in kalkige ſenkrechte Felsmaſſen wagerecht ein, verſchmähen aber auch Ko- rallen und ſelbſt Schlamm nicht. Ihre Galerieen ſind äußerſt glatt, gleichſam polirt und bieten beſonders an ſteini- gen und felſigen Ufern durch die conſtante Höhe unter dem Waſſerſpiegel, in welcher ſie ſich einbohren, ein ganz vortreffliches Kennzeichen für alte Strandlinien und frühere Höhe des Meeresſpiegels. Bei den Bohr- muſcheln ſtehen die eigenthümlichen Kieſelkryſtalle, welche ihnen zum Bohren und Abſchleifen der Felſen dienen, beſonders auf dem runden zapfenförmigen Fuße, wäh- rend ſie bei den Pfahlwürmern über den ganzen Man- tel, beſonders aber über deſſen vorderen Wulſt, der von dem Pfahlwurme bedeutend aufgebläht werden kann, zerſtreut ſind.
Die Pfahlwürmer(Teredo), welche ebenfalls zu dieſer Familie gehören, ſind bekannt durch die unge- heueren Verheerungen, die ſie in Häfen und Werften an dem unter Waſſer befindlichen Holze anrichten. Das Thier hat etwa die Dicke und Länge eines Regenwurmes und endet nach hinten in zwei lange,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0319"n="313"/>
ausgezogen und zuweilen ſondert er auf ſeiner ganzen Oberfläche eine<lb/>
dünne Kalklage ab, die eine Röhre bildet, in welcher das Thier ſteckt.<lb/>
Die Schalen dieſer ſämmtlichen Thiere ſind ſehr dünn, gerippt und<lb/>
haben meiſtens kein deutliches Schloß; ſie klaffen nach allen Seiten<lb/>
hin und bei vielen Gattungen erſcheinen ſie nur als unbedeutende An-<lb/>
hängſel des Thieres oder der Kalkröhre, von welcher daſſelbe einge-<lb/>ſchloſſen iſt.</p><lb/><figure><head>Fig. 326.</head><lb/><p>Der Pfahlwurm<lb/><hirendition="#aq">(Teredo navalis).</hi></p></figure><lb/><p>Die Familie der <hirendition="#b">Bohrmuſcheln</hi><hirendition="#i"><hirendition="#aq">(Teredida)</hi></hi> beſitzt<lb/>ſtets zwei ſehr deutliche, unregelmäßige, gleiche Schalen,<lb/>
die an dem Schloſſe durch einen löffelförmigen Fortſatz<lb/>
miteinander vereinigt ſind. Der wurmförmige Mantel<lb/>
iſt frei, ebenſo die Schalen, und wenn die Thiere eine<lb/>
Kalkröhre bilden, ſo kleidet dieſelbe die Gallerie, welche<lb/>ſie bohren, aus, ohne dem Mantel ſelbſt anzuhängen.<lb/>
Bei den eigentlichen <hirendition="#g">Bohrmuſcheln</hi><hirendition="#aq">(Pholas)</hi> iſt die<lb/>
Schale noch ziemlich groß und in einer ziemlichen Strecke<lb/>
am Schloſſe durch einen löffelförmigen Fortſatz verbun-<lb/>
den. Der Fuß iſt kurz, dick und rund, die hintere<lb/>
Röhre einfach, aber durch eine innere Scheidewand ge-<lb/>
theilt. Die Bohrmuſcheln bohren ſich in einer gewiſſen Tiefe<lb/>
unter dem Waſſerſpiegel, am liebſten in kalkige ſenkrechte<lb/>
Felsmaſſen wagerecht ein, verſchmähen aber auch Ko-<lb/>
rallen und ſelbſt Schlamm nicht. Ihre Galerieen ſind<lb/>
äußerſt glatt, gleichſam polirt und bieten beſonders an ſteini-<lb/>
gen und felſigen Ufern durch die conſtante Höhe unter<lb/>
dem Waſſerſpiegel, in welcher ſie ſich einbohren, ein<lb/>
ganz vortreffliches Kennzeichen für alte Strandlinien<lb/>
und frühere Höhe des Meeresſpiegels. Bei den Bohr-<lb/>
muſcheln ſtehen die eigenthümlichen Kieſelkryſtalle, welche<lb/>
ihnen zum Bohren und Abſchleifen der Felſen dienen,<lb/>
beſonders auf dem runden zapfenförmigen Fuße, wäh-<lb/>
rend ſie bei den Pfahlwürmern über den ganzen Man-<lb/>
tel, beſonders aber über deſſen vorderen Wulſt, der von<lb/>
dem Pfahlwurme bedeutend aufgebläht werden kann,<lb/>
zerſtreut ſind.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">Pfahlwürmer</hi><hirendition="#aq">(Teredo)</hi>, welche ebenfalls<lb/>
zu dieſer Familie gehören, ſind bekannt durch die unge-<lb/>
heueren Verheerungen, die ſie in Häfen und Werften an dem unter<lb/>
Waſſer befindlichen Holze anrichten. Das Thier hat etwa die Dicke<lb/>
und Länge eines Regenwurmes und endet nach hinten in zwei lange,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[313/0319]
ausgezogen und zuweilen ſondert er auf ſeiner ganzen Oberfläche eine
dünne Kalklage ab, die eine Röhre bildet, in welcher das Thier ſteckt.
Die Schalen dieſer ſämmtlichen Thiere ſind ſehr dünn, gerippt und
haben meiſtens kein deutliches Schloß; ſie klaffen nach allen Seiten
hin und bei vielen Gattungen erſcheinen ſie nur als unbedeutende An-
hängſel des Thieres oder der Kalkröhre, von welcher daſſelbe einge-
ſchloſſen iſt.
[Abbildung Fig. 326.
Der Pfahlwurm
(Teredo navalis). ]
Die Familie der Bohrmuſcheln (Teredida) beſitzt
ſtets zwei ſehr deutliche, unregelmäßige, gleiche Schalen,
die an dem Schloſſe durch einen löffelförmigen Fortſatz
miteinander vereinigt ſind. Der wurmförmige Mantel
iſt frei, ebenſo die Schalen, und wenn die Thiere eine
Kalkröhre bilden, ſo kleidet dieſelbe die Gallerie, welche
ſie bohren, aus, ohne dem Mantel ſelbſt anzuhängen.
Bei den eigentlichen Bohrmuſcheln (Pholas) iſt die
Schale noch ziemlich groß und in einer ziemlichen Strecke
am Schloſſe durch einen löffelförmigen Fortſatz verbun-
den. Der Fuß iſt kurz, dick und rund, die hintere
Röhre einfach, aber durch eine innere Scheidewand ge-
theilt. Die Bohrmuſcheln bohren ſich in einer gewiſſen Tiefe
unter dem Waſſerſpiegel, am liebſten in kalkige ſenkrechte
Felsmaſſen wagerecht ein, verſchmähen aber auch Ko-
rallen und ſelbſt Schlamm nicht. Ihre Galerieen ſind
äußerſt glatt, gleichſam polirt und bieten beſonders an ſteini-
gen und felſigen Ufern durch die conſtante Höhe unter
dem Waſſerſpiegel, in welcher ſie ſich einbohren, ein
ganz vortreffliches Kennzeichen für alte Strandlinien
und frühere Höhe des Meeresſpiegels. Bei den Bohr-
muſcheln ſtehen die eigenthümlichen Kieſelkryſtalle, welche
ihnen zum Bohren und Abſchleifen der Felſen dienen,
beſonders auf dem runden zapfenförmigen Fuße, wäh-
rend ſie bei den Pfahlwürmern über den ganzen Man-
tel, beſonders aber über deſſen vorderen Wulſt, der von
dem Pfahlwurme bedeutend aufgebläht werden kann,
zerſtreut ſind.
Die Pfahlwürmer (Teredo), welche ebenfalls
zu dieſer Familie gehören, ſind bekannt durch die unge-
heueren Verheerungen, die ſie in Häfen und Werften an dem unter
Waſſer befindlichen Holze anrichten. Das Thier hat etwa die Dicke
und Länge eines Regenwurmes und endet nach hinten in zwei lange,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/319>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.