Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

wickelung zu durchlaufen hat. Oder ist es nicht ein Zufall zu nennen,
wenn ein Stichling von einem Tauchvogel gefressen wird, und dieser
Raub erst das Signal zu einer weitern Entwicklung des im Innern
des Stichlinges lebenden Bandwurmes geben muß? Schon bei den
Rundwürmern kamen ähnliche Verhältnisse vor, sie wiederholen in
noch ausgedehnterem Maße sich bei eigenthümlichen krankhaften Ver-
hältnissen der Bandwürmer, sowie bei den Saugwürmern. Während
man früher glaubte, die Eingeweidewürmer müßten nothwendigerweise
zu Grunde gehen, sobald sie den Körper ihres Wohnthieres verließen,
so erscheinen jetzt im Gegentheile diese Wanderungen behufs weiterer
Ausbildung als ein fast allgemeines Gesetz, das stets auf mehr Gat-
tungen Anwendung findet, je mehr man sich von dem alten Glauben
losmacht und die in einem bestimmten Thiere vorkommenden Würmer
mit den Einwohnern derjenigen Thiere vergleicht, von welchen es sich
nährt und denen es wieder zur Nahrung dient.

Wir unterscheiden unter den Bandwürmern drei besondere
Familien: die Nelkenwürmer (Caryophyllida) haben einen läng-
lichen Körper ohne Gliederung, dessen eines Ende spitzig, das an-
dere breit und sehr veränderlich in seiner Form ist. Die Geschlechts-
theile sind nur einfach und münden in einer gemeinschaftlichen, an
dem spitzeren Ende angebrachten Oeffnung. Das ganze Thier ist
gleichsam nur ein einziges in Wurmform ausgezogenes Bandwurm-
glied und vielleicht ebenso wie jene durch Knospung entstanden. In
diesem Falle kennt man die Kopfenden, welche diese Nelkenwürmer ent-
sprießen lassen, noch nicht mit Sicherheit und es würde dann die ganze
Familie eingehen, während zugleich die Betrachtungsweise der Band-
wurmglieder als unvollständige Ammen hierdurch eine neue Stärke
erhielte.

Eine zweite Familie bilden die Riemenwürmer (Ligulida),
lange, zusammengedrückte, riemenartige Würmer, an welchen sich kein
Kopf- noch Schwanzende unterscheiden läßt und die namentlich in
Fischen vorkommen. Man sieht keine Quertheilung an diesen Geschöpfen,
welche, so lange sie in den Fischen bleiben, keine Geschlechtsentwicklung
zeigen, aber alsbald eine solche wahrnehmen lassen, wenn die Fische
von Vögeln gefressen sind.

Die Familie der eigentlichen Bandwürmer (Taenida) ist
leicht an der Querringlung des Körpers zu unterscheiden. Nach
der Bewaffnung des Kopfes lassen sie sich indessen wieder in zwei
Gruppen spalten. Bei den Grubenköpfen oder Bothriocepha-
len sieht man an den Seiten des dünnen Kopfes nur flache Saug-

13*

wickelung zu durchlaufen hat. Oder iſt es nicht ein Zufall zu nennen,
wenn ein Stichling von einem Tauchvogel gefreſſen wird, und dieſer
Raub erſt das Signal zu einer weitern Entwicklung des im Innern
des Stichlinges lebenden Bandwurmes geben muß? Schon bei den
Rundwürmern kamen ähnliche Verhältniſſe vor, ſie wiederholen in
noch ausgedehnterem Maße ſich bei eigenthümlichen krankhaften Ver-
hältniſſen der Bandwürmer, ſowie bei den Saugwürmern. Während
man früher glaubte, die Eingeweidewürmer müßten nothwendigerweiſe
zu Grunde gehen, ſobald ſie den Körper ihres Wohnthieres verließen,
ſo erſcheinen jetzt im Gegentheile dieſe Wanderungen behufs weiterer
Ausbildung als ein faſt allgemeines Geſetz, das ſtets auf mehr Gat-
tungen Anwendung findet, je mehr man ſich von dem alten Glauben
losmacht und die in einem beſtimmten Thiere vorkommenden Würmer
mit den Einwohnern derjenigen Thiere vergleicht, von welchen es ſich
nährt und denen es wieder zur Nahrung dient.

Wir unterſcheiden unter den Bandwürmern drei beſondere
Familien: die Nelkenwürmer (Caryophyllida) haben einen läng-
lichen Körper ohne Gliederung, deſſen eines Ende ſpitzig, das an-
dere breit und ſehr veränderlich in ſeiner Form iſt. Die Geſchlechts-
theile ſind nur einfach und münden in einer gemeinſchaftlichen, an
dem ſpitzeren Ende angebrachten Oeffnung. Das ganze Thier iſt
gleichſam nur ein einziges in Wurmform ausgezogenes Bandwurm-
glied und vielleicht ebenſo wie jene durch Knospung entſtanden. In
dieſem Falle kennt man die Kopfenden, welche dieſe Nelkenwürmer ent-
ſprießen laſſen, noch nicht mit Sicherheit und es würde dann die ganze
Familie eingehen, während zugleich die Betrachtungsweiſe der Band-
wurmglieder als unvollſtändige Ammen hierdurch eine neue Stärke
erhielte.

Eine zweite Familie bilden die Riemenwürmer (Ligulida),
lange, zuſammengedrückte, riemenartige Würmer, an welchen ſich kein
Kopf- noch Schwanzende unterſcheiden läßt und die namentlich in
Fiſchen vorkommen. Man ſieht keine Quertheilung an dieſen Geſchöpfen,
welche, ſo lange ſie in den Fiſchen bleiben, keine Geſchlechtsentwicklung
zeigen, aber alsbald eine ſolche wahrnehmen laſſen, wenn die Fiſche
von Vögeln gefreſſen ſind.

Die Familie der eigentlichen Bandwürmer (Taenida) iſt
leicht an der Querringlung des Körpers zu unterſcheiden. Nach
der Bewaffnung des Kopfes laſſen ſie ſich indeſſen wieder in zwei
Gruppen ſpalten. Bei den Grubenköpfen oder Bothriocepha-
len ſieht man an den Seiten des dünnen Kopfes nur flache Saug-

13*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0201" n="195"/>
wickelung zu durchlaufen hat. Oder i&#x017F;t es nicht ein Zufall zu nennen,<lb/>
wenn ein Stichling von einem Tauchvogel gefre&#x017F;&#x017F;en wird, und die&#x017F;er<lb/>
Raub er&#x017F;t das Signal zu einer weitern Entwicklung des im Innern<lb/>
des Stichlinges lebenden Bandwurmes geben muß? Schon bei den<lb/>
Rundwürmern kamen ähnliche Verhältni&#x017F;&#x017F;e vor, &#x017F;ie wiederholen in<lb/>
noch ausgedehnterem Maße &#x017F;ich bei eigenthümlichen krankhaften Ver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;en der Bandwürmer, &#x017F;owie bei den Saugwürmern. Während<lb/>
man früher glaubte, die Eingeweidewürmer müßten nothwendigerwei&#x017F;e<lb/>
zu Grunde gehen, &#x017F;obald &#x017F;ie den Körper ihres Wohnthieres verließen,<lb/>
&#x017F;o er&#x017F;cheinen jetzt im Gegentheile die&#x017F;e Wanderungen behufs weiterer<lb/>
Ausbildung als ein fa&#x017F;t allgemeines Ge&#x017F;etz, das &#x017F;tets auf mehr Gat-<lb/>
tungen Anwendung findet, je mehr man &#x017F;ich von dem alten Glauben<lb/>
losmacht und die in einem be&#x017F;timmten Thiere vorkommenden Würmer<lb/>
mit den Einwohnern derjenigen Thiere vergleicht, von welchen es &#x017F;ich<lb/>
nährt und denen es wieder zur Nahrung dient.</p><lb/>
          <p>Wir unter&#x017F;cheiden unter den Bandwürmern drei be&#x017F;ondere<lb/>
Familien: die <hi rendition="#b">Nelkenwürmer</hi> <hi rendition="#i">(<hi rendition="#aq">Caryophyllida</hi>)</hi> haben einen läng-<lb/>
lichen Körper ohne Gliederung, de&#x017F;&#x017F;en eines Ende &#x017F;pitzig, das an-<lb/>
dere breit und &#x017F;ehr veränderlich in &#x017F;einer Form i&#x017F;t. Die Ge&#x017F;chlechts-<lb/>
theile &#x017F;ind nur einfach und münden in einer gemein&#x017F;chaftlichen, an<lb/>
dem &#x017F;pitzeren Ende angebrachten Oeffnung. Das ganze Thier i&#x017F;t<lb/>
gleich&#x017F;am nur ein einziges in Wurmform ausgezogenes Bandwurm-<lb/>
glied und vielleicht eben&#x017F;o wie jene durch Knospung ent&#x017F;tanden. In<lb/>
die&#x017F;em Falle kennt man die Kopfenden, welche die&#x017F;e Nelkenwürmer ent-<lb/>
&#x017F;prießen la&#x017F;&#x017F;en, noch nicht mit Sicherheit und es würde dann die ganze<lb/>
Familie eingehen, während zugleich die Betrachtungswei&#x017F;e der Band-<lb/>
wurmglieder als unvoll&#x017F;tändige Ammen hierdurch eine neue Stärke<lb/>
erhielte.</p><lb/>
          <p>Eine zweite Familie bilden die <hi rendition="#b">Riemenwürmer</hi> <hi rendition="#i">(<hi rendition="#aq">Ligulida</hi>)</hi>,<lb/>
lange, zu&#x017F;ammengedrückte, riemenartige Würmer, an welchen &#x017F;ich kein<lb/>
Kopf- noch Schwanzende unter&#x017F;cheiden läßt und die namentlich in<lb/>
Fi&#x017F;chen vorkommen. Man &#x017F;ieht keine Quertheilung an die&#x017F;en Ge&#x017F;chöpfen,<lb/>
welche, &#x017F;o lange &#x017F;ie in den Fi&#x017F;chen bleiben, keine Ge&#x017F;chlechtsentwicklung<lb/>
zeigen, aber alsbald eine &#x017F;olche wahrnehmen la&#x017F;&#x017F;en, wenn die Fi&#x017F;che<lb/>
von Vögeln gefre&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Die Familie der eigentlichen <hi rendition="#b">Bandwürmer</hi> <hi rendition="#i">(<hi rendition="#aq">Taenida</hi>)</hi> i&#x017F;t<lb/>
leicht an der Querringlung des Körpers zu unter&#x017F;cheiden. Nach<lb/>
der Bewaffnung des Kopfes la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich inde&#x017F;&#x017F;en wieder in zwei<lb/>
Gruppen &#x017F;palten. Bei den <hi rendition="#g">Grubenköpfen</hi> oder <hi rendition="#g">Bothriocepha-<lb/>
len</hi> &#x017F;ieht man an den Seiten des dünnen Kopfes nur flache Saug-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">13*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0201] wickelung zu durchlaufen hat. Oder iſt es nicht ein Zufall zu nennen, wenn ein Stichling von einem Tauchvogel gefreſſen wird, und dieſer Raub erſt das Signal zu einer weitern Entwicklung des im Innern des Stichlinges lebenden Bandwurmes geben muß? Schon bei den Rundwürmern kamen ähnliche Verhältniſſe vor, ſie wiederholen in noch ausgedehnterem Maße ſich bei eigenthümlichen krankhaften Ver- hältniſſen der Bandwürmer, ſowie bei den Saugwürmern. Während man früher glaubte, die Eingeweidewürmer müßten nothwendigerweiſe zu Grunde gehen, ſobald ſie den Körper ihres Wohnthieres verließen, ſo erſcheinen jetzt im Gegentheile dieſe Wanderungen behufs weiterer Ausbildung als ein faſt allgemeines Geſetz, das ſtets auf mehr Gat- tungen Anwendung findet, je mehr man ſich von dem alten Glauben losmacht und die in einem beſtimmten Thiere vorkommenden Würmer mit den Einwohnern derjenigen Thiere vergleicht, von welchen es ſich nährt und denen es wieder zur Nahrung dient. Wir unterſcheiden unter den Bandwürmern drei beſondere Familien: die Nelkenwürmer (Caryophyllida) haben einen läng- lichen Körper ohne Gliederung, deſſen eines Ende ſpitzig, das an- dere breit und ſehr veränderlich in ſeiner Form iſt. Die Geſchlechts- theile ſind nur einfach und münden in einer gemeinſchaftlichen, an dem ſpitzeren Ende angebrachten Oeffnung. Das ganze Thier iſt gleichſam nur ein einziges in Wurmform ausgezogenes Bandwurm- glied und vielleicht ebenſo wie jene durch Knospung entſtanden. In dieſem Falle kennt man die Kopfenden, welche dieſe Nelkenwürmer ent- ſprießen laſſen, noch nicht mit Sicherheit und es würde dann die ganze Familie eingehen, während zugleich die Betrachtungsweiſe der Band- wurmglieder als unvollſtändige Ammen hierdurch eine neue Stärke erhielte. Eine zweite Familie bilden die Riemenwürmer (Ligulida), lange, zuſammengedrückte, riemenartige Würmer, an welchen ſich kein Kopf- noch Schwanzende unterſcheiden läßt und die namentlich in Fiſchen vorkommen. Man ſieht keine Quertheilung an dieſen Geſchöpfen, welche, ſo lange ſie in den Fiſchen bleiben, keine Geſchlechtsentwicklung zeigen, aber alsbald eine ſolche wahrnehmen laſſen, wenn die Fiſche von Vögeln gefreſſen ſind. Die Familie der eigentlichen Bandwürmer (Taenida) iſt leicht an der Querringlung des Körpers zu unterſcheiden. Nach der Bewaffnung des Kopfes laſſen ſie ſich indeſſen wieder in zwei Gruppen ſpalten. Bei den Grubenköpfen oder Bothriocepha- len ſieht man an den Seiten des dünnen Kopfes nur flache Saug- 13*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/201
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/201>, abgerufen am 05.12.2024.