Die Ordnung der Kratzer (Acanthoce- phala) enthält nur eine einzige Gattung, Echinorhyn- chus. deren Arten aber sehr zahlreich sind und von welchen die größte Art, ein Wurm, der zuweilen eine Länge von 11/2 Fußen erreicht, in dem Darme der bei uns ein- heimischen Schweine, der wilden wie der zahmen, ziemlich häufig vorkommt. Die Kratzer haben einen schlauchförmigen quergeringelten Körper, welcher vorne einen Hakenrüssel zeigt, der wie schon angegeben in eine Scheide zurückgestülpt werden kann. Die in Reihen gestellten Häkchen sind rückwärts gewendet und dienen besonders als Halter, so wie zum Durchboh- ren der Darmwände und Gewebe des Körpers. Der Rüssel, sowie seine Scheide werden von eigenen Mus- keln bewegt. Zwischen der Oberhaut und der Leder- haut liegt ein Netz weitmaschiger, wandungsloser Kanäle, die in einer meist röthlich gefärbten weichen Masse ausgehöhlt sind und hauptsäch- lich die Einsaugung von Flüssigkeiten zu vermitteln scheinen. Diese scheint fast gänzlich in dem Willen des Thieres zu liegen, denn man sieht die Kratzer sich abwechselnd vollsaugen und dann die Flüssigkeit vielleicht durch feine Oeffnungen der Haut wieder auspressen. Mit diesem Sy- steme einsaugender Kanäle stehen zwei bandförmige Organe, die so- genannten Lemniscen, in Verbindung, welche von der Rüsselscheide aus in die Leibeshöhle hineinragen und die ebenfalls von wandungs- losen Kanälen durchzogen sind. Verdauungsorgane und sonstige innere Organe fehlen durchaus. Die Geschlechter sind getrennt. Die klei- neren Männchen haben stets zwei ovale Hoden, deren Ausführungs- gänge durch eigenthümliche Drüsen hindurch in eine schiefe napfförmige Tasche münden, welche sich auf die weibliche Geschlechtsöffnung bei der Begattung aufkittet. Die großen Weibchen zeigen an der Rüssel- scheide ein frei herabhängendes Band, an welchem die Eierstöcke her- vorsprossen, um sich später loszulösen und in die Bauchhöhle zu fallen. In diesen losen Eierstöcken entwickeln sich die langen Eier, die meistens eine faserige Hülle besitzen und dadurch ein eigenthümliches Aussehen erhalten. Die ausführenden Geschlechtsorgane bestehen aus einem, mit trichterförmiger Mündung in die Leibeshöhle mündenden Schlauche, welcher äußerst beweglich ist, die reifen Eier förmlich einschluckt und nach Außen befördert. Man hat in diesen reifen Eiern auch schon hie und da Embryonen wahrgenommen, die selbst in einzelnen Fällen einige Häkchen erkennen ließen, kennt aber über die weitere Entwicklung,
[Abbildung]
Fig. 183.
Echinorhynchus.
Die Ordnung der Kratzer (Acanthoce- phala) enthält nur eine einzige Gattung, Echinorhyn- chus. deren Arten aber ſehr zahlreich ſind und von welchen die größte Art, ein Wurm, der zuweilen eine Länge von 1½ Fußen erreicht, in dem Darme der bei uns ein- heimiſchen Schweine, der wilden wie der zahmen, ziemlich häufig vorkommt. Die Kratzer haben einen ſchlauchförmigen quergeringelten Körper, welcher vorne einen Hakenrüſſel zeigt, der wie ſchon angegeben in eine Scheide zurückgeſtülpt werden kann. Die in Reihen geſtellten Häkchen ſind rückwärts gewendet und dienen beſonders als Halter, ſo wie zum Durchboh- ren der Darmwände und Gewebe des Körpers. Der Rüſſel, ſowie ſeine Scheide werden von eigenen Mus- keln bewegt. Zwiſchen der Oberhaut und der Leder- haut liegt ein Netz weitmaſchiger, wandungsloſer Kanäle, die in einer meiſt röthlich gefärbten weichen Maſſe ausgehöhlt ſind und hauptſäch- lich die Einſaugung von Flüſſigkeiten zu vermitteln ſcheinen. Dieſe ſcheint faſt gänzlich in dem Willen des Thieres zu liegen, denn man ſieht die Kratzer ſich abwechſelnd vollſaugen und dann die Flüſſigkeit vielleicht durch feine Oeffnungen der Haut wieder auspreſſen. Mit dieſem Sy- ſteme einſaugender Kanäle ſtehen zwei bandförmige Organe, die ſo- genannten Lemniscen, in Verbindung, welche von der Rüſſelſcheide aus in die Leibeshöhle hineinragen und die ebenfalls von wandungs- loſen Kanälen durchzogen ſind. Verdauungsorgane und ſonſtige innere Organe fehlen durchaus. Die Geſchlechter ſind getrennt. Die klei- neren Männchen haben ſtets zwei ovale Hoden, deren Ausführungs- gänge durch eigenthümliche Drüſen hindurch in eine ſchiefe napfförmige Taſche münden, welche ſich auf die weibliche Geſchlechtsöffnung bei der Begattung aufkittet. Die großen Weibchen zeigen an der Rüſſel- ſcheide ein frei herabhängendes Band, an welchem die Eierſtöcke her- vorſproſſen, um ſich ſpäter loszulöſen und in die Bauchhöhle zu fallen. In dieſen loſen Eierſtöcken entwickeln ſich die langen Eier, die meiſtens eine faſerige Hülle beſitzen und dadurch ein eigenthümliches Ausſehen erhalten. Die ausführenden Geſchlechtsorgane beſtehen aus einem, mit trichterförmiger Mündung in die Leibeshöhle mündenden Schlauche, welcher äußerſt beweglich iſt, die reifen Eier förmlich einſchluckt und nach Außen befördert. Man hat in dieſen reifen Eiern auch ſchon hie und da Embryonen wahrgenommen, die ſelbſt in einzelnen Fällen einige Häkchen erkennen ließen, kennt aber über die weitere Entwicklung,
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[Abbildung Fig. 183.
Echinorhynchus. ]
Die Ordnung der Kratzer (Acanthoce-
phala) enthält nur eine einzige Gattung, Echinorhyn-
chus. deren Arten aber ſehr zahlreich ſind und von welchen
die größte Art, ein Wurm, der zuweilen eine Länge von
1½ Fußen erreicht, in dem Darme der bei uns ein-
heimiſchen Schweine, der wilden wie der zahmen,
ziemlich häufig vorkommt. Die Kratzer haben einen
ſchlauchförmigen quergeringelten Körper, welcher vorne
einen Hakenrüſſel zeigt, der wie ſchon angegeben in
eine Scheide zurückgeſtülpt werden kann. Die in
Reihen geſtellten Häkchen ſind rückwärts gewendet und
dienen beſonders als Halter, ſo wie zum Durchboh-
ren der Darmwände und Gewebe des Körpers. Der
Rüſſel, ſowie ſeine Scheide werden von eigenen Mus-
keln bewegt. Zwiſchen der Oberhaut und der Leder-
haut liegt ein Netz weitmaſchiger, wandungsloſer Kanäle, die in einer
meiſt röthlich gefärbten weichen Maſſe ausgehöhlt ſind und hauptſäch-
lich die Einſaugung von Flüſſigkeiten zu vermitteln ſcheinen. Dieſe
ſcheint faſt gänzlich in dem Willen des Thieres zu liegen, denn man ſieht
die Kratzer ſich abwechſelnd vollſaugen und dann die Flüſſigkeit vielleicht
durch feine Oeffnungen der Haut wieder auspreſſen. Mit dieſem Sy-
ſteme einſaugender Kanäle ſtehen zwei bandförmige Organe, die ſo-
genannten Lemniscen, in Verbindung, welche von der Rüſſelſcheide
aus in die Leibeshöhle hineinragen und die ebenfalls von wandungs-
loſen Kanälen durchzogen ſind. Verdauungsorgane und ſonſtige innere
Organe fehlen durchaus. Die Geſchlechter ſind getrennt. Die klei-
neren Männchen haben ſtets zwei ovale Hoden, deren Ausführungs-
gänge durch eigenthümliche Drüſen hindurch in eine ſchiefe napfförmige
Taſche münden, welche ſich auf die weibliche Geſchlechtsöffnung bei
der Begattung aufkittet. Die großen Weibchen zeigen an der Rüſſel-
ſcheide ein frei herabhängendes Band, an welchem die Eierſtöcke her-
vorſproſſen, um ſich ſpäter loszulöſen und in die Bauchhöhle zu fallen.
In dieſen loſen Eierſtöcken entwickeln ſich die langen Eier, die meiſtens
eine faſerige Hülle beſitzen und dadurch ein eigenthümliches Ausſehen
erhalten. Die ausführenden Geſchlechtsorgane beſtehen aus einem, mit
trichterförmiger Mündung in die Leibeshöhle mündenden Schlauche,
welcher äußerſt beweglich iſt, die reifen Eier förmlich einſchluckt und
nach Außen befördert. Man hat in dieſen reifen Eiern auch ſchon
hie und da Embryonen wahrgenommen, die ſelbſt in einzelnen Fällen
einige Häkchen erkennen ließen, kennt aber über die weitere Entwicklung,
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/186>, abgerufen am 05.12.2024.
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