Seiten der Ringel und am ganzen Körper oft in ungeheurer Zahl angebracht sind. Indeß zeigen diese Bewegungsorgane niemals und unter keinen Umständen die bei den Gliederthieren vorkommende Glie- derung aus verschiedenen in einander eingelenkten Stücken. Es sind stets nur einfache Hornstücke, welche in muskulösen Zwiebeln stecken und durch diese bewegt werden können.
Nicht minder in die Augen fallend ist der Fortschritt der Ent- wickelung in dem Blutsysteme und den Athemorganen. Mit Ausnahme einer Klasse, bei welcher die äußerst geringe Körpergröße die Kenntniß der gewiß farblosen und dadurch unsichtbaren Blutströ- mungen verhindert haben mag, kennt man jetzt bei allen Würmern ein Blutgefäßsystem, das aus geschlossenen Röhren besteht und dessen oft selbst roth gefärbter Inhalt bei den höher stehenden Typen durch contractile Gefäße und herzartige Erweiterungen derselben in Bewe- gung gesetzt wird. Auch die successive Ausbildung der Athemorgane läßt sich deutlich nachweisen, denn während dieselben in den niederen Typen ganz fehlen und die Function der Athmung wahrscheinlich durch die Haut übernommen ist, so sind bei den höheren Gliedern des Krei- ses oft sehr vollständig ausgebildete Kiemen vorhanden, welche einzig zu dem Zwecke der Athmung bestimmt sind und keine Nebenfunction besitzen.
Die Verdauungsorgane fehlen den niederen Typen durchaus, sie werden ersetzt durch ein bedeutendes Einsaugungsvermögen der Haut; dann findet sich nur ein Mund, welcher in einen mehr oder minder verzweigten blindgeendeten Darmkanal führt, bis endlich bei den höheren Typen ein an beiden Enden geöffneter Darmkanal existirt, der oft mit Zähnen, Kiefern und andern Vorrichtungen zum Fangen und Zerkleinern der Beute bewaffnet ist.
Geschlechtsorgane sind bei allen ausgebildeten Würmern vorhanden, oft in außerordentlich vervielfältigter Zahl, so daß die Produktion der Eier eine wahrhaft ungeheure ist. Besonders bei denjenigen Gattungen, deren Erhaltung auf scheinbar außerge- wöhnliche Zufälle sich berechnet zeigt, steigt diese Erzeugung der Eier ins Unendliche. Der Embryo entwickelt sich stets aus dem ganzen Dotter, niemals findet sich ein Gegensatz zwischen einer Keimanlage und einem Ernährungsdotter und wo man einen solchen zu finden glaubte, irrte man sich insofern, als man die für den Aufbau der innern Organe bestimmten Zellen für den Dotter, die äußeren Zellen für die Keimlage ansah. Die meisten Embryonen ver- lassen das Ei als eine dem Mutterthiere höchst unähnliche Larve,
Seiten der Ringel und am ganzen Körper oft in ungeheurer Zahl angebracht ſind. Indeß zeigen dieſe Bewegungsorgane niemals und unter keinen Umſtänden die bei den Gliederthieren vorkommende Glie- derung aus verſchiedenen in einander eingelenkten Stücken. Es ſind ſtets nur einfache Hornſtücke, welche in muskulöſen Zwiebeln ſtecken und durch dieſe bewegt werden können.
Nicht minder in die Augen fallend iſt der Fortſchritt der Ent- wickelung in dem Blutſyſteme und den Athemorganen. Mit Ausnahme einer Klaſſe, bei welcher die äußerſt geringe Körpergröße die Kenntniß der gewiß farbloſen und dadurch unſichtbaren Blutſtrö- mungen verhindert haben mag, kennt man jetzt bei allen Würmern ein Blutgefäßſyſtem, das aus geſchloſſenen Röhren beſteht und deſſen oft ſelbſt roth gefärbter Inhalt bei den höher ſtehenden Typen durch contractile Gefäße und herzartige Erweiterungen derſelben in Bewe- gung geſetzt wird. Auch die ſucceſſive Ausbildung der Athemorgane läßt ſich deutlich nachweiſen, denn während dieſelben in den niederen Typen ganz fehlen und die Function der Athmung wahrſcheinlich durch die Haut übernommen iſt, ſo ſind bei den höheren Gliedern des Krei- ſes oft ſehr vollſtändig ausgebildete Kiemen vorhanden, welche einzig zu dem Zwecke der Athmung beſtimmt ſind und keine Nebenfunction beſitzen.
Die Verdauungsorgane fehlen den niederen Typen durchaus, ſie werden erſetzt durch ein bedeutendes Einſaugungsvermögen der Haut; dann findet ſich nur ein Mund, welcher in einen mehr oder minder verzweigten blindgeendeten Darmkanal führt, bis endlich bei den höheren Typen ein an beiden Enden geöffneter Darmkanal exiſtirt, der oft mit Zähnen, Kiefern und andern Vorrichtungen zum Fangen und Zerkleinern der Beute bewaffnet iſt.
Geſchlechtsorgane ſind bei allen ausgebildeten Würmern vorhanden, oft in außerordentlich vervielfältigter Zahl, ſo daß die Produktion der Eier eine wahrhaft ungeheure iſt. Beſonders bei denjenigen Gattungen, deren Erhaltung auf ſcheinbar außerge- wöhnliche Zufälle ſich berechnet zeigt, ſteigt dieſe Erzeugung der Eier ins Unendliche. Der Embryo entwickelt ſich ſtets aus dem ganzen Dotter, niemals findet ſich ein Gegenſatz zwiſchen einer Keimanlage und einem Ernährungsdotter und wo man einen ſolchen zu finden glaubte, irrte man ſich inſofern, als man die für den Aufbau der innern Organe beſtimmten Zellen für den Dotter, die äußeren Zellen für die Keimlage anſah. Die meiſten Embryonen ver- laſſen das Ei als eine dem Mutterthiere höchſt unähnliche Larve,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0178"n="172"/>
Seiten der Ringel und am ganzen Körper oft in ungeheurer Zahl<lb/>
angebracht ſind. Indeß zeigen dieſe Bewegungsorgane niemals und<lb/>
unter keinen Umſtänden die bei den Gliederthieren vorkommende Glie-<lb/>
derung aus verſchiedenen in einander eingelenkten Stücken. Es ſind<lb/>ſtets nur einfache Hornſtücke, welche in muskulöſen Zwiebeln ſtecken<lb/>
und durch dieſe bewegt werden können.</p><lb/><p>Nicht minder in die Augen fallend iſt der Fortſchritt der Ent-<lb/>
wickelung in dem <hirendition="#g">Blutſyſteme</hi> und den <hirendition="#g">Athemorganen</hi>. Mit<lb/>
Ausnahme einer Klaſſe, bei welcher die äußerſt geringe Körpergröße<lb/>
die Kenntniß der gewiß farbloſen und dadurch unſichtbaren Blutſtrö-<lb/>
mungen verhindert haben mag, kennt man jetzt bei allen Würmern<lb/>
ein Blutgefäßſyſtem, das aus geſchloſſenen Röhren beſteht und deſſen<lb/>
oft ſelbſt roth gefärbter Inhalt bei den höher ſtehenden Typen durch<lb/>
contractile Gefäße und herzartige Erweiterungen derſelben in Bewe-<lb/>
gung geſetzt wird. Auch die ſucceſſive Ausbildung der Athemorgane<lb/>
läßt ſich deutlich nachweiſen, denn während dieſelben in den niederen<lb/>
Typen ganz fehlen und die Function der Athmung wahrſcheinlich durch<lb/>
die Haut übernommen iſt, ſo ſind bei den höheren Gliedern des Krei-<lb/>ſes oft ſehr vollſtändig ausgebildete Kiemen vorhanden, welche einzig<lb/>
zu dem Zwecke der Athmung beſtimmt ſind und keine Nebenfunction<lb/>
beſitzen.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">Verdauungsorgane</hi> fehlen den niederen Typen durchaus,<lb/>ſie werden erſetzt durch ein bedeutendes Einſaugungsvermögen der<lb/>
Haut; dann findet ſich nur ein Mund, welcher in einen mehr oder<lb/>
minder verzweigten blindgeendeten Darmkanal führt, bis endlich bei<lb/>
den höheren Typen ein an beiden Enden geöffneter Darmkanal exiſtirt,<lb/>
der oft mit Zähnen, Kiefern und andern Vorrichtungen zum Fangen<lb/>
und Zerkleinern der Beute bewaffnet iſt.</p><lb/><p><hirendition="#g">Geſchlechtsorgane</hi>ſind bei allen ausgebildeten Würmern<lb/>
vorhanden, oft in außerordentlich vervielfältigter Zahl, ſo daß die<lb/>
Produktion der Eier eine wahrhaft ungeheure iſt. Beſonders bei<lb/>
denjenigen Gattungen, deren Erhaltung auf ſcheinbar außerge-<lb/>
wöhnliche Zufälle ſich berechnet zeigt, ſteigt dieſe Erzeugung der Eier<lb/>
ins Unendliche. Der <hirendition="#g">Embryo entwickelt ſich ſtets aus dem<lb/>
ganzen Dotter</hi>, niemals findet ſich ein Gegenſatz zwiſchen einer<lb/>
Keimanlage und einem Ernährungsdotter und wo man einen ſolchen<lb/>
zu finden glaubte, irrte man ſich inſofern, als man die für den<lb/>
Aufbau der innern Organe beſtimmten Zellen für den Dotter, die<lb/>
äußeren Zellen für die Keimlage anſah. Die meiſten Embryonen ver-<lb/>
laſſen das Ei als eine dem Mutterthiere höchſt unähnliche Larve,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[172/0178]
Seiten der Ringel und am ganzen Körper oft in ungeheurer Zahl
angebracht ſind. Indeß zeigen dieſe Bewegungsorgane niemals und
unter keinen Umſtänden die bei den Gliederthieren vorkommende Glie-
derung aus verſchiedenen in einander eingelenkten Stücken. Es ſind
ſtets nur einfache Hornſtücke, welche in muskulöſen Zwiebeln ſtecken
und durch dieſe bewegt werden können.
Nicht minder in die Augen fallend iſt der Fortſchritt der Ent-
wickelung in dem Blutſyſteme und den Athemorganen. Mit
Ausnahme einer Klaſſe, bei welcher die äußerſt geringe Körpergröße
die Kenntniß der gewiß farbloſen und dadurch unſichtbaren Blutſtrö-
mungen verhindert haben mag, kennt man jetzt bei allen Würmern
ein Blutgefäßſyſtem, das aus geſchloſſenen Röhren beſteht und deſſen
oft ſelbſt roth gefärbter Inhalt bei den höher ſtehenden Typen durch
contractile Gefäße und herzartige Erweiterungen derſelben in Bewe-
gung geſetzt wird. Auch die ſucceſſive Ausbildung der Athemorgane
läßt ſich deutlich nachweiſen, denn während dieſelben in den niederen
Typen ganz fehlen und die Function der Athmung wahrſcheinlich durch
die Haut übernommen iſt, ſo ſind bei den höheren Gliedern des Krei-
ſes oft ſehr vollſtändig ausgebildete Kiemen vorhanden, welche einzig
zu dem Zwecke der Athmung beſtimmt ſind und keine Nebenfunction
beſitzen.
Die Verdauungsorgane fehlen den niederen Typen durchaus,
ſie werden erſetzt durch ein bedeutendes Einſaugungsvermögen der
Haut; dann findet ſich nur ein Mund, welcher in einen mehr oder
minder verzweigten blindgeendeten Darmkanal führt, bis endlich bei
den höheren Typen ein an beiden Enden geöffneter Darmkanal exiſtirt,
der oft mit Zähnen, Kiefern und andern Vorrichtungen zum Fangen
und Zerkleinern der Beute bewaffnet iſt.
Geſchlechtsorgane ſind bei allen ausgebildeten Würmern
vorhanden, oft in außerordentlich vervielfältigter Zahl, ſo daß die
Produktion der Eier eine wahrhaft ungeheure iſt. Beſonders bei
denjenigen Gattungen, deren Erhaltung auf ſcheinbar außerge-
wöhnliche Zufälle ſich berechnet zeigt, ſteigt dieſe Erzeugung der Eier
ins Unendliche. Der Embryo entwickelt ſich ſtets aus dem
ganzen Dotter, niemals findet ſich ein Gegenſatz zwiſchen einer
Keimanlage und einem Ernährungsdotter und wo man einen ſolchen
zu finden glaubte, irrte man ſich inſofern, als man die für den
Aufbau der innern Organe beſtimmten Zellen für den Dotter, die
äußeren Zellen für die Keimlage anſah. Die meiſten Embryonen ver-
laſſen das Ei als eine dem Mutterthiere höchſt unähnliche Larve,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/178>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.