nach Belieben durch Zusammenziehung schließen können, so hängt es auch von ihrem Willen ab, welche Stoffe sie in die Leibeshöhle über- treiben, welche durch den Mund wieder auswerfen wollen.
Die Geschlechter sind stets getrennt und soweit man bis jetzt untersucht hat, sogar bei den geselligen auf verschiedene Polypenstöcke vertheilt, an denen keine äußere Geschlechtsverschiedenheit zu bemerken ist. Eier und Samen bilden sich in kapselartigen Höhlungen der Ge- schlechtstheile aus, treten in die Leibeshöhlung über und werden erstere zuweilen schon als ausgebildete Embryonen durch den Mund ausge- worfen, worauf sie sich entwickeln und festsetzen. Bei den vielstrahli- gen Polypen findet dasselbe Verhältniß statt, welches wir bei der Ent- wickelung der Strahlen ihrer Zellen beobachteten. Sie haben zuerst nur sehr wenige Fühler, deren Zahl sich mit ihrem Wachsthum vermehrt.
Die ungeschlechtliche Zeugung ist außerordentlich weit ver- breitet, wie sich schon daraus ergibt, daß nur höchst wenige Polypen als einzelne Individuen leben. Indessen hat man die Erscheinung der Knospung fast noch gar nicht an lebenden Thieren beobachtet, son- dern nur aus der Bildung der Polypenstöcke erschlossen, wo sich dann allerdings erkennen läßt, daß die Knospung nach bestimmten Gesetzen vor sich geht, wodurch je nach der Gattung der Polypen baumförmige oder schwammige Formen erzeugt werden. Aus den zusammenfließen- den Zellen mancher Polypenstöcke hat man schließen wollen, daß hier eine freiwillige mehr oder minder vollständige Längstheilung stattfinde, welche indeß durchaus noch nicht erwiesen ist. Auch über die innere Entwicklung dieser Knospen und Sprossen wissen wir nur so viel, als sich auf die äußern Organe und auf die Vermehrung der in der Lei- beshöhle angebrachten Scheidewände bezieht, was aus der Vervielfälti- gung der Strahlen in den Zellen erschlossen werden kann.
Alle Polypen ohne Ausnahme leben im Meere und zwar die be- weglichsten mit ihrem Fuße an dem Boden festgesogen, andere mit ihrer Basis im Schlamme steckend, andere festgewachsen und unfähig je den Ort zu ändern. Diese letzteren geben besonders Veranlassung zu jenen Bildungen, welche in den südlichen Meeren unter dem Namen der Korallenriffe bekannt sind. In den nördlichen Breiten sind es hauptsächlich nackte und gelatinöse Polypen, Seeanemonen, welche die Klasse repräsentiren. In den Meeren der gemäßigten Zone findetman neben den nackten Polypen noch solche mit schwammigen Polypenstöcken, in welchen Kalknadeln zerstreut sind. Erst in dem Mittelmeere kommen wahre Korallenstöcke vor, die indeß nur rasenförmige Ausbreitungen
Vogt, Zoologische Briefe I. 8
nach Belieben durch Zuſammenziehung ſchließen können, ſo hängt es auch von ihrem Willen ab, welche Stoffe ſie in die Leibeshöhle über- treiben, welche durch den Mund wieder auswerfen wollen.
Die Geſchlechter ſind ſtets getrennt und ſoweit man bis jetzt unterſucht hat, ſogar bei den geſelligen auf verſchiedene Polypenſtöcke vertheilt, an denen keine äußere Geſchlechtsverſchiedenheit zu bemerken iſt. Eier und Samen bilden ſich in kapſelartigen Höhlungen der Ge- ſchlechtstheile aus, treten in die Leibeshöhlung über und werden erſtere zuweilen ſchon als ausgebildete Embryonen durch den Mund ausge- worfen, worauf ſie ſich entwickeln und feſtſetzen. Bei den vielſtrahli- gen Polypen findet daſſelbe Verhältniß ſtatt, welches wir bei der Ent- wickelung der Strahlen ihrer Zellen beobachteten. Sie haben zuerſt nur ſehr wenige Fühler, deren Zahl ſich mit ihrem Wachsthum vermehrt.
Die ungeſchlechtliche Zeugung iſt außerordentlich weit ver- breitet, wie ſich ſchon daraus ergibt, daß nur höchſt wenige Polypen als einzelne Individuen leben. Indeſſen hat man die Erſcheinung der Knospung faſt noch gar nicht an lebenden Thieren beobachtet, ſon- dern nur aus der Bildung der Polypenſtöcke erſchloſſen, wo ſich dann allerdings erkennen läßt, daß die Knospung nach beſtimmten Geſetzen vor ſich geht, wodurch je nach der Gattung der Polypen baumförmige oder ſchwammige Formen erzeugt werden. Aus den zuſammenfließen- den Zellen mancher Polypenſtöcke hat man ſchließen wollen, daß hier eine freiwillige mehr oder minder vollſtändige Längstheilung ſtattfinde, welche indeß durchaus noch nicht erwieſen iſt. Auch über die innere Entwicklung dieſer Knospen und Sproſſen wiſſen wir nur ſo viel, als ſich auf die äußern Organe und auf die Vermehrung der in der Lei- beshöhle angebrachten Scheidewände bezieht, was aus der Vervielfälti- gung der Strahlen in den Zellen erſchloſſen werden kann.
Alle Polypen ohne Ausnahme leben im Meere und zwar die be- weglichſten mit ihrem Fuße an dem Boden feſtgeſogen, andere mit ihrer Baſis im Schlamme ſteckend, andere feſtgewachſen und unfähig je den Ort zu ändern. Dieſe letzteren geben beſonders Veranlaſſung zu jenen Bildungen, welche in den ſüdlichen Meeren unter dem Namen der Korallenriffe bekannt ſind. In den nördlichen Breiten ſind es hauptſächlich nackte und gelatinöſe Polypen, Seeanemonen, welche die Klaſſe repräſentiren. In den Meeren der gemäßigten Zone findetman neben den nackten Polypen noch ſolche mit ſchwammigen Polypenſtöcken, in welchen Kalknadeln zerſtreut ſind. Erſt in dem Mittelmeere kommen wahre Korallenſtöcke vor, die indeß nur raſenförmige Ausbreitungen
Vogt, Zoologiſche Briefe I. 8
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nach Belieben durch Zuſammenziehung ſchließen können, ſo hängt es
auch von ihrem Willen ab, welche Stoffe ſie in die Leibeshöhle über-
treiben, welche durch den Mund wieder auswerfen wollen.
Die Geſchlechter ſind ſtets getrennt und ſoweit man bis jetzt
unterſucht hat, ſogar bei den geſelligen auf verſchiedene Polypenſtöcke
vertheilt, an denen keine äußere Geſchlechtsverſchiedenheit zu bemerken
iſt. Eier und Samen bilden ſich in kapſelartigen Höhlungen der Ge-
ſchlechtstheile aus, treten in die Leibeshöhlung über und werden erſtere
zuweilen ſchon als ausgebildete Embryonen durch den Mund ausge-
worfen, worauf ſie ſich entwickeln und feſtſetzen. Bei den vielſtrahli-
gen Polypen findet daſſelbe Verhältniß ſtatt, welches wir bei der Ent-
wickelung der Strahlen ihrer Zellen beobachteten. Sie haben zuerſt nur
ſehr wenige Fühler, deren Zahl ſich mit ihrem Wachsthum vermehrt.
Die ungeſchlechtliche Zeugung iſt außerordentlich weit ver-
breitet, wie ſich ſchon daraus ergibt, daß nur höchſt wenige Polypen
als einzelne Individuen leben. Indeſſen hat man die Erſcheinung der
Knospung faſt noch gar nicht an lebenden Thieren beobachtet, ſon-
dern nur aus der Bildung der Polypenſtöcke erſchloſſen, wo ſich dann
allerdings erkennen läßt, daß die Knospung nach beſtimmten Geſetzen
vor ſich geht, wodurch je nach der Gattung der Polypen baumförmige
oder ſchwammige Formen erzeugt werden. Aus den zuſammenfließen-
den Zellen mancher Polypenſtöcke hat man ſchließen wollen, daß hier
eine freiwillige mehr oder minder vollſtändige Längstheilung ſtattfinde,
welche indeß durchaus noch nicht erwieſen iſt. Auch über die innere
Entwicklung dieſer Knospen und Sproſſen wiſſen wir nur ſo viel, als
ſich auf die äußern Organe und auf die Vermehrung der in der Lei-
beshöhle angebrachten Scheidewände bezieht, was aus der Vervielfälti-
gung der Strahlen in den Zellen erſchloſſen werden kann.
Alle Polypen ohne Ausnahme leben im Meere und zwar die be-
weglichſten mit ihrem Fuße an dem Boden feſtgeſogen, andere mit
ihrer Baſis im Schlamme ſteckend, andere feſtgewachſen und unfähig
je den Ort zu ändern. Dieſe letzteren geben beſonders Veranlaſſung
zu jenen Bildungen, welche in den ſüdlichen Meeren unter dem Namen
der Korallenriffe bekannt ſind. In den nördlichen Breiten ſind es
hauptſächlich nackte und gelatinöſe Polypen, Seeanemonen, welche die
Klaſſe repräſentiren. In den Meeren der gemäßigten Zone findetman neben
den nackten Polypen noch ſolche mit ſchwammigen Polypenſtöcken, in
welchen Kalknadeln zerſtreut ſind. Erſt in dem Mittelmeere kommen
wahre Korallenſtöcke vor, die indeß nur raſenförmige Ausbreitungen
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/119>, abgerufen am 28.11.2024.
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