Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857.pvi_1226.001 §. 852. pvi_1226.002Die andere, mehr äußerliche, aber farbenreichere Hauptform des indirecten pvi_1226.003 diese ihr Bild aus dem beseelten Leben, so fällt sie in ihrer höchsten Lebendigkeit pvi_1226.007 mit der Personification zusammen. Schlagende Kraft des Vergleichungspunctes pvi_1226.008 ist im ernsten Gebiete (über den Unterschied des komischen vergl. §. 199) der pvi_1226.009 Charakter des ächten Bildes. [Annotation] pvi_1226.010 Jn den bisher aufgeführten Formen wird nicht ein Fremdes, das einen pvi_1226.011 pvi_1226.001 §. 852. pvi_1226.002Die andere, mehr äußerliche, aber farbenreichere Hauptform des indirecten pvi_1226.003 diese ihr Bild aus dem beseelten Leben, so fällt sie in ihrer höchsten Lebendigkeit pvi_1226.007 mit der Personification zusammen. Schlagende Kraft des Vergleichungspunctes pvi_1226.008 ist im ernsten Gebiete (über den Unterschied des komischen vergl. §. 199) der pvi_1226.009 Charakter des ächten Bildes. [Annotation] pvi_1226.010 Jn den bisher aufgeführten Formen wird nicht ein Fremdes, das einen pvi_1226.011 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0088" n="1226"/> <lb n="pvi_1226.001"/> <p> <hi rendition="#c">§. 852.</hi> </p> <lb n="pvi_1226.002"/> <p><anchor xml:id="vi015"/> Die andere, mehr äußerliche, aber farbenreichere Hauptform des indirecten <lb n="pvi_1226.003"/> Verfahrens, der <hi rendition="#g">Tropus,</hi> zieht <hi rendition="#g">vergleichend</hi> eine Erscheinung aus einer <lb n="pvi_1226.004"/> andern Sphäre herbei; verschweigt sie diesen Act und scheint das Verglichene <lb n="pvi_1226.005"/> identisch zu setzen, so ist sie eigentliche Uebertragung, <hi rendition="#g">Metapher;</hi> <anchor xml:id="vi016"/> <note targetEnd="vi016" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-7-1-3 #m1-8-1-1" target="vi015"> Tropus wird generell als eine vergleichende Form definiert, Vgl. somit als Oberkategorie; Metapher kann hier sowohl als verkürzter Vergleich wie auch als Übertragung annotiert werden; Übertragung jedoch expliziter </note> <anchor xml:id="vi017"/> entlehnt <lb n="pvi_1226.006"/> diese ihr Bild aus dem beseelten Leben, so fällt sie in ihrer höchsten Lebendigkeit <lb n="pvi_1226.007"/> mit der Personification zusammen. Schlagende Kraft des Vergleichungspunctes <lb n="pvi_1226.008"/> ist im ernsten Gebiete (über den Unterschied des komischen vergl. §. 199) der <lb n="pvi_1226.009"/> Charakter des ächten Bildes. <anchor xml:id="vi018"/> <note targetEnd="vi018" type="metapher" ana="#m1-0-1-1 #m1-7-1-3 #m1-8-1-4" target="vi017"> Metapher fällt mit Personifikation zusammen: Parallelkategorien </note> </p> <lb n="pvi_1226.010"/> <p> <hi rendition="#et"> Jn den bisher aufgeführten Formen wird nicht ein Fremdes, das einen <lb n="pvi_1226.011"/> eigenen Körper hat, mit dem vorliegenden Subjecte, dem ebenfalls eigene <lb n="pvi_1226.012"/> Erscheinungsform zukommt, zusammengebracht, so daß wir diese zwei vermittelst <lb n="pvi_1226.013"/> einer Eigenschaft, die beiden gemein ist, in Einheit zusammenfassen <lb n="pvi_1226.014"/> sollen; jenes Verfahren ist, auch wo es die Momente eines Ganzen, eines <lb n="pvi_1226.015"/> Ordnungsverhältnisses vertauscht, einfacher, bleibt in der Sache, erwärmt <lb n="pvi_1226.016"/> und beseelt sie von innen heraus; dieses ist zwiefältig, unruhiger, macht <lb n="pvi_1226.017"/> einen Sprung, ist äußerlicher und daher gewaltsamer. Die eigentlichen <lb n="pvi_1226.018"/> Tropen, von denen es hier sich handelt, sind ebendarum weniger poetisch. <lb n="pvi_1226.019"/> Was zu §. 850 von Bedeckung poetischer Blößen durch Glanz des Ausdrucks <lb n="pvi_1226.020"/> gesagt ist, gilt namentlich diesem bildlichen Verfahren im engeren <lb n="pvi_1226.021"/> Sinne des Worts. Es versteht sich, daß darum die ächte Poesie auf das <lb n="pvi_1226.022"/> Bild nicht kann verzichten wollen. Es ist vermöge seiner springenden Natur <lb n="pvi_1226.023"/> colorirter, als jene andern Formen, und viele Stellen fordern die buntere <lb n="pvi_1226.024"/> Farbe; der Geist in wärmerer Bewegung, sei sie eine sanftere und beschauliche <lb n="pvi_1226.025"/> oder feurige und wilde, fühlt den natürlichen Drang, seinen Gegenstand, <lb n="pvi_1226.026"/> damit er in seinem Werth nachdrücklicher erscheine, nicht nur in einfacher, <lb n="pvi_1226.027"/> sondern in doppelter Beleuchtung, sozusagen im Sonnen- und Kerzenlichte <lb n="pvi_1226.028"/> zugleich zu zeigen; der Vergleichungspunct, der das innerste Wesen des <lb n="pvi_1226.029"/> Gegenstands mit verdoppeltem Accente betont, ist das farbigere Kerzenlicht. <lb n="pvi_1226.030"/> Jn diesem Drange liegt aber noch ein Tieferes: einerseits weidet sich in <lb n="pvi_1226.031"/> solchem Umherschauen nach vergleichbarem Stoff aus andern Sphären die <lb n="pvi_1226.032"/> Phantasie an ihrer eigenen Schönheit, jedoch in der ächten Dichtung niemals <lb n="pvi_1226.033"/> selbstsüchtig, sondern in dem guten Sinne, daß durch die Freiheit, durch das ideale <lb n="pvi_1226.034"/> Ueberschweben, worin sie sich genießt, die innige Vertiefung in das bestimmte <lb n="pvi_1226.035"/> Object, dem die Vergleichung gilt, nicht gestört wird; es ist eine Befreiung <lb n="pvi_1226.036"/> von stoffartigem Festkleben, eine Lösung in der Beschränkung, deren Natur <lb n="pvi_1226.037"/> besonders da einleuchtet, wo sie der Dichter einer poetischen Person als ihren <lb n="pvi_1226.038"/> eigenen Act beilegt, so daß wir Zeugen eines objectiven Schauspiels sind, <lb n="pvi_1226.039"/> worin der Mensch von seiner Leidenschaft sich befreit, indem er alle Bilderkraft </hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1226/0088]
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Die andere, mehr äußerliche, aber farbenreichere Hauptform des indirecten pvi_1226.003
Verfahrens, der Tropus, zieht vergleichend eine Erscheinung aus einer pvi_1226.004
andern Sphäre herbei; verschweigt sie diesen Act und scheint das Verglichene pvi_1226.005
identisch zu setzen, so ist sie eigentliche Uebertragung, Metapher; Tropus wird generell als eine vergleichende Form definiert, Vgl. somit als Oberkategorie; Metapher kann hier sowohl als verkürzter Vergleich wie auch als Übertragung annotiert werden; Übertragung jedoch expliziter entlehnt pvi_1226.006
diese ihr Bild aus dem beseelten Leben, so fällt sie in ihrer höchsten Lebendigkeit pvi_1226.007
mit der Personification zusammen. Schlagende Kraft des Vergleichungspunctes pvi_1226.008
ist im ernsten Gebiete (über den Unterschied des komischen vergl. §. 199) der pvi_1226.009
Charakter des ächten Bildes. Metapher fällt mit Personifikation zusammen: Parallelkategorien
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Jn den bisher aufgeführten Formen wird nicht ein Fremdes, das einen pvi_1226.011
eigenen Körper hat, mit dem vorliegenden Subjecte, dem ebenfalls eigene pvi_1226.012
Erscheinungsform zukommt, zusammengebracht, so daß wir diese zwei vermittelst pvi_1226.013
einer Eigenschaft, die beiden gemein ist, in Einheit zusammenfassen pvi_1226.014
sollen; jenes Verfahren ist, auch wo es die Momente eines Ganzen, eines pvi_1226.015
Ordnungsverhältnisses vertauscht, einfacher, bleibt in der Sache, erwärmt pvi_1226.016
und beseelt sie von innen heraus; dieses ist zwiefältig, unruhiger, macht pvi_1226.017
einen Sprung, ist äußerlicher und daher gewaltsamer. Die eigentlichen pvi_1226.018
Tropen, von denen es hier sich handelt, sind ebendarum weniger poetisch. pvi_1226.019
Was zu §. 850 von Bedeckung poetischer Blößen durch Glanz des Ausdrucks pvi_1226.020
gesagt ist, gilt namentlich diesem bildlichen Verfahren im engeren pvi_1226.021
Sinne des Worts. Es versteht sich, daß darum die ächte Poesie auf das pvi_1226.022
Bild nicht kann verzichten wollen. Es ist vermöge seiner springenden Natur pvi_1226.023
colorirter, als jene andern Formen, und viele Stellen fordern die buntere pvi_1226.024
Farbe; der Geist in wärmerer Bewegung, sei sie eine sanftere und beschauliche pvi_1226.025
oder feurige und wilde, fühlt den natürlichen Drang, seinen Gegenstand, pvi_1226.026
damit er in seinem Werth nachdrücklicher erscheine, nicht nur in einfacher, pvi_1226.027
sondern in doppelter Beleuchtung, sozusagen im Sonnen- und Kerzenlichte pvi_1226.028
zugleich zu zeigen; der Vergleichungspunct, der das innerste Wesen des pvi_1226.029
Gegenstands mit verdoppeltem Accente betont, ist das farbigere Kerzenlicht. pvi_1226.030
Jn diesem Drange liegt aber noch ein Tieferes: einerseits weidet sich in pvi_1226.031
solchem Umherschauen nach vergleichbarem Stoff aus andern Sphären die pvi_1226.032
Phantasie an ihrer eigenen Schönheit, jedoch in der ächten Dichtung niemals pvi_1226.033
selbstsüchtig, sondern in dem guten Sinne, daß durch die Freiheit, durch das ideale pvi_1226.034
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Object, dem die Vergleichung gilt, nicht gestört wird; es ist eine Befreiung pvi_1226.036
von stoffartigem Festkleben, eine Lösung in der Beschränkung, deren Natur pvi_1226.037
besonders da einleuchtet, wo sie der Dichter einer poetischen Person als ihren pvi_1226.038
eigenen Act beilegt, so daß wir Zeugen eines objectiven Schauspiels sind, pvi_1226.039
worin der Mensch von seiner Leidenschaft sich befreit, indem er alle Bilderkraft
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