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Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857.

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entstehen läßt. Er hätte noch andere Beispiele wählen können, welche mit pvi_1203.002
diesen Homerischen überhaupt unter den allgemeineren Begriff der Thätigkeit pvi_1203.003
fallen. Thätigkeit hat aber einen innern Grund und dieß führt uns tiefer, pvi_1203.004
zu der Beziehung auf das Jnnere. Auf diesem Uebergang ist eine besondere pvi_1203.005
Sphäre von Stoffen der Darstellung wichtig: Lessing hat übersehen, daß pvi_1203.006
es sich auch von unbeweglichen Gegenständen, namentlich von der Landschaft pvi_1203.007
handelt. Zunächst wird auch hier gelten, daß ihr Bild an dem Faden einer pvi_1203.008
Thätigkeit (Wandern, Jagen u. dergl.) uns vorübergeführt werden soll. pvi_1203.009
Es gibt eine tiefere Form: der Dichter kann, der gute wird immer auch pvi_1203.010
das unorganische Leben vor uns werden lassen, indem er uns eine Ahnung pvi_1203.011
der planetarischen Thätigkeit gibt, welche diese Massen aufgerichtet, diese pvi_1203.012
Wasser ergossen, diese Pflanzen gebildet hat. Allein auch diese Wendung pvi_1203.013
ist es noch nicht, welche Wesen und Streben der Dichtung am klarsten und pvi_1203.014
vollständigsten bezeichnet: der Dichter wird die umgebende Natur in die Seele pvi_1203.015
des Menschen tragen, er wird uns zeigen, wie durch die Sinne sein Gemüth pvi_1203.016
dieselbe auffaßt, er wird bewirken, daß der Leser die Landschaft mit den pvi_1203.017
Augen der epischen Spieler sieht, - "ihr Auge vor das seinige als Augenglas pvi_1203.018
nimmt" (J. Paul Vorsch. d. Aesth. §. 80). Dieses Schildern durch pvi_1203.019
Schilderung des Reflexes auf Zuschauer im Gedichte kommt nun aber ebenso pvi_1203.020
bei Gegenständen jeder Art in Anwendung; Lessing führt es nur als Mittel pvi_1203.021
auf, um menschliche Schönheit zu vergegenwärtigen (a. a. O. Cap. 21. pvi_1203.022
Helena vor den Greisen auf der Mauer von Troia erscheinend). Jetzt ist pvi_1203.023
diese directe Beziehung auf das Jnnere mit der Bewegung überhaupt wieder pvi_1203.024
zusammenzufassen. Bringt der Dichter die Gegenstände, die er schildert, auch pvi_1203.025
nur in Zusammenhang mit physischer Bewegung, so führt doch der zunächst pvi_1203.026
nur äußere Zweck derselben directer oder indirecter auf einen innern. Mit pvi_1203.027
einem solchen werden auch Empfindungen über landschaftliche, menschliche pvi_1203.028
und jede andere Schönheit immer in unmittelbarer Verflechtung stehen. pvi_1203.029
Agamemnons Ankleiden, die Scepter, die Waffen, der Achillesschild: Alles pvi_1203.030
führt an längeren oder kürzeren Fäden in den Mittelpunct der großen pvi_1203.031
Handlung in der Jlias, die Gefühle der Greise bei dem Anblick der Helena pvi_1203.032
ebenso, und gefühlvolle Betrachtung von Landschaft im Roman hängt mit pvi_1203.033
Affecten, diese mit Thaten und Leiden zusammen, die vom Centrum der pvi_1203.034
Haupthandlung ausgehen und zu ihm zurückleiten. Lessing selbst hat daher pvi_1203.035
die Sache im Mittelpunct erfaßt, indem er den Satz aufstellt, den der §. pvi_1203.036
wörtlich von ihm aufnimmt. - Unter diesen Mitteln ist aber gerade das pvi_1203.037
Gewöhnlichste, Einfachste noch nicht genannt, auch von Lessing nicht erwähnt, pvi_1203.038
nämlich die Form der unmittelbaren Begleitung. Der Dichter pvi_1203.039
schildert Körper dadurch, daß er einfach zeigt, wie sie der innern Bewegung, pvi_1203.040
dem Zweck, dem Willen, der Handlung folgen und das Jnnere ausdrücken. pvi_1203.041
Gerade an dieser Form läßt sich auch am besten nachweisen, wie ein kurzer Zug

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entstehen läßt. Er hätte noch andere Beispiele wählen können, welche mit pvi_1203.002
diesen Homerischen überhaupt unter den allgemeineren Begriff der Thätigkeit pvi_1203.003
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Sphäre von Stoffen der Darstellung wichtig: Lessing hat übersehen, daß pvi_1203.006
es sich auch von unbeweglichen Gegenständen, namentlich von der Landschaft pvi_1203.007
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Thätigkeit (Wandern, Jagen u. dergl.) uns vorübergeführt werden soll. pvi_1203.009
Es gibt eine tiefere Form: der Dichter kann, der gute wird immer auch pvi_1203.010
das unorganische Leben vor uns werden lassen, indem er uns eine Ahnung pvi_1203.011
der planetarischen Thätigkeit gibt, welche diese Massen aufgerichtet, diese pvi_1203.012
Wasser ergossen, diese Pflanzen gebildet hat. Allein auch diese Wendung pvi_1203.013
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Augen der epischen Spieler sieht, – „ihr Auge vor das seinige als Augenglas pvi_1203.018
nimmt“ (J. Paul Vorsch. d. Aesth. §. 80). Dieses Schildern durch pvi_1203.019
Schilderung des Reflexes auf Zuschauer im Gedichte kommt nun aber ebenso pvi_1203.020
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auf, um menschliche Schönheit zu vergegenwärtigen (a. a. O. Cap. 21. pvi_1203.022
Helena vor den Greisen auf der Mauer von Troia erscheinend). Jetzt ist pvi_1203.023
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nur in Zusammenhang mit physischer Bewegung, so führt doch der zunächst pvi_1203.026
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und jede andere Schönheit immer in unmittelbarer Verflechtung stehen. pvi_1203.029
Agamemnons Ankleiden, die Scepter, die Waffen, der Achillesschild: Alles pvi_1203.030
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Haupthandlung ausgehen und zu ihm zurückleiten. Lessing selbst hat daher pvi_1203.035
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wörtlich von ihm aufnimmt. – Unter diesen Mitteln ist aber gerade das pvi_1203.037
Gewöhnlichste, Einfachste noch nicht genannt, auch von Lessing nicht erwähnt, pvi_1203.038
nämlich die Form der unmittelbaren Begleitung. Der Dichter pvi_1203.039
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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857, S. 1203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_poetik_1857/65>, abgerufen am 25.11.2024.