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Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857.

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die im weiteren Sinne des Worts dem epischen Dichter überhaupt eigen pvi_1307.002
ist (vergl. §. 869). Mit diesem selbstbewußten Verhalten ist nun zwar die pvi_1307.003
volle Naivetät allerdings nicht verträglich, die das Element des ächten Epos pvi_1307.004
bildet; allein von der Fabel ist das Bild der Dinge zu unterscheiden, die pvi_1307.005
Darstellung des ganzen Weltzustands, der Sitte, der Verhältnisse, die Vergegenwärtigung pvi_1307.006
der Hauptfiguren im Gange der Handlung: hierin ist der pvi_1307.007
Romandichter im guten Sinne des Wortes gebunden wie der Dichter des pvi_1307.008
Epos und muß denselben objectiven, kindlichen Sinn bewahren und zeigen. pvi_1307.009
Die geschärftere Jronie im Verhalten des Romandichters erscheint in diesem pvi_1307.010
Zusammenhang wieder milder und nicht zu weit abliegend von der epischen pvi_1307.011
Objectivität; wir haben in §. 865, Anm. bereits jene Uebertragung beleuchtet, pvi_1307.012
vermöge welcher hinter der Fiction des Glaubens an die thatsächliche pvi_1307.013
Nöthigung des Fabel-Jnhalts die Wahrheit der Unterwerfung des pvi_1307.014
Geistes unter die allgemeinen Gesetze und Bedingungen des Weltlaufs sich pvi_1307.015
verbirgt.

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§. 880.

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Die epische Forderung der Totalität bleibt stehen, doch nur in Beziehung1. pvi_1307.018
auf die Culturzustände, der Roman trägt in weit engerem Sinne den Charakter pvi_1307.019
des Sittenbildlichen, als das Epos; der Held ist nicht handelnd, er macht auf pvi_1307.020
dem Schauplatze der Erfahrung seinen Bildungsgang, worin die Liebe ein Hauptmotiv pvi_1307.021
ist und Conflicte der Seele und des Geistes an die Stelle der That pvi_1307.022
treten. Die Auffassung ist daher ungleich mehr, als dort, auf das Jnnere gerichtet, pvi_1307.023
der Styl aber geht noch weit enger in das Einzelne und ist wesentlich pvi_1307.024
der ausgebildet charakteristische, individualisirende. So bildet der2. pvi_1307.025
Roman einen vollen Stylgegensatz gegen das Epos; er ist aber ein mangelhaftes pvi_1307.026
Gefäß für den Geist der modernen Dichtung, er steht, wie schon seine pvi_1307.027
prosaische Sprachform zu erkennen gibt, bedenklich an der Grenze des sinnlich pvi_1307.028
oder geistig Stoffartigen und diese innere Unsicherheit gibt sich namentlich durch pvi_1307.029
die Art der Spannung und die Schwierigkeit des Schlusses zu erkennen.

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1. Der Roman hat nicht eine große National-Unternehmung zum pvi_1307.031
Jnhalt, welche ein Weltbild im hohen geschichtlichen Sinne gäbe; umfassend pvi_1307.032
soll er nur sein in Beziehung auf das Zuständliche, rein Menschliche, indem pvi_1307.033
er von seinem Punct aus Sitten, Gesellschaft, Culturformen einer ganzen pvi_1307.034
Zeit und darin das Allgemeine des menschlichen Lebens darstellt. Der pvi_1307.035
historische Roman begründet keinen Einwand gegen diese Beschränkung der pvi_1307.036
vorliegenden Kunstform auf die vom Schauplatze der großen Thaten abliegende pvi_1307.037
Seite der Wirklichkeit; es wird sich zeigen, daß in ihm das Gebiet pvi_1307.038
der politischen Handlung nur den Hintergrund bildet. Jn diesen Grenzen

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die im weiteren Sinne des Worts dem epischen Dichter überhaupt eigen pvi_1307.002
ist (vergl. §. 869). Mit diesem selbstbewußten Verhalten ist nun zwar die pvi_1307.003
volle Naivetät allerdings nicht verträglich, die das Element des ächten Epos pvi_1307.004
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Romandichter im guten Sinne des Wortes gebunden wie der Dichter des pvi_1307.008
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Objectivität; wir haben in §. 865, Anm. bereits jene Uebertragung beleuchtet, pvi_1307.012
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Nöthigung des Fabel-Jnhalts die Wahrheit der Unterwerfung des pvi_1307.014
Geistes unter die allgemeinen Gesetze und Bedingungen des Weltlaufs sich pvi_1307.015
verbirgt.

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Die epische Forderung der Totalität bleibt stehen, doch nur in Beziehung1. pvi_1307.018
auf die Culturzustände, der Roman trägt in weit engerem Sinne den Charakter pvi_1307.019
des Sittenbildlichen, als das Epos; der Held ist nicht handelnd, er macht auf pvi_1307.020
dem Schauplatze der Erfahrung seinen Bildungsgang, worin die Liebe ein Hauptmotiv pvi_1307.021
ist und Conflicte der Seele und des Geistes an die Stelle der That pvi_1307.022
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der ausgebildet charakteristische, individualisirende. So bildet der2. pvi_1307.025
Roman einen vollen Stylgegensatz gegen das Epos; er ist aber ein mangelhaftes pvi_1307.026
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oder geistig Stoffartigen und diese innere Unsicherheit gibt sich namentlich durch pvi_1307.029
die Art der Spannung und die Schwierigkeit des Schlusses zu erkennen.

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1. Der Roman hat nicht eine große National-Unternehmung zum pvi_1307.031
Jnhalt, welche ein Weltbild im hohen geschichtlichen Sinne gäbe; umfassend pvi_1307.032
soll er nur sein in Beziehung auf das Zuständliche, rein Menschliche, indem pvi_1307.033
er von seinem Punct aus Sitten, Gesellschaft, Culturformen einer ganzen pvi_1307.034
Zeit und darin das Allgemeine des menschlichen Lebens darstellt. Der pvi_1307.035
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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857, S. 1307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_poetik_1857/169>, abgerufen am 25.11.2024.