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Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857.

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Rede, in die man sich warf, um die Naturwahrheit zu retten, diente dem pvi_1246.003
Mimen als Anhalt, die Modulation der wahren Töne der Empfindung pvi_1246.004
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und sprechen konnten, so daß Göthe eine bedeutende Schauspielerinn in der pvi_1246.008
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stampfte. - Was von der Declamation gilt, gilt auch vom Lesen als pvi_1246.010
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das die Poesie an die unmittelbare Sinnlichkeit knüpft, ist immer dünner, pvi_1246.012
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Grund in dem Gesammten unserer Bildung und es hieße gegen eine Welt pvi_1246.016
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Dennoch lebt ein Gedicht nur halb und verstümmelt, wenn es blos gelesen, pvi_1246.018
nicht wenigstens vorgelesen wird. Entschieden hat die Berechnung auf das pvi_1246.019
bloße Lesen der dramatischen Literatur geschadet. Das Aufkommen der Lese= pvi_1246.020
Dramen hat den Sinn für das, was Handlung ist, was lebt, wirkt, fortschreitet pvi_1246.021
und packt, fast ertödtet.

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Der allgemeine Gegensatz der Style, der alles Kunstleben beherrscht, pvi_1246.024
ist mit besonderer Bestimmtheit in der Rhythmik zur Erscheinung gekommen. pvi_1246.025
Die orientalische Dichtung ist auf diesem Gebiete ganz in den Grenzen einer pvi_1246.026
unreifen Vorstufe stehen geblieben; dagegen tritt der direct idealisirende pvi_1246.027
plastische
Styl des classischen Jdeals in vollendeter Gestalt bei den Griechen pvi_1246.028
auf. Zu Grunde liegt ein System von Takt-Arten, das in seiner Anwendung pvi_1246.029
auf die rein quantitirende Sprache sich mit dem Prinzip der Länge und pvi_1246.030
Kürze, den Wortaccent opfernd, in reiner Gesetzmäßigkeit verbindet, indem es pvi_1246.031
vermittelst des Vorschlags (Anakruse) die verschiedenen Metra mit ihrem verschiedenen pvi_1246.032
Charakter als eine feste Kunstordnung schafft, worein sich der Sprachkörper pvi_1246.033
mit dem Naturgesetze seiner Prosodie einfügt. Es entsteht so eine pvi_1246.034
selbständige Welt organischer formaler Schönheit, welche zugleich mit der Musik pvi_1246.035
lebendig vereinigt bleibt und die kunstreicher verschlungenen Strophen durch den pvi_1246.036
Tanz auch dem Auge als räumliche Figur vorzeichnet.

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Jn der alt=persischen und indischen Dichtkunst werden die Sylben nur gezählt

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Der allgemeine Gegensatz der Style, der alles Kunstleben beherrscht, pvi_1246.024
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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857, S. 1246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_poetik_1857/108>, abgerufen am 27.11.2024.