Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

hob sie langsam den Arm, bot mir die schneeweiße
Hand und sagte: "Reiche die deine, das kühle Lichtblau
hat Alles, Alles abgewaschen." Zitternd hob ich die
Hand und faßte die ihre. Sie war kalt, aber nie
im Leben hat der Druck einer warmen, lebendigen
Hand einen Menschennerv und ein Menschenherz so
selig durchzittert, wie mich die Berührung dieser weichen,
zarten Finger, die wie aus Schnee gerundet schienen.
Ich hielt sie fest und flüsterte: "Ewig." -- "Ja,
ewig," hauchte sie.


Ich glaubte sie noch zu halten, als ich erwachte.
Dieß Erwachen! Hinweggespült aus meiner hämmern¬
den Brust ist der Krampf und Brand des Lebens,
sanft geht mein Puls. Ich bin frei.


Aus Wust und Wuth,
Aus Schwefelglut,
Aus athemloser Schwüle
Hinab in Meeresgrund, hinab in's Kühle.
Da ruh' ich aus
Im Felsenhaus
Von all' dem Angstgewühle,
Gebadet in der sanften, reinen Kühle.

hob ſie langſam den Arm, bot mir die ſchneeweiße
Hand und ſagte: „Reiche die deine, das kühle Lichtblau
hat Alles, Alles abgewaſchen.“ Zitternd hob ich die
Hand und faßte die ihre. Sie war kalt, aber nie
im Leben hat der Druck einer warmen, lebendigen
Hand einen Menſchennerv und ein Menſchenherz ſo
ſelig durchzittert, wie mich die Berührung dieſer weichen,
zarten Finger, die wie aus Schnee gerundet ſchienen.
Ich hielt ſie feſt und flüſterte: „Ewig.“ — „Ja,
ewig,“ hauchte ſie.


Ich glaubte ſie noch zu halten, als ich erwachte.
Dieß Erwachen! Hinweggeſpült aus meiner hämmern¬
den Bruſt iſt der Krampf und Brand des Lebens,
ſanft geht mein Puls. Ich bin frei.


Aus Wuſt und Wuth,
Aus Schwefelglut,
Aus athemloſer Schwüle
Hinab in Meeresgrund, hinab in's Kühle.
Da ruh’ ich aus
Im Felſenhaus
Von all’ dem Angſtgewühle,
Gebadet in der ſanften, reinen Kühle.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0427" n="414"/>
hob &#x017F;ie lang&#x017F;am den Arm, bot mir die &#x017F;chneeweiße<lb/>
Hand und &#x017F;agte: &#x201E;Reiche die deine, das kühle Lichtblau<lb/>
hat Alles, Alles abgewa&#x017F;chen.&#x201C; Zitternd hob ich die<lb/>
Hand und faßte die ihre. Sie war kalt, aber nie<lb/>
im Leben hat der Druck einer warmen, lebendigen<lb/>
Hand einen Men&#x017F;chennerv und ein Men&#x017F;chenherz &#x017F;o<lb/>
&#x017F;elig durchzittert, wie mich die Berührung die&#x017F;er weichen,<lb/>
zarten Finger, die wie aus Schnee gerundet &#x017F;chienen.<lb/>
Ich hielt &#x017F;ie fe&#x017F;t und flü&#x017F;terte: &#x201E;Ewig.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Ja,<lb/>
ewig,&#x201C; hauchte &#x017F;ie.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Ich glaubte &#x017F;ie noch zu halten, als ich erwachte.<lb/>
Dieß Erwachen! Hinwegge&#x017F;pült aus meiner hämmern¬<lb/>
den Bru&#x017F;t i&#x017F;t der Krampf und Brand des Lebens,<lb/>
&#x017F;anft geht mein Puls. Ich bin frei.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>Aus Wu&#x017F;t und Wuth,</l><lb/>
            <l>Aus Schwefelglut,</l><lb/>
            <l>Aus athemlo&#x017F;er Schwüle</l><lb/>
            <l>Hinab in Meeresgrund, hinab in's Kühle.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="2">
            <l>Da ruh&#x2019; ich aus</l><lb/>
            <l>Im Fel&#x017F;enhaus</l><lb/>
            <l>Von all&#x2019; dem Ang&#x017F;tgewühle,</l><lb/>
            <l>Gebadet in der &#x017F;anften, reinen Kühle.</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[414/0427] hob ſie langſam den Arm, bot mir die ſchneeweiße Hand und ſagte: „Reiche die deine, das kühle Lichtblau hat Alles, Alles abgewaſchen.“ Zitternd hob ich die Hand und faßte die ihre. Sie war kalt, aber nie im Leben hat der Druck einer warmen, lebendigen Hand einen Menſchennerv und ein Menſchenherz ſo ſelig durchzittert, wie mich die Berührung dieſer weichen, zarten Finger, die wie aus Schnee gerundet ſchienen. Ich hielt ſie feſt und flüſterte: „Ewig.“ — „Ja, ewig,“ hauchte ſie. Ich glaubte ſie noch zu halten, als ich erwachte. Dieß Erwachen! Hinweggeſpült aus meiner hämmern¬ den Bruſt iſt der Krampf und Brand des Lebens, ſanft geht mein Puls. Ich bin frei. Aus Wuſt und Wuth, Aus Schwefelglut, Aus athemloſer Schwüle Hinab in Meeresgrund, hinab in's Kühle. Da ruh’ ich aus Im Felſenhaus Von all’ dem Angſtgewühle, Gebadet in der ſanften, reinen Kühle.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/427
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/427>, abgerufen am 27.11.2024.