Nun war dieser Kern im Ursprung schon getrübt, mit Mythologie umhängt. Der Stifter selbst schon glaubt Engel und Teufel, glaubt wiederzukommen als Königmessias und das himmlische Reich auf Erden zu gründen. Kaum todt, so vermehrt sich die Mhthen¬ glorie: Wunder, Auferstehung, Christus wird Gottes¬ sohn, sein Tod Opfertod nach alter, blutiger, ja grasser Opferidee, bald dann Maria Göttin. Müßte auch wunderbar zugegangen sein, wenn zu den jüdischen Wahnvorstellungen nicht die bekehrten Heiden zeitig die ihrigen zugebracht hätten: Göttersöhne, Frühlings¬ götter, Osiris, Adonis, Mithras, Herkules, dann Ur¬ göttinnen, Isis, Here, Venus, Astarte, Mylitta, Rhea, Kybele und wie sie heißen, -- nachdem im Teufel schon der Ahriman eingewandert. Dort in Pompeji die aufgehängten Votivbilder im Tempel der Venus, kranke Arme, Beine, Hände, Nasen von Zinn, Silber, Thon, die sie heilen sollte, -- sie ersetzen eine ganze religionsgeschichtliche Abhandlung über christliches Heiden¬ thum.
Nun, wenn ich lese, wie die Römer und andere Polytheisten über das Christenthum urtheilten, so peinigt mich ein eigenes Gefühl: ich muß mich vor ihnen schämen für jene frühen Christen, wie ich mich heute noch schämen muß, wenn Missionäre den Heiden unsere
Nun war dieſer Kern im Urſprung ſchon getrübt, mit Mythologie umhängt. Der Stifter ſelbſt ſchon glaubt Engel und Teufel, glaubt wiederzukommen als Königmeſſias und das himmliſche Reich auf Erden zu gründen. Kaum todt, ſo vermehrt ſich die Mhthen¬ glorie: Wunder, Auferſtehung, Chriſtus wird Gottes¬ ſohn, ſein Tod Opfertod nach alter, blutiger, ja graſſer Opferidee, bald dann Maria Göttin. Müßte auch wunderbar zugegangen ſein, wenn zu den jüdiſchen Wahnvorſtellungen nicht die bekehrten Heiden zeitig die ihrigen zugebracht hätten: Götterſöhne, Frühlings¬ götter, Oſiris, Adonis, Mithras, Herkules, dann Ur¬ göttinnen, Iſis, Here, Venus, Aſtarte, Mylitta, Rhea, Kybele und wie ſie heißen, — nachdem im Teufel ſchon der Ahriman eingewandert. Dort in Pompeji die aufgehängten Votivbilder im Tempel der Venus, kranke Arme, Beine, Hände, Naſen von Zinn, Silber, Thon, die ſie heilen ſollte, — ſie erſetzen eine ganze religionsgeſchichtliche Abhandlung über chriſtliches Heiden¬ thum.
Nun, wenn ich leſe, wie die Römer und andere Polytheiſten über das Chriſtenthum urtheilten, ſo peinigt mich ein eigenes Gefühl: ich muß mich vor ihnen ſchämen für jene frühen Chriſten, wie ich mich heute noch ſchämen muß, wenn Miſſionäre den Heiden unſere
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Nun war dieſer Kern im Urſprung ſchon getrübt,
mit Mythologie umhängt. Der Stifter ſelbſt ſchon
glaubt Engel und Teufel, glaubt wiederzukommen
als Königmeſſias und das himmliſche Reich auf Erden
zu gründen. Kaum todt, ſo vermehrt ſich die Mhthen¬
glorie: Wunder, Auferſtehung, Chriſtus wird Gottes¬
ſohn, ſein Tod Opfertod nach alter, blutiger, ja graſſer
Opferidee, bald dann Maria Göttin. Müßte auch
wunderbar zugegangen ſein, wenn zu den jüdiſchen
Wahnvorſtellungen nicht die bekehrten Heiden zeitig die
ihrigen zugebracht hätten: Götterſöhne, Frühlings¬
götter, Oſiris, Adonis, Mithras, Herkules, dann Ur¬
göttinnen, Iſis, Here, Venus, Aſtarte, Mylitta, Rhea,
Kybele und wie ſie heißen, — nachdem im Teufel
ſchon der Ahriman eingewandert. Dort in Pompeji
die aufgehängten Votivbilder im Tempel der Venus,
kranke Arme, Beine, Hände, Naſen von Zinn, Silber,
Thon, die ſie heilen ſollte, — ſie erſetzen eine ganze
religionsgeſchichtliche Abhandlung über chriſtliches Heiden¬
thum.
Nun, wenn ich leſe, wie die Römer und andere
Polytheiſten über das Chriſtenthum urtheilten, ſo peinigt
mich ein eigenes Gefühl: ich muß mich vor ihnen
ſchämen für jene frühen Chriſten, wie ich mich heute
noch ſchämen muß, wenn Miſſionäre den Heiden unſere
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/408>, abgerufen am 27.11.2024.
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