Die Hohenstaufengräber in der Kathedrale kann ich nicht zum zweiten Mal sehen. Hic situs est magni nominis Imperator et rex Siciliae Frede¬ ricus II. -- -- Kann nicht zur reinen Anschauung, nicht zur ungetheilten Stimmung gelangen vor dem Porphyrsarg. Der Hohenstaufen schiebt sich mir in die Bildkammer der Phantasie herein, wie ich ihn einst gesehen, in Formen so schön, als stände er nicht neben deutscher Alb, -- kahl, matt röthlich be¬ leuchtet von der Abendsonne. Verliere mich in die Frage, ob es geschichtliche Nothwendigkeit gewesen, daß diese großen Kaiser Stiefväter ihrem Heimatland waren. Erwäge das vielbesprochene Für und Wider. Es gräbt, bohrt, sticht in mir, daß unsere Geschichte Gipfel hat, die keine Gipfel für unsere Nation sind. Alte Pein, einem belächelten Volk anzugehören, wacht auf. Werde mir nun selber bös, daß ich angesichts des großen Gegenstandes Auge und Gefühl nicht rein gegenständlich stimmen, meinen Vorsatz, die Politik zu lassen, nicht halten kann. Also eben fort, hinaus wieder an den Hafen, meinem Liebling, meinem Herzblatt gegenüber, dem Monte Pelegrino!
Die reinen Heiden sind sie doch! Man muß zürnen und lachen, lachen und zürnen. Führen da ihre Heilige als Puppe auf Prachtwagen herum wie
Die Hohenſtaufengräber in der Kathedrale kann ich nicht zum zweiten Mal ſehen. Hic situs est magni nominis Imperator et rex Siciliae Frede¬ ricus II. — — Kann nicht zur reinen Anſchauung, nicht zur ungetheilten Stimmung gelangen vor dem Porphyrſarg. Der Hohenſtaufen ſchiebt ſich mir in die Bildkammer der Phantaſie herein, wie ich ihn einſt geſehen, in Formen ſo ſchön, als ſtände er nicht neben deutſcher Alb, — kahl, matt röthlich be¬ leuchtet von der Abendſonne. Verliere mich in die Frage, ob es geſchichtliche Nothwendigkeit geweſen, daß dieſe großen Kaiſer Stiefväter ihrem Heimatland waren. Erwäge das vielbeſprochene Für und Wider. Es gräbt, bohrt, ſticht in mir, daß unſere Geſchichte Gipfel hat, die keine Gipfel für unſere Nation ſind. Alte Pein, einem belächelten Volk anzugehören, wacht auf. Werde mir nun ſelber bös, daß ich angeſichts des großen Gegenſtandes Auge und Gefühl nicht rein gegenſtändlich ſtimmen, meinen Vorſatz, die Politik zu laſſen, nicht halten kann. Alſo eben fort, hinaus wieder an den Hafen, meinem Liebling, meinem Herzblatt gegenüber, dem Monte Pelegrino!
Die reinen Heiden ſind ſie doch! Man muß zürnen und lachen, lachen und zürnen. Führen da ihre Heilige als Puppe auf Prachtwagen herum wie
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Die Hohenſtaufengräber in der Kathedrale kann
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magni nominis Imperator et rex Siciliae Frede¬
ricus II. — — Kann nicht zur reinen Anſchauung,
nicht zur ungetheilten Stimmung gelangen vor dem
Porphyrſarg. Der Hohenſtaufen ſchiebt ſich mir in
die Bildkammer der Phantaſie herein, wie ich ihn
einſt geſehen, in Formen ſo ſchön, als ſtände er
nicht neben deutſcher Alb, — kahl, matt röthlich be¬
leuchtet von der Abendſonne. Verliere mich in die
Frage, ob es geſchichtliche Nothwendigkeit geweſen, daß
dieſe großen Kaiſer Stiefväter ihrem Heimatland waren.
Erwäge das vielbeſprochene Für und Wider. Es gräbt,
bohrt, ſticht in mir, daß unſere Geſchichte Gipfel hat,
die keine Gipfel für unſere Nation ſind. Alte Pein,
einem belächelten Volk anzugehören, wacht auf. Werde
mir nun ſelber bös, daß ich angeſichts des großen
Gegenſtandes Auge und Gefühl nicht rein gegenſtändlich
ſtimmen, meinen Vorſatz, die Politik zu laſſen, nicht
halten kann. Alſo eben fort, hinaus wieder an den
Hafen, meinem Liebling, meinem Herzblatt gegenüber,
dem Monte Pelegrino!
Die reinen Heiden ſind ſie doch! Man muß
zürnen und lachen, lachen und zürnen. Führen da
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/406>, abgerufen am 01.02.2025.
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