Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschen, die einander ohne thatsächlich klaren
Grund nicht trauen, trauen sich selber nicht.


Diese Art Menschen kann man auch mit ziemlicher
Sicherheit daran erkennen, daß sie nicht gern allein
sind, obwohl man natürlich den Schluß nicht umdrehen
darf, denn die Mehrheit ist nur aus Leerheit nicht
gern allein. Auch spazieren können sie nicht recht
gehen, denn eine gemeine Seele ist keiner Contempla¬
tion fähig.


Man muß arbeiten können, man muß aber auch
müßig gehen können, nur betrachten. In diesen Mo¬
menten muß man sich verhalten können, wie bloße
Natur oder eigentlich sich selbst betrachtende Natur.
In glücklichem Wechsel mit Arbeit sind sie so gut,
so werthvoll wie Arbeit.


Vater und Sohn,
an einem See vorbeigehend.

Knabe. Papa, heut Nacht ist der See, glaub' ich,
doch ein bischen unartig gegen mich gewesen.

Vater. Was hat er dir denn gethan?

Menſchen, die einander ohne thatſächlich klaren
Grund nicht trauen, trauen ſich ſelber nicht.


Dieſe Art Menſchen kann man auch mit ziemlicher
Sicherheit daran erkennen, daß ſie nicht gern allein
ſind, obwohl man natürlich den Schluß nicht umdrehen
darf, denn die Mehrheit iſt nur aus Leerheit nicht
gern allein. Auch ſpazieren können ſie nicht recht
gehen, denn eine gemeine Seele iſt keiner Contempla¬
tion fähig.


Man muß arbeiten können, man muß aber auch
müßig gehen können, nur betrachten. In dieſen Mo¬
menten muß man ſich verhalten können, wie bloße
Natur oder eigentlich ſich ſelbſt betrachtende Natur.
In glücklichem Wechſel mit Arbeit ſind ſie ſo gut,
ſo werthvoll wie Arbeit.


Vater und Sohn,
an einem See vorbeigehend.

Knabe. Papa, heut Nacht iſt der See, glaub' ich,
doch ein bischen unartig gegen mich geweſen.

Vater. Was hat er dir denn gethan?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0385" n="372"/>
        <p>Men&#x017F;chen, die einander ohne that&#x017F;ächlich klaren<lb/>
Grund nicht trauen, trauen &#x017F;ich &#x017F;elber nicht.</p><lb/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Die&#x017F;e Art Men&#x017F;chen kann man auch mit ziemlicher<lb/>
Sicherheit daran erkennen, daß &#x017F;ie nicht gern allein<lb/>
&#x017F;ind, obwohl man natürlich den Schluß nicht umdrehen<lb/>
darf, denn die Mehrheit i&#x017F;t nur aus Leerheit nicht<lb/>
gern allein. Auch &#x017F;pazieren können &#x017F;ie nicht recht<lb/>
gehen, denn eine gemeine Seele i&#x017F;t keiner Contempla¬<lb/>
tion fähig.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Man muß arbeiten können, man muß aber auch<lb/>
müßig gehen können, nur betrachten. In die&#x017F;en Mo¬<lb/>
menten muß man &#x017F;ich verhalten können, wie bloße<lb/>
Natur oder eigentlich &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t betrachtende Natur.<lb/>
In glücklichem Wech&#x017F;el mit Arbeit &#x017F;ind &#x017F;ie &#x017F;o gut,<lb/>
&#x017F;o werthvoll wie Arbeit.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p rendition="#c"><hi rendition="#g">Vater und Sohn,</hi><lb/>
an einem See vorbeigehend.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Knabe</hi>. Papa, heut Nacht i&#x017F;t der See, glaub' ich,<lb/>
doch ein bischen unartig gegen mich gewe&#x017F;en.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Vater</hi>. Was hat er dir denn gethan?</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[372/0385] Menſchen, die einander ohne thatſächlich klaren Grund nicht trauen, trauen ſich ſelber nicht. Dieſe Art Menſchen kann man auch mit ziemlicher Sicherheit daran erkennen, daß ſie nicht gern allein ſind, obwohl man natürlich den Schluß nicht umdrehen darf, denn die Mehrheit iſt nur aus Leerheit nicht gern allein. Auch ſpazieren können ſie nicht recht gehen, denn eine gemeine Seele iſt keiner Contempla¬ tion fähig. Man muß arbeiten können, man muß aber auch müßig gehen können, nur betrachten. In dieſen Mo¬ menten muß man ſich verhalten können, wie bloße Natur oder eigentlich ſich ſelbſt betrachtende Natur. In glücklichem Wechſel mit Arbeit ſind ſie ſo gut, ſo werthvoll wie Arbeit. Vater und Sohn, an einem See vorbeigehend. Knabe. Papa, heut Nacht iſt der See, glaub' ich, doch ein bischen unartig gegen mich geweſen. Vater. Was hat er dir denn gethan?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/385
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/385>, abgerufen am 22.11.2024.