Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

uns am wohlsten thut, sofern es nur unleugbaren
Verstandesgesetzen nicht widerspricht. Dabei ist nur
vorher auszumachen, was wahrhaft wohl thut. Dieß
kann ausgemacht werden, denn es ist aus dem Wesen
der menschlichen Seele und aus dem richtigen Begriffe
der Zeit zu beweisen, daß wahrhaft wohl nur ein
gutes Gewissen thut, das man sich erwirbt durch treue
Arbeit im Dienste der unzeitlichen Güter. Nun werden
wir in dieser Arbeit unendlich bestärkt durch die An¬
nahme, es walte ein unbedingtes Etwas, das aus
streng logischen Gründen nicht Person sein kann, das
dennoch eine Ordnung erwirke und baue in dem ver¬
worrenen Wesen, Welt genannt, und zwar auf dem
Unterbau der (auf diesem Auge) blinden Natur und
des blinden Zufalls einen Oberbau, worin sich durch
immer neue Thätigkeit unzähliger Menschen die Sitte,
das Gute, der Staat, die Wissenschaft, die Kunst her¬
stellt. Indem nun diese Annahme uns in der Er¬
werbung eines guten Gewissens unterstützt, so kommt
dieses unser Wohlbefinden zugleich Andern zu gut und
das ist Grund genug, zu glauben, was wir nie be¬
weisen können.


Was ich mir immer und immer wieder vom Werthe
der Arbeit vorsage, darin bin ich aber gar kein Phili¬
ster. Gestern Abend kam ein Kauz in die Restauration,

uns am wohlſten thut, ſofern es nur unleugbaren
Verſtandesgeſetzen nicht widerſpricht. Dabei iſt nur
vorher auszumachen, was wahrhaft wohl thut. Dieß
kann ausgemacht werden, denn es iſt aus dem Weſen
der menſchlichen Seele und aus dem richtigen Begriffe
der Zeit zu beweiſen, daß wahrhaft wohl nur ein
gutes Gewiſſen thut, das man ſich erwirbt durch treue
Arbeit im Dienſte der unzeitlichen Güter. Nun werden
wir in dieſer Arbeit unendlich beſtärkt durch die An¬
nahme, es walte ein unbedingtes Etwas, das aus
ſtreng logiſchen Gründen nicht Perſon ſein kann, das
dennoch eine Ordnung erwirke und baue in dem ver¬
worrenen Weſen, Welt genannt, und zwar auf dem
Unterbau der (auf dieſem Auge) blinden Natur und
des blinden Zufalls einen Oberbau, worin ſich durch
immer neue Thätigkeit unzähliger Menſchen die Sitte,
das Gute, der Staat, die Wiſſenſchaft, die Kunſt her¬
ſtellt. Indem nun dieſe Annahme uns in der Er¬
werbung eines guten Gewiſſens unterſtützt, ſo kommt
dieſes unſer Wohlbefinden zugleich Andern zu gut und
das iſt Grund genug, zu glauben, was wir nie be¬
weiſen können.


Was ich mir immer und immer wieder vom Werthe
der Arbeit vorſage, darin bin ich aber gar kein Phili¬
ſter. Geſtern Abend kam ein Kauz in die Reſtauration,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0371" n="358"/>
uns am wohl&#x017F;ten thut, &#x017F;ofern es nur unleugbaren<lb/>
Ver&#x017F;tandesge&#x017F;etzen nicht wider&#x017F;pricht. Dabei i&#x017F;t nur<lb/>
vorher auszumachen, was wahrhaft wohl thut. Dieß<lb/><hi rendition="#g">kann</hi> ausgemacht werden, denn es i&#x017F;t aus dem We&#x017F;en<lb/>
der men&#x017F;chlichen Seele und aus dem richtigen Begriffe<lb/>
der Zeit zu bewei&#x017F;en, daß wahrhaft wohl nur ein<lb/>
gutes Gewi&#x017F;&#x017F;en thut, das man &#x017F;ich erwirbt durch treue<lb/>
Arbeit im Dien&#x017F;te der unzeitlichen Güter. Nun werden<lb/>
wir in die&#x017F;er Arbeit unendlich be&#x017F;tärkt durch die An¬<lb/>
nahme, es walte ein unbedingtes Etwas, das aus<lb/>
&#x017F;treng logi&#x017F;chen Gründen nicht Per&#x017F;on &#x017F;ein kann, das<lb/>
dennoch eine Ordnung erwirke und baue in dem ver¬<lb/>
worrenen We&#x017F;en, Welt genannt, und zwar auf dem<lb/>
Unterbau der (auf die&#x017F;em Auge) blinden Natur und<lb/>
des blinden Zufalls einen Oberbau, worin &#x017F;ich durch<lb/>
immer neue Thätigkeit unzähliger Men&#x017F;chen die Sitte,<lb/>
das Gute, der Staat, die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, die Kun&#x017F;t her¬<lb/>
&#x017F;tellt. Indem nun die&#x017F;e Annahme uns in der Er¬<lb/>
werbung eines guten Gewi&#x017F;&#x017F;ens unter&#x017F;tützt, &#x017F;o kommt<lb/>
die&#x017F;es un&#x017F;er Wohlbefinden zugleich Andern zu gut und<lb/>
das i&#x017F;t Grund genug, zu glauben, was wir nie be¬<lb/>
wei&#x017F;en können.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Was ich mir immer und immer wieder vom Werthe<lb/>
der Arbeit vor&#x017F;age, darin bin ich aber gar kein Phili¬<lb/>
&#x017F;ter. Ge&#x017F;tern Abend kam ein Kauz in die Re&#x017F;tauration,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[358/0371] uns am wohlſten thut, ſofern es nur unleugbaren Verſtandesgeſetzen nicht widerſpricht. Dabei iſt nur vorher auszumachen, was wahrhaft wohl thut. Dieß kann ausgemacht werden, denn es iſt aus dem Weſen der menſchlichen Seele und aus dem richtigen Begriffe der Zeit zu beweiſen, daß wahrhaft wohl nur ein gutes Gewiſſen thut, das man ſich erwirbt durch treue Arbeit im Dienſte der unzeitlichen Güter. Nun werden wir in dieſer Arbeit unendlich beſtärkt durch die An¬ nahme, es walte ein unbedingtes Etwas, das aus ſtreng logiſchen Gründen nicht Perſon ſein kann, das dennoch eine Ordnung erwirke und baue in dem ver¬ worrenen Weſen, Welt genannt, und zwar auf dem Unterbau der (auf dieſem Auge) blinden Natur und des blinden Zufalls einen Oberbau, worin ſich durch immer neue Thätigkeit unzähliger Menſchen die Sitte, das Gute, der Staat, die Wiſſenſchaft, die Kunſt her¬ ſtellt. Indem nun dieſe Annahme uns in der Er¬ werbung eines guten Gewiſſens unterſtützt, ſo kommt dieſes unſer Wohlbefinden zugleich Andern zu gut und das iſt Grund genug, zu glauben, was wir nie be¬ weiſen können. Was ich mir immer und immer wieder vom Werthe der Arbeit vorſage, darin bin ich aber gar kein Phili¬ ſter. Geſtern Abend kam ein Kauz in die Reſtauration,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/371
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/371>, abgerufen am 22.07.2024.