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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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Er kommt, der Bürgerkrieg. Dialektik darin, die
mich rasend machen könnte. Großdeutsch gewesen lang.
Immer mit Eifer behauptet: ein Theil kann und darf
nicht das Ganze werden, werden wollen. Wird nichts
sein, falsche Anwendung der Logik auf das Reale, das
aus zu vielen Fäden besteht, um direkt logisch ver¬
messen zu werden. Auch das preußische Wesen nicht
leiden können, Essigsäure, Wohlweisheit, Herr Doktor
Gscheutle. Zuneigung zu Oesterreich, wußte nicht, wie
liederlich. Antipathie, Sympathie -- keine Politik.
Nun Preußen sehr gute Nase: wittert, daß die deutsche
Kaiserkrone im Dünensand Schleswig-Holsteins verborgen
liegt, dort auszugraben ist. Oesterreich niedlich dran
gekriegt, hineingelockt, um graben zu helfen, -- dann
aus der Hand schlagen! -- Begreife, es will aus Un¬
recht ein neues Recht aufstehen. Wohl, aber die
Menschheit würde charakterlos, schlecht, wenn in solchem
Fall Niemand für das alte Recht kämpfte, ob auch
hoffnungslos. Und dann -- Politik und Privatmoral
freilich zweierlei; aber Sieg neuer politischer Form,
auf Gewalt gebaut, die durch Listgewebe eingeleitet ist,
doch immer auch von entsittlichender Nachwirkung --
Moral der Nation trägt eine Schlappe davon. Man
wird's sehen, wenn die neue Form wird -- Dennoch --


Die Politik ist doch ein merkwürdiges Gebiet,
Theater, worin wie ein Narr sitzt, wer nicht hinter

Er kommt, der Bürgerkrieg. Dialektik darin, die
mich raſend machen könnte. Großdeutſch geweſen lang.
Immer mit Eifer behauptet: ein Theil kann und darf
nicht das Ganze werden, werden wollen. Wird nichts
ſein, falſche Anwendung der Logik auf das Reale, das
aus zu vielen Fäden beſteht, um direkt logiſch ver¬
meſſen zu werden. Auch das preußiſche Weſen nicht
leiden können, Eſſigſäure, Wohlweisheit, Herr Doktor
Gſcheutle. Zuneigung zu Oeſterreich, wußte nicht, wie
liederlich. Antipathie, Sympathie — keine Politik.
Nun Preußen ſehr gute Naſe: wittert, daß die deutſche
Kaiſerkrone im Dünenſand Schleswig-Holſteins verborgen
liegt, dort auszugraben iſt. Oeſterreich niedlich dran
gekriegt, hineingelockt, um graben zu helfen, — dann
aus der Hand ſchlagen! — Begreife, es will aus Un¬
recht ein neues Recht aufſtehen. Wohl, aber die
Menſchheit würde charakterlos, ſchlecht, wenn in ſolchem
Fall Niemand für das alte Recht kämpfte, ob auch
hoffnungslos. Und dann — Politik und Privatmoral
freilich zweierlei; aber Sieg neuer politiſcher Form,
auf Gewalt gebaut, die durch Liſtgewebe eingeleitet iſt,
doch immer auch von entſittlichender Nachwirkung —
Moral der Nation trägt eine Schlappe davon. Man
wird’s ſehen, wenn die neue Form wird — Dennoch —


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[345/0358] Er kommt, der Bürgerkrieg. Dialektik darin, die mich raſend machen könnte. Großdeutſch geweſen lang. Immer mit Eifer behauptet: ein Theil kann und darf nicht das Ganze werden, werden wollen. Wird nichts ſein, falſche Anwendung der Logik auf das Reale, das aus zu vielen Fäden beſteht, um direkt logiſch ver¬ meſſen zu werden. Auch das preußiſche Weſen nicht leiden können, Eſſigſäure, Wohlweisheit, Herr Doktor Gſcheutle. Zuneigung zu Oeſterreich, wußte nicht, wie liederlich. Antipathie, Sympathie — keine Politik. Nun Preußen ſehr gute Naſe: wittert, daß die deutſche Kaiſerkrone im Dünenſand Schleswig-Holſteins verborgen liegt, dort auszugraben iſt. Oeſterreich niedlich dran gekriegt, hineingelockt, um graben zu helfen, — dann aus der Hand ſchlagen! — Begreife, es will aus Un¬ recht ein neues Recht aufſtehen. Wohl, aber die Menſchheit würde charakterlos, ſchlecht, wenn in ſolchem Fall Niemand für das alte Recht kämpfte, ob auch hoffnungslos. Und dann — Politik und Privatmoral freilich zweierlei; aber Sieg neuer politiſcher Form, auf Gewalt gebaut, die durch Liſtgewebe eingeleitet iſt, doch immer auch von entſittlichender Nachwirkung — Moral der Nation trägt eine Schlappe davon. Man wird’s ſehen, wenn die neue Form wird — Dennoch — Die Politik iſt doch ein merkwürdiges Gebiet, Theater, worin wie ein Narr ſitzt, wer nicht hinter

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/358>, abgerufen am 22.11.2024.