der Geburt des zweiten Knaben. Glück gewünscht, herzlich, kurz. Ach, dorthin kann ich ja nicht schreiben! Wie oft versucht und ausgestrichen, Feder weggeworfen! Gewöhnliches? Wie nichtig! Inneres -- wie wäre das möglich? In Thränen schwämme das Blatt! Und doch ist mir's unheimlich, mein vieles, langes Schwei¬ gen. Noch Beruhigung, daß Erik so wenig Freund von Briefschreiben, als ich, und daß man mich dort kennt, daß er ja weiß, daß sie, sie weiß -- oder auch ahnt -- o nein, Schweigen! Schweigen!
Todt! Erit todt! Erik todt! -- Als wäre der Welt ihr Krondiamant ausgebrochen! -- Und sie? --
Wie selten wir uns geschrieben, ich wußte ihn doch! In dieser Welt der Falschheit, des Eigennutzes, der Kriecherei, der Ränke -- ich wußte, wußte, sagte mir's tagtäglich: es gibt noch Redlichkeit, Geradheit, Treue, Opfer, Mannheit: Erik lebt! -- An ihm ein Halt, auf ihn ein Verlaß, eine Ruhe für mein auf¬ geregt heftig Wesen -- Mein Freund, mein guter Kern, mein Fels, meine Tugend -- unsichtbar nahe -- o, Erik todt! -- Verwaist -- rings kein Freund mehr! -- Und -- Soteira? --
der Geburt des zweiten Knaben. Glück gewünſcht, herzlich, kurz. Ach, dorthin kann ich ja nicht ſchreiben! Wie oft verſucht und ausgeſtrichen, Feder weggeworfen! Gewöhnliches? Wie nichtig! Inneres — wie wäre das möglich? In Thränen ſchwämme das Blatt! Und doch iſt mir's unheimlich, mein vieles, langes Schwei¬ gen. Noch Beruhigung, daß Erik ſo wenig Freund von Briefſchreiben, als ich, und daß man mich dort kennt, daß er ja weiß, daß ſie, ſie weiß — oder auch ahnt — o nein, Schweigen! Schweigen!
Todt! Erit todt! Erik todt! — Als wäre der Welt ihr Krondiamant ausgebrochen! — Und ſie? —
Wie ſelten wir uns geſchrieben, ich wußte ihn doch! In dieſer Welt der Falſchheit, des Eigennutzes, der Kriecherei, der Ränke — ich wußte, wußte, ſagte mir's tagtäglich: es gibt noch Redlichkeit, Geradheit, Treue, Opfer, Mannheit: Erik lebt! — An ihm ein Halt, auf ihn ein Verlaß, eine Ruhe für mein auf¬ geregt heftig Weſen — Mein Freund, mein guter Kern, mein Fels, meine Tugend — unſichtbar nahe — o, Erik todt! — Verwaiſt — rings kein Freund mehr! — Und — Soteira? —
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der Geburt des zweiten Knaben. Glück gewünſcht,
herzlich, kurz. Ach, dorthin kann ich ja nicht ſchreiben!
Wie oft verſucht und ausgeſtrichen, Feder weggeworfen!
Gewöhnliches? Wie nichtig! Inneres — wie wäre
das möglich? In Thränen ſchwämme das Blatt! Und
doch iſt mir's unheimlich, mein vieles, langes Schwei¬
gen. Noch Beruhigung, daß Erik ſo wenig Freund
von Briefſchreiben, als ich, und daß man mich dort
kennt, daß er ja weiß, daß ſie, ſie weiß — oder auch
ahnt — o nein, Schweigen! Schweigen!
Todt! Erit todt! Erik todt! — Als wäre der
Welt ihr Krondiamant ausgebrochen! — Und ſie? —
Wie ſelten wir uns geſchrieben, ich wußte ihn
doch! In dieſer Welt der Falſchheit, des Eigennutzes,
der Kriecherei, der Ränke — ich wußte, wußte, ſagte
mir's tagtäglich: es gibt noch Redlichkeit, Geradheit,
Treue, Opfer, Mannheit: Erik lebt! — An ihm ein
Halt, auf ihn ein Verlaß, eine Ruhe für mein auf¬
geregt heftig Weſen — Mein Freund, mein guter
Kern, mein Fels, meine Tugend — unſichtbar nahe
— o, Erik todt! — Verwaiſt — rings kein Freund
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/322>, abgerufen am 24.11.2024.
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