-- ihres Bluts sicher auch ein Tropfen zurück; dann Mittelalter -- Hohenstaufen -- im Dom von Assisi Friedrich II. getauft, hat Kinderjahre dort drüben auf der Burg verlebt, -- dieß Alles auf dem dunklen alten Grund -- wie seltsam Alles, Klang einer alten Sage, wie wundersam fremd und magisch anziehend. Auch fürchterliche Zeiten -- Bluthochzeit von Perugia! Alter Marktbrunnen mit den Figuren der pisanischen Meister, die aus halboffener Knospe der Kunst so frisch hervorquellen, was plauderst du? Was erzählst du die ganze lange Nacht, wenn's still ist ringsum? Weißt noch, wie du prangtest an Astorre's Vermählungstag? Wie die Mordnacht folgte? Wie Simonetto's Leiche, den alten Trotz im Angesichte, zum Himmel starrte? Und wie die zwei Frauen Atalanta und Zenobia die weißen Gewänder im Blut nachschleppten, als sie gien¬ gen, das Herz des sterbenden Grifone zu rühren, daß er seinen Mördern verzeihe? -- Fort von den grausen Bildern! -- Ihr blauen Gebirge, so feierlich violett am Abend, was habt ihr Alles gesehen! Auf euch hat Raphael's junges Auge geweilt. -- Alter Tiber¬ fluß, wie viel Zeiten hast du geschaut! -- Und diese Welt war das Bilderbuch der Kindheit ihrer Mutter. In reiner Unwissenheit über das Wilde, was einst in diesen Gassen, diesen Thälern getobt, wird sie den Ernst und im Großen das Sanfte, das Ahnungsvolle eingesogen haben, das rings in diesen tiefen Farben
— ihres Bluts ſicher auch ein Tropfen zurück; dann Mittelalter — Hohenſtaufen — im Dom von Aſſiſi Friedrich II. getauft, hat Kinderjahre dort drüben auf der Burg verlebt, — dieß Alles auf dem dunklen alten Grund — wie ſeltſam Alles, Klang einer alten Sage, wie wunderſam fremd und magiſch anziehend. Auch fürchterliche Zeiten — Bluthochzeit von Perugia! Alter Marktbrunnen mit den Figuren der piſaniſchen Meiſter, die aus halboffener Knospe der Kunſt ſo friſch hervorquellen, was plauderſt du? Was erzählſt du die ganze lange Nacht, wenn's ſtill iſt ringsum? Weißt noch, wie du prangteſt an Aſtorre's Vermählungstag? Wie die Mordnacht folgte? Wie Simonetto's Leiche, den alten Trotz im Angeſichte, zum Himmel ſtarrte? Und wie die zwei Frauen Atalanta und Zenobia die weißen Gewänder im Blut nachſchleppten, als ſie gien¬ gen, das Herz des ſterbenden Grifone zu rühren, daß er ſeinen Mördern verzeihe? — Fort von den grauſen Bildern! — Ihr blauen Gebirge, ſo feierlich violett am Abend, was habt ihr Alles geſehen! Auf euch hat Raphael's junges Auge geweilt. — Alter Tiber¬ fluß, wie viel Zeiten haſt du geſchaut! — Und dieſe Welt war das Bilderbuch der Kindheit ihrer Mutter. In reiner Unwiſſenheit über das Wilde, was einſt in dieſen Gaſſen, dieſen Thälern getobt, wird ſie den Ernſt und im Großen das Sanfte, das Ahnungsvolle eingeſogen haben, das rings in dieſen tiefen Farben
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— ihres Bluts ſicher auch ein Tropfen zurück; dann
Mittelalter — Hohenſtaufen — im Dom von Aſſiſi
Friedrich II. getauft, hat Kinderjahre dort drüben auf
der Burg verlebt, — dieß Alles auf dem dunklen
alten Grund — wie ſeltſam Alles, Klang einer alten
Sage, wie wunderſam fremd und magiſch anziehend.
Auch fürchterliche Zeiten — Bluthochzeit von Perugia!
Alter Marktbrunnen mit den Figuren der piſaniſchen
Meiſter, die aus halboffener Knospe der Kunſt ſo friſch
hervorquellen, was plauderſt du? Was erzählſt du die
ganze lange Nacht, wenn's ſtill iſt ringsum? Weißt
noch, wie du prangteſt an Aſtorre's Vermählungstag?
Wie die Mordnacht folgte? Wie Simonetto's Leiche,
den alten Trotz im Angeſichte, zum Himmel ſtarrte?
Und wie die zwei Frauen Atalanta und Zenobia die
weißen Gewänder im Blut nachſchleppten, als ſie gien¬
gen, das Herz des ſterbenden Grifone zu rühren, daß
er ſeinen Mördern verzeihe? — Fort von den grauſen
Bildern! — Ihr blauen Gebirge, ſo feierlich violett
am Abend, was habt ihr Alles geſehen! Auf euch
hat Raphael's junges Auge geweilt. — Alter Tiber¬
fluß, wie viel Zeiten haſt du geſchaut! — Und dieſe
Welt war das Bilderbuch der Kindheit ihrer Mutter.
In reiner Unwiſſenheit über das Wilde, was einſt in
dieſen Gaſſen, dieſen Thälern getobt, wird ſie den
Ernſt und im Großen das Sanfte, das Ahnungsvolle
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/274>, abgerufen am 26.11.2024.
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